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Musiktheater Wortakrobaten „rebben“ um die Wette

Mit der Theatergruppe „Hahn im Korb“ und dem Gospelchor machten zwei Seehäuser Kultur-Instanzen am Sonnabend erstmalig gemeinsame Sache.

Von Jana Henning 28.08.2016, 23:01

Seehausen l „Ich hab’ noch einen…“ – so beginnen Sätze, für die manch einer anschließend nur noch maximal ein halbes Ohr und höfliches Lächeln übrig hat; bei denen hinter geschlossenen Lidern die Augen müde rollen, man das darauf Folgende über sich ergehen lässt. Nicht so am vergangenen Sonnabendabend in der mit 100 Besuchern voll besetzten Seehäuser Salzkirche bei der einmaligen Aufführung des jüdischen Musiktheaters namens „Mir lebn ejbig“. Oder treffender gesagt: ganz im Gegenteil.

Immer wieder bemühen die zehn Protagonisten der wischestädtischen Laientheatergruppe „Hahn im Korb“ stereotyp jenen Einstieg in etwas, auf das alles andere folgt als leere oder flache Witze. Scharfsinniger Humor wird zutage gefördert, mutig offen mit Klischees gespielt, beinharte Zoten und Geschichten zum Besten gegeben. Solche, die hellwach machen. Die nicht nur ordentlich gepfeffert und gesalzen sind, sondern mit allem verfeinert, was ein orientalischer Basar an Gewürzen zu bieten hat.

Ja, der jüdische Witz sei gnadenlos – von Juden für Juden gemacht und „manches Mal so beißend, dass wir ihn als Nicht-Juden gar nicht erzählen dürften“, ist sich Akteurin Kathleen Zimmermann bewusst. Zusammen mit Susanne Netal, aus deren Feder das Manuskript und die Idee zu diesem abendfüllenden Gemeinschaftsprojekt mit dem Seehäuser Gospelchor maßgeblich stammt, macht sie dem Publikum eingangs unmissverständlich klar, was zu erwarten ist: Unterhaltung! Von heiter bis wolkig; glühende Hitzewellen und heftige Regengüsse inklusive. „Alles, was man sich an einem Sonnabendabend so an Abwechslung wünscht“, sagt Zimmermann überzeugt. Jedenfalls keine durch historische Datenreiterei erzeugte Langweile. Auch keine mahnend erhobenen Zeigefinger. Und sie versprechen für die folgenden beiden Stunden Programm in zwei Akten mit Unterbrechung für einen „koscheren Imbiss“ im lauschig kühlen Hinterhof nicht zu viel. Nur Jiddisches eben.

Jiddisch? Sei das denn überhaupt zu verstehen? Klar, man nehme eine Handvoll Hebräisch, fülle alles mit Mittelhochdeutsch auf und gebe eine Prise aller deutschen Dia­lekte hinzu. Fertig sei das Gemisch namens Jiddisch – in diese Worte stimmt der Gospelchor ein und gibt mit dem Klezmer-Lied „Schpil she mir a Lidele“ den Auftakt für einen kleinen Einblick in das umfassende traditionell hebräische Liedgut des Gesangsvereins unter Leitung von Ralph Netal; an diesem Abend durch Klarinetten, Geige, Gitarre und Querflöte unterstützt.

In einem lebhaften, harmonisch ineinander greifenden und gegenseitig stützenden Wechsel begeistert die Truppe von „Hahn im Korb“ mit Witzen, kurzen Episoden und Erklärungen zu einigen in der deutschen Sprache fest verankerten jüdischen Wörtern wie Shabbat, Synagoge, Tora, Talmud, Mischpoke, koscher und Rebbe (in chassidischen Gemeinden für Rabbiner). Und wenn man schon einmal beim „rebbe“ sei…, erzeugen beispielsweise Ina Preuschoff und Marion Schwarz bei ihrer neudeutschen Überleitung zu dem seit 18 Jahren bestehenden Gesangsverein große Heiterkeit in dem alten Backsteingemäuer.

Die bunt altersgemischten Anwesenden lassen sich gerne mitnehmen. Auf eine Reise, an deren Ende sich jeder eingeladen fühlt, zu Klassikern wie „Mir lebn ejbig“ oder „Shalom Aleichem“ mitzusummen. Die anschließend herumgehenden Sammelhüte – in die Reihen geschickt vom Vorsitzenden des Fördervereins für das Seehäuser Waldbad, Dr. Walter Fiedler, und vom St.-Petrie-Kirchenförderer Holger Eilrich – sind gut gefüllt. Beide Projekte gelte es tatkräftig zu unterstützen – dafür dieser Abend. Und allein angesichts der benötigten zwei Millionen Euro zur Sanierung des Schwimmbeckens werde man wohl doch öfter spielen müssen, machten Musiktheater-Akteure Hoffnung auf ein erneutes Gastspiel.