Gymnasium Im KZ überlebt

Zwei Überlebende des KZ Auschwitz berichteten im Osterburger Gymnasium von ihren schrecklichen Erlebnissen.

Von Ingo Gutsche 26.09.2017, 21:00

Osterburg l Die Bildungsstätte, die sich stolz „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ nennen darf, setzte erneut ein Zeichen. Und konnte mit der Landeszentrale für politische Bildung zwei Zeitzeugen für sich gewinnen: Igor Malitzki aus Charkiw und Anastasia Gulei aus Kiew besuchten das Markgraf-Albrecht-Gymnasium, „um uns zu erzählen, wie es war“, sagte Pädagogin Michaela Steinke, die sich dankbar und zugleich froh zeigte, dass dieser Wunsch der Einrichtung in Erfüllung ging.

Von diesen schrecklichen Tagen, Wochen und Monaten zu erzählen, fällt schwer. Anastasia Gulei, 91 Jahre alt, berichtete ruhig, aber mit tiefer Trauer in der Stimme, über das Erlebte. Sie war 17 Jahre jung, als sie nach Auschwitz kam. Sie lehnte es damals ab, in einem Munitionslager zu arbeiten. Und kam ins KZ. „Wisst ihr wie das ist, die Heimat, den Namen und das menschliche Antlitz zu verlieren?“, wandte sich die heutige Präsidentin der „Ukrainischen Gesellschaft überlebender Häftlinge in faschistischen KZ“ an die Schüler der 10c. Nein, das kann sich keiner vorstellen. Sie sieht noch alles vor sich, kann manchmal nachts nicht schlafen.

100 Baracken, vier Krematorien. „Eine industrielle Maschine zum Töten.“ Anastasia Gulei, die schon oft vor Schülern über die Greueltaten des Nationalsozialismus berichtete, erlebte hautnah, wie die Transporte mit den Häftlingen in die Krematorien geführt worden waren. Unter dem Vorwand der Umsiedlung, wie sie erzählte. „Wir wussten, was auf sie wartet.“ Eine Massenvergasung – es waren am Ende schätzungsweise fünf Millionen Menschen, die dort ihr Leben ließen. Nachts wurden sie verbrannt. Die Asche mussten die Häftlinge zum Düngen der Felder benutzen. Das wussten alle, da die Substanz auch nicht ganz verbrannte Knochenreste enthielt. Wenn sich die 91-Jährige daran erinnert, „sticht es immer noch an den Händen“.

Im Januar 45 wurde sie und alle anderen evakuiert. Das Lager wurde geräumt. Es ging nach Bergen-Belsen. Über mehrere Tage, erst zu Fuß, dann im Eisenbahnwaggon auf engstem Raum.

„Ich empfand bei der Befreiung keine Freude, keine Trauer und auch keinen Schmerz - ich fühlte mich tot.“ Anastasia Gulei war 20 Jahre, als die britischen Truppen kamen. Vielleicht einen Tag länger, und ich wäre gestorben, sagt sie. In Bergen-Belsen erhielten sie weder Essen noch etwas zum Trinken. „Wir sollten sterben.“ Die Krankheit Typhus breitete sich aus, auch Gulei wurde infiziert, ihr fielen die Haare aus. Die Grenze des menschlich Möglichen war überschritten.Der Wille hielt sie am Leben. Gulei nennt die Mitglieder ihrer Gruppe, allesamt KZ-Häftlinge, Olympiasieger. Sie überlebten die schreckliche Zeit.

Die Schüler durften anschließend fragen, interessierten sich unter anderem, ob sie ihre Familie wiedersehen konnte. Ja. Von ihren drei Brüdern kehrten zwei von den Schauplätzen des Krieges zurück, einer mit nur einem Bein. Ähnlich wie Anastasia Gulei engagiert sich Igor Malitzki (überlebte Auschwitz und Mauthausen) in Deutschland für eine aktive Erinnerungskultur. Beiden wurde recht herzlich gedankt.