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„Kulturhaus-Abriss war kein Fehler“

In der Osterburger Kommunalpolitik tat sich im Sommer 1990 ein neues Kapitel auf. Die nach der Wende frei gewählte Stadtverordnetenversammlung hatte sich formiert. Zu den Abgeordneten zählte auch Jürgen Emanuel. 25 Jahre später ist der Linkspolitiker der letzte noch aktive Stadtrat, der den lokalpolitischen Neuanfang begleitet und mitgestaltet hat.

Von Nico Maß 18.08.2015, 15:00

Osterburg l „Wie das damals war?“ Jürgen Emanuel schmunzelt. Der 67-jährige Osterburger, der im Stadtrat die Fraktion der Linkspartei führt, erinnert sich an eine Flut an neuen Gesetzlichkeiten und Verordnungen, „mit denen wir uns befassen mussten. Da war sehr viel Unbekanntes, in das wir uns einzuarbeiten hatten.“

Für die Frauen und Männer, die 1990 über die Liste der SED-Nachfolgepartei PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) in die Stadtverordnetenversammlung gewählt wurden, sei auch die Atmosphäre schwierig gewesen. „Wir wurden von manchen für sämtliche Schattenseiten in 40 Jahren DDR persönlich verantwortlich gemacht. Einige haben alle früheren SED-Mitglieder in einen Topf geschmissen, es gab viele emotionale Situationen und Beschimpfungen“, erzählt Emanuel.

Dass er selbst ein geeignetes Ziel für Kritiken über die DDR-Diktatur darstellte, verschweigt der gebürtige Kreveser nicht. Schließlich saß der gelernte Elektromonteur schon von 1970 bis 1974 für die SED in der Osterburger Stadtverordnetenversammlung, bevor er dort aufgrund einer hauptamtlichen Funktion in der FDJ-Kreisleitung ausschied. Später wechselte Emanuel in die Kaderabteilung der SED-Bezirksleitung in Magdeburg, kurz vor der Wende avancierte aber Osterburg wieder zu seinem Arbeitsort. Warum? „Weil die Diskussionen, die damals aufkamen und immer stärker wurden, bei der SED für Unruhe sorgten und intern ein Personalkarussell in Gang setzen. Das hatte auch Auswirkungen für mich, ich wurde in die Kreisleitung nach Osterburg geschickt“, erklärt er.

In der Wendezeit arbeitete Emanuel in seinem Wohnort für die SED als Vertrauensperson am Runden Tisch und in der Kommission gegen Amtsmissbrauch und Korruption mit, bei den ersten freien Wahlen nach der Wende kandidierte er für die Osterburger Stadtverordnetenversammlung. Dass die Situation dort für ihn auch während der besonders emotio­nalen Anfangszeit und trotz seiner Tätigkeit im Macht-Apparat der SED immer erträglich blieb, schreibt Jürgen Emanuel dem Umstand zu, „dass ich nie ein menschenferner Parteisoldat war“ Angefangen von einer Singegruppe in der Erweiterten Oberschule über Auftritte mit den Evergreens bei Karnevalsveranstaltungen bis hin zum Mitwirken im Blasorchester (dieses Hobby pflegt er noch heute) mischte Emanuel insbesondere im musikalischen Leben der Biesestadt mit und war vielen Einwohnern auch abseits der Politik bekannt.

Kritiken und Vorwürfe, die im Zusammenhang mit der SED-Diktatur und ihrem Erbe auf Osterburger PDS-Mitglieder zielten, nahmen in der Kommunalpolitik mit der Zeit ab. „Seit etwa zehn Jahren sind solche Anwürfe im Stadtrat völlig verebbt. Gleiches gilt im Übrigen für parteipolitisch eingefärbte Debatten. Bei uns geht es um Sachthemen, und es gibt heute unter den Räten aller Fraktionen ein sachliches, kollegiales Verhältnis. Das war ein wesentliches Anliegen unseres verstorbenen Bürgermeisters Hartmuth Raden. Und genauso agiert auch der heutige Bürgermeister Nico Schulz“, sagt der Linkspolitiker.

Spricht Jürgen Emanuel heute über die erste Wahlperiode, denkt er an „Marathonsitzungen bis weit nach Mitternacht, in denen viel auf die Beine zu stellen war. Wir mussten uns zum Beispiel mit Fragen der kommunalen Selbstverwaltung auseinandersetzen. Und die waren absolutes Neuland für uns.“

In den ersten Jahren seien zudem viele Weichen für die Osterburger Entwicklung gestellt worden. „So stand damals zum Beispiel der Anfang der Städtebausanierung. Oder der Verlust unseres Status als Kreisstadt. Dafür sind wir mit rund elf Millionen Mark entschädigt worden. Mit diesem Geld haben wir sinnvolle Investitionen wie den Bau der Lindensporthalle umsetzen können“, nennt er ein Beispiel.

Den von vielen im Nachhinein bedauerten Abriss des Kulturhauses ordnet Emanuel nicht als Fehler ein, „weil wir dieses Objekt mit seinem Saal für 500 Leuten, einem Foyer für noch mal 150 Menschen und einem sehr großen Gastronomiebereich als Kommune schlicht und einfach nicht halten konnten.“ Dagegen bedauert er, „dass wir uns als Stadtverordnete nicht intensiver mit der Aufgabe der damaligen Poliklinik auseinandergesetzt haben. Wir hätten uns mehr einmischen und dafür stark machen müssen, dass die Konzentration mehrerer Mediziner in einem Ärztehaus erhalten bleibt.“

Gern hätte Emanuel auch gegen die Konzentration der Einkaufsmärkte gesteuert, „weil diese Entwicklung den Einzelhandel in der Innenstadt in Bedrängnis brachte.“ Dennoch sieht der Linkspolitiker im Blick zurück auch Positives wie „die jetzt fast abgeschlossene Innenstadtsanierung oder die Internet-Erschließung der Einheitsgemeinde.“ Erfolge wie diese seien eine starke Motivation, generell mache die Arbeit im Stadtrat ihm viel Spaß, bestätigt der Osterburger. Ob diese Wahlperiode seine letzte ist oder er 2019 noch einmal antritt, lässt Jürgen Emanuel zum jetzigen Zeitpunkt offen.