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CDU-Tafelrunde  Von zwei gut gemeinten Anrufen

Chris Schulenburg (CDU, MdL) zog aus brisantem Anlass während der Tafelrunde Büttnershof eine Parallele zu Staatssekretär Hubert Böning.

Von Karina Hoppe 08.11.2018, 15:24

Büttnershof l „Der Rechtsstaat wird nicht so wertgeschätzt, wie man sich das wünscht“, sagte Chris Schulenburg in seiner Einleitung. Im hübschen Saal des Gutshauses Büttnershof, wohin gut 20 Personen am Mittwoch im Rahmen der 42. Tafelrunde den Weg gefunden hatten. Zu Gast dieses Mal: Hubert Böning, Parteifreund und Staatssekretär im sachsen-anhaltinischen Ministerium für Justiz und Gleichstellung.

Bevor im Allgemeinen und Konkreten – auch von Seiten des Publikums – engagiert über den Rechtsstaat gesprochen wurde, bezog Gastgeber Schulenburg kurz Stellung aus aktuellem Anlass. „Wir haben seit heute eine Gemeinsamkeit“, zeigte er auf Böning. Auch dieser sei wegen eines „gut gemeinten Anrufes“ negativ in die Schlagzeilen geraten. Dabei sei es nur „viel Lärm um nichts“ gewesen. Während Böning vorgeworfen wurde, als Staatssekretär unzulässig Einfluss auf ein Gericht genommen zu haben, soll Schulenburg in einem Telefonat mit dem Vorsitzenden des CDU-Kreisverbandes Salzwedel, Peter Fernitz, laut selbigem unrühmlich versucht haben, eine Kandidatur von Salzwedels Landrat Michael Ziche (CDU) für den stellvertretenden Landesparteivorsitz zu verhindern. Schulenburg wies dies in Büttnershof nochmal von sich. Er sei 38 Jahre alt und nicht senil: „Ich war ja beim Gespräch dabei und lehne mich ganz entspannt zurück.“ Wie Schulenburg gestern mitteilte, sei er in dieser Sache für Dienstag zur Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstandes geladen. „Da wird parteiintern Tacheles geredet. Ich lasse mir meine Integrität als Innenpolitiker nicht nehmen.“

Aber die Causa war in Büttnershof eher Randnotiz als Aufreger. Es ging um die großen Fragen des Rechtsstaates, wobei Böning einen Satz mehrfach wiederholte: „Wenn wir die Unabhängigkeit von gerichtlichen Entscheidungen nicht mehr ernst nehmen, öffnen wir der Willkür Tür und Tor.“ Er be­obachte da eine „ausgesprochen gefährliche Tendenz“. Böning, der unter anderem acht Jahre als Oberstaatsanwalt in Halberstadt arbeitete, ließ die Zuhörer an den Prinzipien des Rechtsstaates teilhaben, etwa die Unschuldsvermutung betreffend. In seinen ersten Arbeitsjahren sei ihm aus gewichtigem Munde mal gesagt worden „es ist besser, man lässt 99 Schuldige frei, als einen Unschuldigen zu verknacken“. Anders formuliert: „Wenn vernünftige Zweifel an der Schuld bestehen, darf nicht verurteilt werden.“ Dem Unschuldigen ist es Rettung, dem Volksempfinden läuft es manchmal zuwider. Aber das Volksempfinden fuße mitunter auch auf kolportierten Teil­aspekten – die Fälle sind komplex. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen, beschwert sich so mancher überdies, Böning redete dagegen an. Uli Hoeneß etwa hätte in Berlin sogar die Chance gehabt, ab dem ersten Tag in offenen Vollzug zu gehen. Er sei von der bayrischen Justiz behandelt worden wie jeder andere.

Und dann gibt es da diese Crux mit dem Rechtsfrieden: Man darf in derselben Angelegenheit nur einmal verurteilt werden. Bei Celle ist ein Mann von dem Vorwurf der Vergewaltigung (Fall „Frederike“) freigesprochenen worden. Seine DNA-Spuren, die erst Jahrzehnte später mit neuer Technik ausgewertet werden konnten, sprechen nun aber „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ für seine Schuld – der Fall wird nicht mehr aufgerollt. Nach welchen Kriterien wolle man denn gehen, wenn man das ändert, wie aktuell diskutiert wird? Welche Fälle sollen nach Verurteilung bei neuen Erkenntnissen neu aufgemacht werden? Alle? Das System würde kollabieren. „Davon ab gibt es einen Anspruch auf Rechtsfrieden.“ Irgendwann müsse die Akte zu sein.

So viele Themen. Um die Reichsbürger ging es noch, um die Kronzeugenregelung und zum Beispiel auch darum, dass Fernseher und Sportgeräte im geschlossenen Vollzug einen Sinn haben. „Es baut sich darin ein so großer Druck auf, da haben wir nicht zuletzt auch eine Verantwortung für das Personal.“ Und: „Beinahe jede Freiheitsstraße ist zeitlich begrenzt. Wir tun der Gesellschaft keinen Gefallen, wenn die Personen rauskommen und fünf Jahre nichts von der Welt mitbekommen haben“.