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Ehrenamtlich Uhrmacher aus Überredung

Es ist ein bisschen wie die Geschichte mit der Jungfrau und dem Kinde. Werner Jose betreut jetzt jedenfalls die Werbener Kirchturmuhr.

Von Karina Hoppe 02.07.2016, 12:30

Werben l  Seit acht Wochen geht der 66-Jährige regelmäßig die 127 Stufen den Kirchturm hoch. Längst hat er eingesehen, dass er der Richtige für das Ehrenamt ist. In seiner ersten Amtshandlung widmete sich Werner Jose der Kurbel, mit der die drei Gewinde regelmäßig auf gleiche Höhe gebracht werden müssen. Der Griff drehte sich nicht mit, es wurde warm beim Kurbeln, „das muss ja nicht sein“. Zum Glück ist Werner Jose Handwerker, einen Holzschaft hatte er schnell angebracht. Jetzt ist es besser. Und Werner Jose längst per Du mit dem rund 120 Jahre alten Uhrwerk von St. Johannis.

Es war Not am Mann, der Vorgänger Joses erkrankt. Da kam Werner Eifrig und bat um Hilfe, einer musste sich kümmern. Jemand, der fit ist und handwerklich mit zwei rechten Händen ausgestattet. Da fiel die Wahl auf Werner Jose, der als Sanitär- und Heizungsbauer selbstständig war und ohnehin sein „ganzes Leben lang handwerklich unterwegs“. Aber eine Kirchturmuhr? Werner Jose ließ sich zunächst einweisen von Männern, die etwas zum Uhrwerk sagen konnten, seinerzeit die Elektrifizierung angebracht hatten. Aber das meiste musste der Rentner doch selbst herausfinden, „durch ausprobieren“. Und das braucht einige Zeit: Wenn die Uhr um 1 Uhr stehengeblieben ist, müsse sie auch um diese Uhrzeit wieder in Gange gebracht werden, „das ist ja keine Armbanduhr“.

Das Uhrwerk hat zwar ein elektrisches Getriebe, aber die Gewichte der drei Winden „fahren“ verschieden schnell nach unten. Das Viertelstundenläutwerk läuft anders als das Schlagwerk zur vollen Stunde und anders als die Winde der Uhr. „Diesen Unterschied kann man nur über die Kurbel, also mit der Hand ausgleichen“, sagt Jose. Kann und muss, sonst bleibt die Uhr nämlich alsbald stehen. Und das mache sicher keinen guten Eindruck. Vergleichsweise sei der zu betreibende Aufwand ja aber gering. Wann wurde das elektrische Getriebe eingebaut? Werner Jose schätzt, erst Ende der DDR-Zeit, vorher musste alle eineinhalb Tage jemand die Gewichte per Hand hochziehen.

Werner Jose hat das gusseiserne Uhrwerk mittlerweise durchschaut. Und irgendwie passe es auch, dass er sich nun darum kümmert, hatte er doch früher schonmal mit der Uhr zu tun. Die drei mal drei Meter großen Stahltafeln, die am Turm nach außen als Ziffernblatt zu sehen sind, fertigte vor rund 15 Jahren Werner Jose an – als Ersatz für die alten, verrosteten. „Ich habe die Tafeln auch mit angebracht“, sagt Jose nicht ohne Stolz. Die Aktion in luftiger Höhe sei recht wagemutig gewesen. „Ich habe mich quasi mit den Füßen festgehalten und dann herausgelehnt.“ Die goldenen Ziffern hatte vorher Uhrmacher Haut aus Seehausen auf die Tafeln gebracht, erinnert sich Jose. Dass er irgendwann selbst nochmal zum „Uhrmacher“ wird, hätte er nicht gedacht. Aber es scheint für ihn in Ordnung zu sein.