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Kabarett Die "Glocke" ist dagegen ein Kurzgedicht

Großes, temporeiches, aber auch ungewohntes Kabarett wurde am Freitagabend im Vielbaumer Veranstaltungszentrum "La Palma" geboten.

Von Ralf Franke 20.11.2017, 00:01

Vielbaum l Weil die Politiker (und viele andere, die traditionell als Zielscheibe für Kabarettisten herhalten müssen) nicht offenbar ganz dicht sind, gingen Lothar Bölck und Hans-Günther Pölitz jetzt unter die Dichter, schrieben ein Zwei-Stunden-Programm, das sich von Anfang bis Ende reimt – egal, ob gesprochen, gesungen, geschrien, gestottert oder gestikuliert. Das aktuelle Werk ist mit "Wir bringen uns in Form" überschrieben. Einer der einleitenden Ferse hätte aber ebenso als Motto herhalten können: "Statt auf den Sprachverfall zu schielen, wollen wir damit spielen".

Die Zuschauer und Zuhörer, die das verbale Feuerwerk am Freitagabend im ausverkaufen Saal des Vielbaumer "La Palma" erlebten, dürften noch auf dem Heimweg darüber gerätselt haben, was schwerer war: Das Drehbuch in Reimform zu schreiben oder die vielen Ferse auswendig zu lernen. Aber so viel ist klar: Schillers ledendäre "Glocke" ist gegen das Kabarettprogramm der beiden Altmeister des politisch motivierten Humors – was die Länge betrifft – höchstens ein Kurzgedicht. Und nur zu einem Bruchteil so unterhaltsam.

Ihr Fett bekamen alle weg, die irgendwie im Fokus der Öffentlichkeit stehen. An der Spitze natürlich die Entscheidungsträger der regierenden Volksparteien, aber auch Banken, der kommerzielle Sport, die Kirchen und selbst der heilige Geist. Wobei sich Bölk und Pöltz oft dicht an der Geschmacksgrenze entlang hangelten – ganz so, wie es sich fürs Kabarett gehört. Da hieß es mit Blick auf das Bildungssystem unter anderem: "Wissen bringt viel Nutz, aber an der Schule bröckelt Putz". Oder: "Im neokriminalen Zeitalter sitzt der Räuber hinter dem Schalter".

Wie gehabt, verstehen sich die beiden Politkabarettisten auch aufs Singen. So wurde aus dem Schlager "Griechischer Wein" der Karieresong "Kriech ich da (hinten) rein?". An der Kanzlerin schienen sie sich indes etwas die Zähne auszubeißen. "Was reimt sich schon auf Merkel? Dank Robert Koch höchsten Tuberkel!". Und was halten beiden sonst so von den Parteien? "Erzählen dem Volk was vom Pferd, wie sehr sich die Politik bewährt".

Ein Vers vom Anfang hätte auch der Schlussreim sein können: „Das hätt‘ ich nicht gedacht, aber die Leute lachen, wenn wir Reime machen."