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Bürgerbus Hilfe über die Fahrt hinaus

Manche gaben dem Projekt Bürgermobil nur ein halbes Jahr. Das hat die Werbener Nachbarschaftshilfe schon versechsfacht.

Von Karina Hoppe 24.08.2017, 19:00

Werben/Wische l Als Regina Melms und ihr Mann Günter vor 23 Jahren von Halle/Saale nach Berge zogen, war die Mobilität noch kein Problem. Zwar hat Regina Melms keinen Führerschein – aber ihr Mann. Und das reichte lange Zeit, „ich sah erstmal keinen Grund, mit 59 Jahren noch einen Führerschein zu machen“. Heute sieht das anders aus. Günter Melms fährt keine langen Strecken mehr und es kommt vor, dass er gar nicht fahren kann. Dann wird‘s schwierig. In Anbetracht dessen wurde Regina Melms vor drei Jahren zu einer der ersten Kunden des Werbener Bürgermobils. Bis heute nutzen sie und ihr Mann es regelmäßig, „wir sind so froh, dass wir es haben und hoffen so sehr, dass es erhalten bleibt“.

Das wünscht sich die Nachbarschaftshilfe „Miteinander – Füreinander“ auch. Sie ist stolz auf ihr Dreijähriges, das sie bereits im April hatte. Der Verein, der die Lücken des öffentlichen Nahverkehrs schließen will, bekam den Erfolg nicht geschenkt, musste sich auch durchboxen. Manche waren anfangs skeptisch ob des Projektes aus Werben. „So etwas gab es ja hier auch noch nicht“, sagt Gisela Hilscher, die dem 30 Mitglieder zählenden Verein vorsteht. Längst sei aber Ruhe eingekehrt, das Konstrukt steht: Der Bus ist im Besitz des Landkreises Stendal, der die Steuern und Versicherung für das Fahrzeug bezahlt. Alles andere, Reparaturkosten und Sprit ohnehin managt der Verein. Mit Hilfe des an den öffentlichen Nahverkehr angelehnten Fahrtgeldes plus einer Kostenpauschale von den Kunden und mit Sponsorengeldern, auf die der Verein angewiesen ist. Die Basis aber bleibt das Ehrenamt. Zwölf Fahrer – aus Werben und der Altmärkischen Wische – übernehmen regelmäßig Fahrten mit dem Bus. Dazu kommen sieben Frauen, die bei Bedarf als Betreuung mitfahren. „Und das ist das Besondere, diese Nachbarschaftshilfe dabei“, sagt Gisela Hilscher dankbar. Und verweist gleich auf Verena March, die der Dreh- und Angelpunkt des Bürgermobils ist. Wochentags von 8 bis 11.30 Uhr sitzt sie im Büro im Rathaus, das die Stadt dem Verein kostenlos zur Verfügung hält. Die 35-jährige Giesenslagerin klopft bei den Gesprächen am Telefon alle Fragen ab. Wohin soll es gehen? Wann? Welche Art Arzttermin ist es? Braucht die Person Betreuung im Bus? All dies wird notiert. Dabei hat Verena March längst im Gefühl, welcher Fahrer zu welchem Kunden passt, welche Tour zu welchem Fahrer oder ob ein Kunde beim Arzt oder Einkaufen Hilfe braucht. „Verenas Posten ist nicht einfach austauschbar, es braucht da schon Feingespür“, sagt Gisela Hilscher, die damit auf das bestehende Hauptproblem hinweist: Die Bufdi-Stelle, über die Verena March den Job anfangs machte, ist ausgelaufen. Der Verein zahlt die Aufwandsentschädigung seit Monaten ganz allein. „Verena ist jung, nicht arbeitslos, passt in keines dieser Programme“, spielt Gisela Hilscher auf Maßnahmen a la „Ü 58“ an. Würde genanntes Problem gelöst, hörte man den Verein wohl kollektiv aufatmen. Allen voran Verena March, die mittlerweile Schatzmeisterin des Vereins ist und mit seinem Ansinnen verwachsen.

Zu diesem Ansinnen gehört über das Bürgermobil hinaus Hilfe in vielerlei Lebenslagen. Der Verein unterstützt bei Behördenangelegenheiten, lädt zu ärztlichen Fachvorträgen ein, ist mit vielerlei anderen Initiativen vernetzt. 2014 erhielt die Nachbarschaftshilfe in der Kategorie „Sicherung der Lebensqualität im Wandel“ gar den Demografiepreis des Landes Sachsen-Anhalt.

Sieben bis acht Fahrten macht das Bürgermobil pro Woche. Nach Groß Pankow, Seehausen, Osterburg, Wittenberge oder innerhalb von Werben. Es geht zum Arzt, zum Einkaufen, ins Theater – oder zum Friseur. So wie gestern bei Regina Melms. Heinz Hilscher, der sie fuhr, wartete, bis sie fertig war. Er liest meist solange oder dreht vor Ort eine Runde mit seinem Klapprad. Der Bus ist groß, da passt es mit rein.

Der Verein sucht noch weitere Fahrer: Telefon 0151/11 17 50 55.