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Leader-Gelder „Befangenheit bei Vergabe im Blick“

Dass in den Leader-Förderlisten abermals der Name „Trumpf“ auftaucht, vermittelt manchen Bürgern einen „Gemauschel-Eindruck“. Wohl umsonst.

Von Karina Hoppe 22.04.2020, 23:01

Hohenberg-Krusemark l Schon wieder Trumpf. Das war die erste Reaktion eines Werbeners, als er kürzlich die Leader-Prioritätenlisten veröffentlicht sah. Unter dem Motto „das geht doch nicht mit rechten Dingen zu" rief er bei der Volksstimme an, möchte seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen. Mit seinem Gefühl steht der Mann nicht alleine da. Im Rahmen vorheriger Prioritätenlisten-Veröffentlichungen ist mehrmals auch mit Verweis auf den Namen Trumpf an die Volksstimme herangetragen worden, dass es doch da ein Geschmäckle gebe.

Der Werbener nimmt Bezug auf die aktuelle Prioritätenliste I (ELER) der Lokalen Leader-Aktionsgruppe „Mittlere Altmark"  . Auf Rang elf steht dort das Projekt „Hohenberg-Krusemark, Umbau Waagehäuschen (Fahrradabstelltmöglichkeit und Infrastruktur für E-Mobilität)", beantragt von der Pension Gutshaus Krusemark und auf Rang zwölf „Hohenberg-Krusemark, Sanierung und Umbau Scheune zu Ferienzimmern, Küche und Aufenthaltsräumen", beantragt von Reiterhof und Pension Uwe Trumpf. Dem Bruder von Eike Trumpf. Letzerer ist selbst Inhaber des erstgenannten Gutshauses Krusemark und stimmberechtigtes Mitglied im Vorstand der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) „Mittlere Altmark".

An die Lokale Aktionsgruppe selbst seien noch keine „Gemauschel-Vorwürfe" herangetragen worden, sagt Leader-Manager Wolfgang Bock. Der studierte und promovierte Volkswirtschaftler ist geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Bock und Partner GbR mit Sitz in Halle/Saale, die gemeinsam mit der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt (Magdeburg) mit dem Leader-Management für die LAG „Mittlere Altmark" betraut ist. „Mit Befangenheitsfragen haben wir trotzdem zu tun, wir müssen uns ja ständig damit auseinandersetzen. Damit, dass eben niemand, der konkret befangen ist, über etwas abstimmt." In Bezug auf genannten Fall (und überhaupt) verweist Bock zunächst auf den Überblick über alle seit 2016 (vorher floss kein Geld), also in der aktuellen Förderperiode bezuschussten Projekte. Die aktuelle Liste eingeschlossen, ist Familie Trumpf danach sechsmal in die Fördergunst gekommen. Dreimal der Reiterhof und die Pension Uwe Trumpf, dreimal die Pension Gutshaus Krusemark.

Wie Bock ausführt, durften in den ersten beiden Jahren nur die „Projekte der ersten Stunde" bedacht werden. Mit dem Festlegen der Handlungsgrundlage der LAG war ein öffentlicher Aufruf zur Bewerbung um Förderungen verbunden – Projekte von der Familie Trumpf waren ebenfalls unter den rund 350  Einsendungen. Auch sie erhielten eben einen Zuschlag, wobei das Abstimmungsprozedere grundsätzlich nach ganz strengen Regeln ablaufe.

Im Rahmen der Mitgliederversammlung, deren Teil auch die Vorstandsmitglieder sind, werde zunächst über jedes einzelne Projekt abgestimmt, „wer befangen ist, hält sich da selbstverständlich heraus, auch Eike Trumpf stimmt nicht über ein Trumpf-Projekt ab", so Bock. Ein Verbandsgemeindebürgermeister enthält sich, wenn über ein von seiner Verbandsgemeinde beantragtes Projekt entschieden wird, stimmt aber mit ab, wenn es um ein Projekt von einer seiner Mitgliedsgemeinden geht. Wenn es um die Festlegung der Liste in ihrer Gesamtheit geht, sind wieder alle am Ball, „auch wenn ein eigenes Projekt auf die Liste gerutscht sein sollte". Würde man dann von Befangenheit sprechen, „gäbe es niemanden mehr zum Abstimmen."

Bock betont, dass es grundsätzlich auch Ansinnen des Leader-Fördertopfes ist, Privatpersonen zu fördern. Dafür sei das Programm ja in den 1990er Jahren initiiert worden, „Kommunen haben noch andere Möglichkeiten, an Gelder zu kommen". Maximal die Hälfte der Mitglieder aus der Mitgliederversammlung, in der aktuell rund 50 Personen sind, dürfen gar so genannte kommunale Akteure sein. Das gelte in Bezug auf die Mitgliederversammlung genau wie in Bezug auf den Vorstand, wobei es so etwas wie Zwitterposten gebe. „Nico Schulz sitzt etwa als Vorstandmitglied des Altmärkischen Heimatbundes im LAG-Vorstand, andererseits ist er natürlich auch Einheitsgemeindebürgermeister von Osterburg. „Um nur ein Beispiel zu nennen."

„Wir haben die Befangenheit ständig im Blick, fast sklavisch, das nervt schon manchmal." Aber es hänge eben auch viel daran. „Denn wenn ein Projekt aufgrund von nicht bedachter Befangenheit herausfallen sollte, hat das ja Auswirkungen auf alle anderen, die danach auf der Liste stehen." Im Übrigen gebe es auch unterschiedliche Fördersätze. Für Private gilt, dass für ein Projekt maximal 45 Prozent der förderfähigen Kosten gefördert werden dürfen und dies bis maximal 50 000 Euro pro Projekt. Bei Kommunen gilt eine Obergrenze von 350 000 Euro, die nicht mehr als 75 Prozent der förderfähigen Kosten ausmachen dürfen. Und in allen Fällen müsse das Geld zunächst von den Antragstellern selbst vorgeschossen werden.

Wenn es in Kürze daran geht, die Modalitäten für die nächste Leader-Periode 2021 bis 2027 festzuzurren, müssen auch Zahlen auf den Tisch. Bock könne schon jetzt sagen, dass die Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck finanziell am meisten profitiert hat. „Dafür brauche ich nicht nachzurechnen." Der Grund? „Es kommen prozentual einfach mehr Bewerbungen von dort. Und es muss so sein, dass die Verbandsgemeinde stark an der Seite der Gemeinden steht, sie unerstützt", mutmaßt Bock. Im Norden von Sachsen-Anhalt gehörten Orte wie Arneburg, Kläden und Klietz zu den ersten, die Interesse an Leader zeigten, „seither hat‘s ein Bürgermeister dem anderen weitergesagt."

2016 und 2017 kamen Projekte zum Zuge, die in der Entwicklungsstrategie drinstanden. Anders als in den Vorjahren fällt der Leader-Wettbewerb in diesem Jahr aus. „Die LAG konzentriert ihre Kraft darauf, die Projekte gemeinsam mit allen Projektträgern der nun ausgewählten Vorhaben sowie der Nachrücker bis 2021 zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen", teilt die LAG-Vorsitzende Verena Schlüsselburg mit. Nicht nur also, dass es durch den Fördermittelzuschlag über rund 730.000 Euro noch Nachrücker gibt. Es könnten sich laut Bock alle noch auf der Liste stehenden Projekte Hoffnung machen, „wir gehen davon aus, dass nochmal Gelder fließen".

Der vom Leader-Management erarbeitete Vorschlag über die aktuellen Nachrücker ging an diesem Montag per Umlaufverfahren – Stichwort Corona – an die Vorstandsmitglieder. Auf Geheiß der Landesregierung können nur Projekte in die Gunst des finanziellen Nachschlags kommen, deren Förderung aus Mitteln der Richtlinie des Landes Sachsen-Anhalt erfolgen kann.

Die Projektanträger wissen im Grunde jetzt schon, dass sie heiß gehandelt werden, es fanden ja Abstimmungsgespräche mit ihnen statt. Aber der insgesamt 18  Personen zählende Vorstand – die Hälfte davon ist stimmberechtigt – hat das letzte Wort. Er wurde von der Mitgliederversammlung, dem höchsten Gremium der LAG, mit der Auswahl der Nachrücker betraut. Der Vorstand muss sich bis Ende April entschieden haben.