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Lesung Marco Tschirpke begeistert Altmärker

Marco Tschirpke, ein Autor mit Hang zum Tiefsinn, schlug am Donnerstag im Kavaliershaus Krumke alle in seinen Bann.

Von Astrid Mathis 21.10.2017, 01:01

Krumke l Das Hemd legte Tschirpke noch vor dem ersten Gedicht ab, war es doch nur da, damit das Publikum sah: „Ich habe mir Mühe gegeben.“ Mühelos stellte er neben zahlreichen Anekdoten Texte aus seinem Buch „Frühling, Sommer, Herbst und Günther“ vor. Wer sich hinter Günther verbirgt, kam, nebenbei bemerkt, nicht raus. Das war aber auch egal, denn wichtig war nur eins: nämlich, dass sich alle amüsierten. „Wenn Sie wegnicken, wäre das auch schön“, gab der gebürtige Rathenower zu bedenken. Schostakowitsch hatte seinerzeit fast ein ganzes Eisler-Konzert verschlafen und begründete das so: „Wenn das schlechte Musik gewesen wäre, hätte ich kein Auge zugetan.“

Und schon waren die Gäste mitten im Humor von Marco Tschirpke angekommen. Er behauptete ja von sich selbst, er habe sich erst an ihn gewöhnen müssen. Dieser begleitete die Zuhörer auf einem außergewöhnlichen Streifzug durch die Geschichte vom 5. Jahrhundert vor Christus bis in die Neuzeit. Hatte er noch eben von einer Amphore – Vase – gesprochen – „in Ihrem Alter kennt man das ja“ –, beschrieb er im nächsten Moment, wie er in Frau Floras Lende sein Objektiv hängte. „Erotik ohne Menschen“, kommentierte er spitzfindig. Zugegeben mache er viele Scherze für sich selbst, damit das Publikum sich nicht unter Druck gesetzt fühlen müsse. Gleichwohl störte er sich nicht daran, wenn es ebenfalls herzlich über seine Texte lachte. Dabei traf er den Nerv der Altmärker aus vielerlei Gründen: Mit dem Gedicht der Bäuerin und ihren Hühnern hatte er ob der regionalen Landwirtschaft gleich einen Stein im Brett. Und das ging so: „ Die Bäuerin kommt mit Gemach / ihrer Räum- und Streupflicht nach.“ Die Choreographie mussten sich die Zuhörer und -schauer dazudenken. „Auf der Weide“ erzählte wiederum von einem überforderten Hütehund, der wegen der Wölfe Angst um seine 200 Schafe hat.

Wobei Tschirpke wie Heinz Erhardt die Erwartungen des Publikums absichtlich gern nicht erfüllte. Zum Beispiel kündigte er ein Gedicht an, um es dann doch nicht vorzutragen, oder er sprach den Text so locker weg, dass man glatt überrascht über den plötzlichen Schluss war. Für den Geburtstag seines Vaters entwarf er frei nach Goethe „Rentners Nachtlied“. Nach dem Motto: „Balde sabberst du auch.“ Wie das Enkelkind, meinte er mit Blick in die Runde.

„Schwarzer Humor – einfach herrlich“, schwärmte Ellen Mertens aus Osterburg. „Ich habe schon lange nicht mehr so gelacht. Schön trocken.“

Im weiteren Verlauf des Abends nahm sich Tschirpke moderne Künstler und Antikommunisten vor und warf ein, dass seine Mutter ihm schon früh latente Arroganz andichtete. Die zu verstecken, würde nur überheblich wirken, meinte er nonchalant. Madame Tussaud kam bei ihm genauso dran wie Schinkel mit seinen praktikablen Tiefgaragebauten. Siehe Neue Nationalgalerie in Berlin. Und schließlich eine gewisse Dr. Klara Drenker Nagels vom August-Macke-Haus in Bonn, die sich wegen eines kritischen Verses über August Macke ereiferte. Es folgte der Original-Briefwechsel, bei dem sie zweifelsohne den Kürzeren ziehen musste. Mit vier astreinen Trochäen in ihrem Namen schaffte sie es leicht in ein Gedicht Tschirpkes: „Nur im August-Macke-Haus kennt man sich mit Macke aus!“

Nach dem Programm griffen die Gäste zuhauf zu einem Leseexemplar. „Das war nicht nur lustig, sondern großartig, weil so viel dahintersteckt“, bemerkte Isolde Lessing, deren Mutter Helga Kießling es ebenfalls „richtig toll“ fand. Wie gut, dass der nächste Tschirpke-Abend ist schon in Planung ist, denn der Künstler hat einiges in petto. Dann soll er die Gäste auch am Flügel unterhalten.