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Kavaliershaus Mit "Kuchen to go" durch die Krise

Küche, Konzert, Schlafen: Die Krumker Café-Betreiber Annegret Spillner und Enrico Potzesny trifft die Corona-Krise in dreifacher Hinsicht.

Von Astrid Mathis 13.05.2020, 20:00

Krumke l „Jetzt würde es eigentlich richtig losgehen“, sagt Enrico Potzesny. „Mit den Oster- und Maiwochenenden beginnt unsere Saison.“ Familienfeiern, Hochzeiten, Sonntagskaffee und so weiter. Seit März geht hierzulande aber bekanntlich fast gar nichts mehr. Die jährlich 14 geplanten kulturellen Veranstaltungen bleiben 2020 unerreicht.

„Am letzten März-Wochenende wäre unser naturkundlicher Abend mit Thoralf Schaffer gewesen. Da haben wir immer volles Haus, aber er meinte: Keine Chance. Wir dachten, das beruhigt sich noch, aber nix da.“ Anfang April hätte Hans-Peter Bodensteins Romanik-Matinee stattgefunden: verschoben. Für den Abend hatte Potzesny zwei Winzer, aus Rheinhessen und Franken, zum Weinschmecker­abend geladen. Die Karten dafür waren alle schon verkauft. „Zum Glück konnten wir einen neuen Termin im August finden und bis auf ein Ehepaar sind uns alle treu geblieben“, erzählt der Weinkenner. Andernfalls hätten die Veranstalter die Gäste ausbezahlen müssen, das Geld vom Online-Kartendienst wäre aber erst im August ausgeschüttet worden. Dann, wenn die Veranstaltung stattfindet.

Derzeit erfreuen sich die Weine aus der Vinothek des Kavaliershauses allgemeiner Beliebtheit. So hält die Lust auf edle Tropfen über Wasser. Im Moment fallen ja auch Übernachtungsgäste weg, die in das 2019 frisch eingeweihte Gästehaus ziehen würden, weil es nur noch für dienstliche Zwecke genutzt werden darf. Mit der Aktion „Gutscheine helfen“ auf www.osterburg-gutschein. de will die Hansestadt Unternehmern und Selbstständigen in der Region unter die Arme greifen. Dazu gehört auch das Kavaliershaus Krumke.

Mit hochgezogener Augenbraue schaut Enrico Potzesny auf das Veranstaltungsplakat „700 Jahre Krumke“. Das Jubiläum bringt viele kulturelle Angebote auf den Plan, die jetzt ausfallen müssen. Zu Potzesnys Bedauern sind die Vorträge von Markus Gutmann im April und von Frank Hoche im Mai über die Altmark ersatzlos gestrichen. Anfang Juni soll im Freiluftkino vor dem Kavaliershaus die zweiteilige Verfilmung der Familiensaga „Das Bernstein-Amulett“ gezeigt werden und Erinnerungen an den Sommer 2003 wecken, als Nadja Tiller und Walter Giller, Pierre Besson und Muriel Baumeister einander in Krumke die Klinke in die Hand gaben. „Wir hoffen sehr, dass das Bernstein-Wochenende stattfinden kann. Von uns aus auch mit Auflagen. Zur Not verschieben wir es auf August“, bemerkt Potzesny.

Dass Annegret Spillners Herz für Künstler schlägt, ist bekannt, schließlich hat sie aus dem Kavaliershaus seit der Übernahme 2011 ein richtiges Kulturcafé gemacht. „Wir können froh sein, dass wir jetzt gerade weniger geplant haben, denn Kulturschaffende wie Max Heckel, der zum Beispiel letzten Sommer mit dem Tucholsky-Programm zu uns kam, haben richtig zu kämpfen. Was sollen die mit einmaligen 400 Euro vom Staat anfangen, wenn sie sonst 400 Euro Steuern pro Woche oder Monat zu zahlen hatten?“, gibt Enrico Potzesny zu bedenken.

Die Überbrückungshilfe lasse auch in Krumke auf sich warten. Wohnzimmerkonzerte, wie sie zum Beispiel in Stendal gegeben werden, könnte er in Krumke schon allein deshalb nicht einrichten, „weil ich davon technisch gar keine Ahnung habe“.

Immerhin muss seit vier Wochen keiner der Stammgäste mehr auf Stachelbeerbaisertorte oder Eierlikörgugelhupf verzichten. Kurz vor dem Wochenende gibt es von Annegret Spillner die Liste der Kuchensorten, die am Sonntag auf den Tisch kommen und abgeholt werden können. „Danke fürs Mitspielen!“ hat Enrico Potzesny auf eine Tafel geschrieben, die eine Reihe von Regeln auflistet, die jedem, der Nachrichten hört oder sieht, bekannt sein müssten. „Vor kurzem war das Ordnungsamt da“, berichtet Potzesny. „Die Leute wissen, dass sie die Torte oder den Flammkuchen 50 Meter entfernt und mit Abstand essen sollen, aber sie haben sich anfangs erst trotzdem direkt vor die Tür gesetzt. Das klappt jetzt besser.“

Enrico Potzesny nimmt einen Stapel Teller in Empfang. „Ja, und wenn einer seinen Teller nicht zurückbringt, dann vielleicht am nächsten Sonntag oder er behält ihn als schönes Andenken und stellt ihn in seine Vitrine. Das ist auch okay.“

Während der Krumker Frank Hagemeister sich als Stammgast mit Maske von der Lebenshilfe Osterburg gern als erster in die Schlange stellt, setzten die zwei Paare hinter ihm erst mal den Gesichtsschutz auf. Kirsti und Maik Gereke aus Gardelegen sind seit vier Jahren stolze Besitzer eines Trabants aus dem Baujahr 1983 - Originallack! - und wollten ihr Schmuckstück endlich einmal wieder ausführen. Mit umhäkelter Toilettenrolle, versteht sich. Ihre Freunde Chrystina und Mike Lehmbruch kamen aus Stendal angeradelt und strahlten sie vor lauter Wiedersehensfreude mit feuchten Augen an. „Ich hab‘ heute früh schon geheult beim Gedanken an unser Treffen! Jetzt aber ein schönes Stück Kuchen! Wir kommen so gerne nach Krumke“, so die Stendalerin. Und dann ging‘s ab ins Kavaliershaus und auf die Wiese. Die Teller brachten sie wieder.

 

Noch für diesen Sonntag gelten die bisherigen Corona-Spielregeln. Das Café ist von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Speisen nur zum Mitnehmen.