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Forstschäden Normale Waldwirtschaft kaum möglich

Wetterextreme und Schädlinge sorgen dafür, dass Waldbauern kaum mehr agieren, sondern nur noch reagieren könne - ein Blick nach Seehausen.

Von Ralf Franke 26.03.2019, 00:01

Seehausen l Waldbauern müssen noch mehr als ihre ackernden Kollegen in Generationen denken. Weil die Ernte nicht in Monaten, sondern über viele Jahre heranwächst, werden sie die jüngsten Wetterunbilden ach noch sehr lange zu spüren bekommen.

Wie schwierig die Situation im Wald ist, wurde auch beim Rückblick auf das vergangene Jahr von Katja Döge, der Leiterin des Betreuungsforstamtes „Nordöstliche Altmark“, deutlich. Ein Jahr, das selbst jede Menge Extreme aufzuweisen hatte, aber auch noch unter dem Einfluss der Herbststürme von 2017 stand, deren Schäden noch immer nicht vollständig aufgearbeitet sind. Dass neue Stürme Anfang des vergangenen und Anfang dieses Jahres für neue Schäden sorgen, erschwert die Sache.

Mit bislang 110.000 Festmetern im Einzugsgebiet des Forstamtes wurden nicht nur alle bisherigen Schätzungen, deutlich übertroffen, sondern auch die Menge an Holz, die nach dem Schneebruch 2011 mit etwa 90.000 Festmetern registriert wurde. Ein Ende ist nicht in Sicht, obwohl 2018 nahezu kein planmäßiger Einschlag erfolgte, sondern vor allem Schadholz aufgearbeitet wurde. Was auch die Bilanz der Forstbetriebsgemeinschaften erheblich beeinflussen beziehungsweise verhageln dürfte. Während in normalen Jahren das so genannte Kalamitätsholz im unteren einstelligen Prozentbereich in den Abrechnungslisten auftauchte, wird das Schadholz die 2018er Bilanzen dominieren. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das auch 2019 der Fall sein wird, zumal Schadflächen immer auch Angriffsstellen für neue Witterungs- und Schädlingsereignisse sind.

Leider ist das Plus nur bei der Holzmenge, nicht aber bei den Erlösen zu verzeichnen. Die Preise sind durch das Überangebot inzwischen so weit im Keller, dass die Einnahmen die Kosten für das Aufräumen im Wald fast nicht mehr tragen. Erst recht nicht, wenn das Aufforsten mit eingerechnet wird. Abgesehen davon, dass es beim Pflanzmaterial zu Engpässen kommt, weil die Nachfrage inzwischen so groß geworden ist.

Während 2017 nach langem wieder mal ein vergleichsweise nasses Jahr war, das 2018 einen guten Start verhieß, folgten bekanntlich extrem heiße und trockene Monate, die Waldbauern, Förster, Fachfirmen und natürlich die Feuerwehren in Atem hielten. An 185 Tagen herrschte mindestens die Waldbrandwarnstufe 2. An 94 Tagen, waren die Stufen 4 und 5 ausgerufen, was auch für die Förster über drei Monate eine 24-Stunden-Bereitschaft bedeutete. Normal sind im Schnitt um die 10 bis 20 Tage.

18 Mal brannte 2018 der Wald im Landkreis Stendal. Rund 33 Hektar waren betroffen. In normalen Jahren sind es laut Forstamtsleiterin ein bis zwei Hektar. Der Waldbrand bei Seehausen war auf 23 Hektar mit Abstand der größte im Landkreis. Aber auch die Feuer bei Poritz und Bömenzin hatten es in sich. Vor allem letzteres hätte leicht in einer Katastrophe enden können, so Katja Döge mit Blick auf die Anbindung an ein riesiges Waldgebiet in Richtung Niedersachsen.

In den meisten Fällen konnte die Brandursache nicht geklärt werden. Aber zweimal galt Blitz als Auslöser. Immerhin drei Feuer waren vorsätzlich oder fahrlässig gelegt worden. Der Schaden allein beim Holz wird auf 400.000 Euro geschätzt.

Dass die Pegel an Elbe oder Aland inzwischen wieder angestiegen sind, zeichnet ein verzerrtes Bild über die tatsächliche Situation. Die meisten Waldböden sind auch nach scheinbar ergiebigen Regenfällen der vergangen Tage so trocken wie Ende 2018.

Die Trockenheit und die überdurchschnittliche Sonneneinstrahlung begünstigte aber nicht nur Brände. Das extreme Wetter ließ im vergangenen Jahr auch einige Bäume absterben und schwächte viele Bestände derart, dass Schädlinge gute Lebensbedingungen vorfanden und ein leichtes Spiel bei ihren Wirten hatten. Was wiederum die Fristen für periodisches Massenauftreten von Schädlingen wie Nonne, Forleule & Co und damit auch die Bekämpfungsintervalle von vielleicht zehn auf sieben Jahre verkürzt.

Unter den Schädlingen neben den alt bekannten Borkenkäfern, die vor allem Fichten befallen, finden sich immer öfter Insekten und Pilze, die es in hiesigen Breiten früher nicht gab und die selbst in der Ausbildung von gestandenen Förstern keine Rolle spielten – der Klimawandel lässt grüßen. So wie zum Beispiel der Pilz Diplodia, der die Triebe der Kiefern befällt und sowohl junge als auch alte Bäume absterben lässt. Beginnend an den Waldrändern, wo die braun werden den Wipfel schon von weitem zu erkennen sind. Vor allem die Höhe und das Revier Flessau sind besonders betroffen.

Und was bedeutet das für die Zukunft der Waldbewirtschaftung? Eine Frage, die auch Katja Döge umtreibt. Einen Radikalumbruch zu Tropenhölzern wird es sicher nicht geben. Andere Sachen regeln sich von selbst. Bei der Esche sorgt zum Beispiel das Falsche Weiße Stengelbecherchen (Pilz) für ein mögliches Aus. Und die Fichte, die derzeit den Holzmarkt kaputtmacht, gehört ohnehin nicht in hiesige Breiten. Derzeit setzen die Fachleute auf Mischkulturen und auf Anpassung an die Boden- und Klimaverhältnisse vor Ort mit den bekannten Baumarten. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, wird die Zukunft zeigen.