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Blumenstrauß Das Ehrenamt gehört einfach dazu

Für Erika und Rolf Ludwig ist soziales Engagement selbstverständlich. Dafür wird den Osterburgern der Blumenstrauß des Monats überreicht.

Von Frank Schmarsow 11.08.2017, 23:01

Osterburg l Der gelernte Maurer und Berufskraftfahrer Rolf Ludwig ist seit 1960 Mitglied der Osterburger Feuerwehr und seine Frau, Großhandelskauffrau, seit 1964. Beide haben in ihrer aktiven Laufbahn als Feuerwehrleute sämtliche Etappen durchlaufen, hatten dafür alle erforderlichen Lehrgänge besuchen müssen, um sich weiterzubilden; Frauen waren zu DDR-Zeiten vor allem im vorbeugenden Brandschutz tätig. Nach den Wende wurden sie gleichberechtigt in die aktive Einsatztruppe einbezogen. Der heute 73-jährige Rolf war Maschinist, durfte alle Feuerwehrfahrzeuge fahren vom Einsatzleitwagen bis zur modernen Drehleiter, die mit dem früheren Leiterfahrzeug W 50 nicht mehr viel gemeinsam hat. „Weiterbildung ist das A und O, vorteilhaft ist aber auch, wenn Alte und Junge zusammen sind, weil die Jungen aus den Erfahrungen der Älteren lernen können“, hält Ludwig für wichtig. „Zu DDR-Zeiten gab es keine Lehrgänge wie heute. Ich habe als junger Feuerwehrmann den alten Kameraden gut zugesehen und zugehört.“

Oft hätte die Familie zurückstecken müssen, wäre die Zeit richtig einzuteilen gewesen, um allem gerecht zu werden. „Aber wir haben es hinbekommen und immer zusammengehalten“, so die 72-jährige Erika. Jeder Montagabend, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr, sei für die Feuerwehr reserviert gewesen; dann fanden die Dienstabende statt und beide Ludwigs waren für niemanden zu sprechen. „Und nun stellen wir fest: Die ehrenamtliche Arbeit war und ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens, und wir haben sie gern gemacht“, so die Seniorin im Einklang mit ihrem Rolf. „Feuerwehr ist Kameradschaft“, betonte sie, „harte bis manchmal an die Grenzen gehende Arbeit auf der einen Seite, aber auch Gemütlichkeit, Freundschaft auf der anderen. Man hilft einander, kümmert sich, fragt nach, wenn einer mal nicht zum Treffen kommt – was ist mit ihm?“

Jetzt gehören Rolf und Erika Ludwig der Alters- und Ehrenabteilung sowie dem Förderverein der Wehr an. Hier arbeitet Erika Ludwig in der Versorgungsgruppe mit. Und wenn die gerufen wird, steht sie mit am Kessel.

Doch für Erika Ludwig noch nicht genug: Seit Bestehen der Tafel für Bedürftige in Osterburg hilft sie dort mit, sortiert an der Seite anderer ehrenamtlicher Helfer die von den Supermärkten und anderen Spendern sowie aus den Tafelgärten der Kleingärtnervereine zur Verfügung gestellten Lebensmittel und Sachspenden und händigt sie an den Ausgabetagen – dienstags aller drei Wochen – den Bezugsberechtigten aus. „Es werden neben Einheimischen auch Flüchtlinge versorgt. Wir freuen uns über jede Spende, die wir weitergeben können“, sagte Erika Ludwig, die an solchen Tagen schon ganz früh in der Ausgabestelle anzutreffen ist. Erst sei es bei ihr Neugier gewesen: Was ist die Tafel überhaupt? Der stellvertretende Bürgermeister der Einheitsgemeinde Detlef Kränzel beantwortete diese Frage der Osterburgerin so: „Dann geh‘ doch mal hin und schau es dir an Ort und Stelle an. Wenn es dir gefällt – Helfer werden dort immer gebraucht.“ Sie ging, sah und blieb, auch deswegen: „Es ist ein angenehmes Team. Frau Kohl versteht es sehr gut, uns anzuleiten.“ Solange es ihr möglich sei, werde sie bei der Feuerwehr und der Tafel bleiben, versicherte sie.

Rolf Ludwig hatte bis zum Ausbruch seiner Krankheit Ende 2016 die „Osterburger Löschzwerge“, die Kinderfeuerwehr, deren Leiterin Antje-Kathrin Brychcy bei der Ausbildung des jüngsten Nachwuchses unterstützt. „Als ich seinerzeit zur Feuerwehr kam, war ich 16“, erzählte er. „Ich brauchte damals die Genehmigung meiner Mutter. Heute müssen wir alles tun, um den Nachwuchs für den aktiven Dienst zu sichern. In der Kinder- und in der Jugendfeuerwehr kommen die jungen Menschen mit der Tätigkeit der Feuewehrleute in Berührung. Aber es fehlen Arbeitsplätze und für die ganz jungen Kameraden Lehrstellen.“ Man müsse auch Anreize schaffen, und diese Anregung möchte Rolf Ludwig noch einmal ins Zimmer des Bürgermeisters tragen: „Ist es denn so schwierig, zum Beispiel, den Kameraden in der Stadt gebührenfreies Parken und kostenlosen Besuch des Biesebades zu ermöglichen? Und es gibt sicher noch andere Möglichkeiten, die Feuerwehrarbeit attaktiv zu machen, so dass junge Leute sagen: Das gefällt mir, da möchte ich mitmachen. Aber sie sind auch bei der Stange zu halten, damit man sie lange hat. Und damit sind wir wieder bei Lehrstellen und Arbeitsplätzen.“

Enkel Daniel Ludwig hat sich beruflich nach Osterburg orientiert. So hat er die Möglichkeit nutzen können, die Jugendfeuerwehr der Biesestadt zu leiten. Enkel Christian hätte die Mitgliedschaft in der hiesigen Wehr aufgeben müssen, da er nach der Lehre eine Montagetätigkeit aufgenommen hat.

Und da ist noch ein nicht zu unterschätzender Fakt. Die Seelsorge für die Kameraden hält Erika Ludwig für sehr wichtig. „Nach schweren Einsätzen müsse man mit speziell ausgebildeten Leuten darüber reden können“, sagte sie. „Erst wenn die Seele frei ist, kann man ruhiger schlafen, wieder in die Gegenwart zurückfinden. Um miteinander sprechen zu können und für unsere Zusammenkünfte haben wir in unserer Feuerwehr jetzt sehr gut eingerichtete Räume. Dafür hat die Stadt in letzter Zeit sehr viel Geld investiert. Das ist ein großes Dankeschön wert.“

Rolf fallen einige sehr markante Einsätze ein, die ihm und seinen Kameraden auch hinterher seelisch schwer zu schaffen gemacht hätten, beispielsweise als ein Personenzug mit einem Tankzug zusammengestoßen war. „Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich auf verbrannter Erde gegangen, was sich anfühlte, als würde ich durch Wasser waten“, berichtete er. Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm auch ein Wohnhausbrand in Rochau, bei dem eins von zwei Kindern nur noch tot geborgen werden konnte. „Das alles“, so Rolf Ludwig, „sind Dinge über die man danach reden muss. Wir müssen das von der Seele haben, sonst geht das nicht.“