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Chronist Die pure Freude zwischen Ordnern

Wie aus purer Langeweile mehr als 50 prall gefüllte Ordner über Goldbecks Geschichte werden, das weiß Detlef Frey aus Goldbeck.

Von Karina Hoppe 28.10.2016, 23:01

Goldbeck l Die Verbandsgemeindewahl ist in den Ordnern von Detlef Frey schon wieder Geschichte. Er hat sowohl die Zeitungsartikel darüber als auch Eike Trumpfs und René Schernikaus Wahlflyer in Folie gepackt und ordentlich abgeheftet. Denn morgen ist heute schon wieder gestern und in einem halben Jahr vor einem halben Jahr. „Ich möchte das festhalten.“

Detlef Frey lebt in dem Haus, in dem er geboren wurde, im so genannten Goldbecker Zickenwinkel. „Hier hatten früher alle Ziegen, ich kann mich gut daran erinnern.“ Auch daran, dass Detlef Frey in der Schule lieber Geografie als Geschichte mochte und dass Zahlen eigentlich nicht so seine Sache waren. Das verwundert heute den, der vor seinem Regal im Nebenraum des Wohnzimmers steht. Jahreszahlen „noch und nöcher“, meine Güte, da meint es jemand ernst mit der Freude am Archivieren. Und das begann vor zehn Jahren. Detlef Frey, der beim RAW Stendal Schlosser lernte, dann beim Goldbecker ACZ und bis zum Renteneintritt 2011 bei der Gemeinde arbeitete, war gesundheitlich sehr angeschlagen. „Und ich hatte einfach die pure Langeweile.“

Der, den die eigene Familiengeschichte schon immer interessierte, begann als Therapie seinen Blick auf ganz Goldbeck zu erweitern. Detlef Frey fing mit dem Sammeln an, „bekam etwas“ von Otto Schneider, Otto Gehrmann und Klaus Herms und ersann seine eigene Art zu archivieren. Nicht sortiert nach Themen nämlich sammelt Detlef Frey, vielmehr nimmt er alles, wie es kommt. Der Geschäftsbrief von der Zuckerhalle ist eingeheftet neben Einschulungsbilder mit Namen und einem Fußballbericht. Die Chronologie sortiert, so entsteht ein Querschnitt durch das gesellschaftliche Leben, der dem Goldbecker gefällt.

Alles kommt in Klarsichtfolie, auf den Ordnerrücken stehen die Jahreszahlen. Manchmal muss Frey noch Ordner dazwischenschieben. Je nachdem, welche Schätze ihn wieder ereilen. Denn nicht nur, dass Frey selbst ständig wachsam ist, wo es denn was geben könnte, mittlerweile wird er auch angesprochen. „Ich staune immer wieder, was die Leute noch haben. Da fallen Sie vom Hocker.“

Privatleute sind Frey Quelle, aber auch die Goldbecker Schulen waren es, die Gemeinde, Feuerwehr, der Landkreis, das Landesverwaltungsamt... Eine Karte von Goldbeck aus dem Jahr 1896 ist vielleicht ein kleiner Schatz, aber hervorheben möchte Frey eigentlich nichts – die Gesamtheit macht‘s. Im Gespräch fällt ihm ein Briefwechsel zwischen Paul Isensee und seinen Eltern in Goldbeck in die Hände. „Isensee war Unteroffizier im Ersten Weltkrieg, stationiert in Belgien und 1918 vermisst.“ Dann zeigt er auf das Poesiealbum von der Goldbeckerin Hulda Hünemörder von 1880. Dann auf Fotos von der Entstehung des Neubaugebietes an der Uchte nach der Wende. „Die haben mir noch gefehlt.“ Sie stammen von „Frau Kersten“ aus Schkeuditz, ihre Eltern hatten das Goldbecker Landwarenhaus HO – Frey hat die Unterlagen kopiert.

Der Rentner ist in der Vergangenheit unterwegs, aber auch in der Gegenwart. Gerade hat er Bilder von den Baumaßnahmen an der Goldbecker Kita „Regenbogenland“ gemacht, die Kamera ist also sein Begleiter. Entwickelt wird in der Drogerie, „mit 500 Fotos auf einmal hab ich in Stendal schon mal den Laden blockiert“. Ja, das Hobby kostet Geld. Aber die Freude daran mache den finanziellen Aufwand wett. Wenn Detlef Frey etwas gefunden hat, wonach er lange suchte, sei das einfach „die pure Freude“. Dass Frey über all dies hinaus auch noch Meterial über die Deutsche Reichsbahn sammelt und jede Sendung der „Eisenbahnromantik“ aufnimmt, ist hier eine Randnotiz. Ein „büschen verrückt“ sei er schon – aber das sehr gerne.