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Ohne Chemie Sie hätten gerne Unterricht

Die Abschlussklasse der Goldbecker Sekundarschule hatte noch nicht eine Stunde Chemie in diesem Schuljahr. Sie macht sich Sorgen.

Von Karina Hoppe 15.09.2017, 17:00

Goldbeck l Den Schülern ist nicht mehr zum Lachen zu Mute. Unterrichtsausfall ist für sie längst von einer schönen Ausnahme zu einem besorgniserregenden Dauerzustand geworden. Anton Poggensee (16), Leon Perez (17), Celine Ehlers (16) und Aimee Heinemann (15) gehören zur Abschlussklasse der Goldbecker Sekundarschule. Wenn sie Pech haben, steht auf ihrem Zeugnis hinter dem Fach Chemie „nicht erteilt“. „Wie sieht denn das auf einer Bewerbung aus?“, fragt Leon. Nicht gut.

Das weiß natürlich auch Schulleiter Winfried Schwuchow, aber er habe alles versucht. Dem Landesschulamt von der Krankschreibung des Chemielehrers berichtet, und das Amt reagierte ja auch. „Sie haben kurzfristig nochmal ausgeschrieben, aber es gab nicht mal eine Bewerbung.“

Für Schwuchow ist der Fall klar: „An den Schulen fehlen komplett zwei Lehrergenerationen.“ Das sei nicht nur dem letzten Bildungsminister anzulasten, der fatale Sparkurs werde ja schon viel länger gefahren. Die wenigen Lehrer, die es aktuell gibt, wollen dann lieber in die Städte, nicht nach Goldbeck. „Dabei kann einem Lehrer nichts besseres passieren, als auf dem Land zu unterrichten.“ Auch Anton, Leon, Celine und Aimee fühlen sich im Grunde pudelwohl an ihrer Schule, individuell sehr aufgehoben. Aber ohne Unterricht? Das ist gar nicht so überspitzt, denn der aktuelle Aufhänger ist nur die Spitze des Eisbergs. Seit dem Weggang der Chemielehrerin vor wenigen Jahren habe es in dem Fach immer nur Abordnungen gegeben. Und der aktuell fehlende Lehrer war krankheitsbedingt auch ein Drittel des vergangenen Schuljahres nicht im Unterricht. „Uns fehlt jetzt schon richtig viel Stoff“, sagt Anton besorgt. Winfried Schwuchow kann dieses Lied noch weiter singen: „Wir liegen auch ganz normal nur bei 93 Prozent Lehrerstunden.“ Passend zum Anfang des Schuljahres hatte das Land Sachsen-Anhalt den Zuweisungsschlüssel noch mal enger gedreht. Bezogen auf 200 Schüler mache dies weitere zwölf Lehrerstunden weniger aus. Ein Sport- Geschichte-, Ethik- und Techniklehrer, der im vergangenen Jahr abging, konnte bis jetzt nicht ersetzt werden. Mit Englisch gebe es schon seit Jahren ein Problem. Das laufe auch nur über Abordnungen von anderen Schulen, „das ist für die Lehrer eine große Belastung. Und von Kunst redet ja schon gar keiner mehr.“

Weder Sport noch Chemie dürfen aus Sicherheitsgründen von einem Nicht-Fachlehrer abgedeckt werden – das hat Unterrichtsausfall zur Folge. „Wenn sich wenigstens eine Lösung für die Abschlussklasse finden würde“, so Schwuchow.

Es waren die Schüler selbst, die sich bei der Volksstimme meldeten, weil sie den Zustand untragbar finden. Sie wissen schon ziemlich genau, wie für sie die Reise nach der Schule weitergehen soll. Anton und Aimee wollen aufs Fachgymnasium, Celine möchte Erzieherin werden und Leon Elektriker. Die Vier möc hten nicht darauf angewiesen sein, dass sie Chemie später nicht mehr brauchen oder dem künftigen Arbeitgeber das „nicht erteilt“ egal ist.