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Kollateralschäden Windpark weckt den Zorn betroffener Anlieger

Unter ungewöhnlichen Vorzeichen lud Bürgermeister Bernd Prange für Donnerstagabend zu einer Infoveranstaltung zum Windpark Gagel ein.

Von Ralf Franke 25.06.2016, 01:01

Bretsch l Die meisten der 16 geplanten Windräder um Gagel sind im Bau. Eine Handvoll Türme wächst schon gen Himmel. Der Startschuss für die Erschließungsarbeiten fiel bereits Ende 2015. Investor Procon drückt auf die sprichtwörtliche Tube, um bis zum Jahresende Strom ins öffentliche Netz liefern und so den aktuellen Einspeisetarif mitzunehmen.

Dass es Bedarf für eine Einwohnerversammlung zu einem derart späten Zeitpunkt des Projektes gibt, zeigte die Resonanz der rund 70 Gäste, die am Donnerstag aus den umliegenden Orten der Einladung von Bernd Prange gefolgt waren. Der Bürgermeister reagierte damit auf die Unruhe, die die Aktivitäten rund um das Projekt in den vergangenen Wochen ausgelöst haben und offenbar eines Ventils bedurften. Und der Heiligenfelder sorgte mit einem großen Präsidium dafür, dass den Einwohnern von Vertretern des Investors über das Planungsbüro, die Straßenbauverwaltung des Landes bis zur Verbandsgemeinde und der Polizei die entsprechenden Ansprechpartner zur Verfügung standen, auch wenn die Antworten für die Gäste oft unbefriedigend ausfielen.

Natürlich meldeten sich auch Leute zu Wort, die das durch sämtliche Instanzen genehmigte Projekt mit allen optischen und akustischen Nebenwirkungen generell in Frage stellten, von den betreffenden Ratssitzungen und der Verfahrensbeteiligung nichts mitbekommen haben wollen und sogar verdrängten, dass vor vier Jahren der Verbandsgemeindebürgermeister aus ihrer Nachbarschaft medienwirksam über das Projekt gestolpert war. Aber sie sollten nicht im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen. Die Aufmerksamkeit Pranges galt vielmehr den aktuellen Kollateralschäden durch die wochenlangen Schwerlasttransporte, die die zuständigen Entscheidungsträger wohl völlig falsch eingeschätzt haben.

Dabei fällt den Anliegern in den betreffenden Orten auf die Füße, dass die 149 Meter hohen Türme für die Enercon-Anlagen nicht in drei Einzelteilen als Stahlröhren, sondern in Form von vielen bewährten und schweren Betonhalbschalen geliefert werden, die erst vor Ort im Verband die gewünschte Form und Höhe annehmen. Neben den unzähligen Transporten für den Bau des Wegenetzes und für das Gießen der Anlagen-Fundamente sorgt das für eine Belastung, der die Straßen und auch einige Häuser nicht gewachsen sind. Zwei Hauseigentümer in Drüsedau und Dewitz sind besonders betroffen und entsprechend verzweifelt, weil die Mauern Risse bekommen oder die Fliesen abfallen. Berichte von vibrierendem Fachwerk oder klirrenden Gläsern lassen vermuten, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist.

Besonders sind die Häuser gefährdet, die dicht an der Fahrbahn stehen – an vielen Stellen aus Natursteinpflaster, das die Anwohner sonst nicht missen möchten. Davon, dass die Anlieger bei vielen nächtlichen Transporten um ihren Schlaf gebracht werden, ganz zu schweigen. Zu schweigen auch von den zu erwartenden oder schon vorhandenen Schäden an den Straßen, vor den die Verantwortlichen der Landesbaubehörde bereits vorbeugend kapitulieren, weil das Geld schon für den normalen Jahresbetrieb hinten und vorne nicht reicht.

Dabei wäre ein Großteil der Probleme vermeidbar, wenn die Schwertransporte die vergleichsweise gut ausgebaute und nur vier Kilometer lange Strecke von der B 190 über die Kreisstraße K 1380 nach Neulingen und Gagel nutzen würden, statt die doppelt so lange, enge, kurvenreiche und mit Gefälle ausgestattete Landesstraße L 12 zu nehmen. Zumal diese Piste über weite Strecken in einem erbärmlichen Zustand ist, kaum Begegnungsverkehr zwischen Schwerlasttransporten zulässt und zu einem Großteil über Beläge aus Natursteinpflaster verfügt, die für die gefürchteten Erschütterungen verantwortlich sind.

Und warum das alles? Der Landkreis Salzwedel hat den Transporten seine Zustimmung verweigert – ohne Begründung, wie die Landesstraßenbaubehörde und Planer berichteten. Und das, obwohl drei der 16 Anlagen auf Höwischer Gemarkung und damit im Zuständigkeitsgebiet des Westkreises entstehen. Dass die Landesverwaltung im fernen Halle das so hingenommen und Routen zweiter oder sogar dritter Wahl genehmigt und der Landkreis Stendal das so geduldet hat, war den Gästen kaum zu vermitteln. „Sind wir nicht ein Sachsen-Anhalt“, fragten Betroffene, deren Forderungen vom sofortigen Bau- und damit Transportstopp bis zum Einschalten von Verkehrsminister Thomas Webel reichten.

Erster Schritt werden jetzt Eingaben sein, die die Verbandsgemeinde und die betroffenen Ortschaften mit möglichst viel Unterschriften unabhänig voneinander der Landesverwaltung zukommen lassen, um die Transport-Routen zu überdenken. Was das bei der Bearbeitungsgeschwindigkeit der Behörden bringt, ist fraglich. Zumal die konzentrierte Teileanlieferung laut Investor im August ohnehin erheblich zurückgehen soll. So lange wird sich nichts ändern, weil die Straßen öffentlich und die Transporte genehmigt sind.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es für die bislang extrem betroffenen Hausbesitzer. Procon ermunterte Prange, die Schadensmeldungen entgegen zu nehmen, ohne etwas zu versprechen. Der Bürgermeister will dranbleiben, weil es nicht sein könne, dass in dem Park fast 100 Millionen Euro verbaut werden und für die Kollateralschäden kein Geld da sein soll.