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Pandemie Krematorium arbeitet rund um die Uhr

Der Seehäuser Michael Hohmeyer leitet das Krematorium in Perleberg. Die Corona-Pandemie macht sich dort stark bemerkbar.

Von Karina Hoppe 21.01.2021, 23:01

Perleberg l Seit Weihnachten arbeitet das Krematorium Perleberg fast rund um die Uhr. Die Covid-Pandemie macht sich derzeit stark bemerkbar, sagt Geschäftsführer Michael Hohmeyer (41). Das Privatunternehmen könne derlei Stoßzeiten aber gut abfedern. Mit Infektionsgefahr haben es die Mitarbeiter ohnehin nicht erst seit Corona zu tun, erzählt der Seehäuser gegenüber Volksstimme-Redakteurin Karina Hoppe.

Volksstimme: Herr Hohmeyer, ich nehme an, Sie haben im Moment sehr viel zu tun?

Michael Hohmeyer: Das ist so. Seit Weihnachten arbeiten wir quasi rund um die Uhr, bis auf wenige Ausnahmen. Im Moment sterben sehr viele Menschen und viele von ihnen auch an oder mit dem Coronavirus. Aber wir können das gut abfedern, wir sind ein privates Unternehmen und flexibel in der Arbeitszeitengestaltung.

Das öffentliche Leben steht seit fast einem Jahr im Zeichen des Coronavirus‘. War Ihre Arbeit die ganze Zeit davon mitgeprägt?

Ich sag mal, Januar, Februar und März 2020 waren für uns eigentlich ganz normale Monate. In dem Sinne, dass das Sterbeaufkommen vergleichsweise hoch war. Das ist immer so im ersten Quartal. Nach dem ersten Lockdown und bis September hin hatten wir dann eher weniger Feuerbestattungen als sonst, da der Lockdown vieles abgefangen hat. Gerade die ältere Generation wurde völlig isoliert. Ab Oktober stiegen die Zahlen dann wieder deutlich an. Und jetzt sind sie tatsächlich auf einem sehr hohen Niveau. Wir kommen dem aber nach, sind nicht überlastet.

Was müssen Sie bei Ihrer Arbeit bezüglich des Coronavirus beachten?

Wir haben natürlich mehr Aufwand bei der Arbeit. Als das alles losging, haben wir unseren Partnern, den Bestattern, eine Richtlinie in die Hand gegeben. Alle Särge müssen zum Beispiel außen wie innen desinfiziert sein.

Corona hin oder her, Sie müssen die Särge ja nochmal öffnen.

Unbedingt. Wir sind zur zweiten amtlichen Leichenschau verpflichtet, um eine nicht natürliche Todesart auszuschließen. Das übernehmen für uns Rechtsmediziner aus der Charité Berlin. Sie kommen montags, mittwochs und freitags und dann geschieht alles in Vollschutz. Das ist natürlich viel aufwendiger als sonst.

Bei einer Grippe wäre das nicht notwendig.

Nein, aber diese Vorsichtsmaßnahmen sind für uns trotzdem nicht neu. Es gibt ja ganz andere Kaliber als Corona. Tuberkulose, Cholera, HIV – hatten wir hier alles schon. Insofern ist das Prozedere für uns nicht neu.

Sie gehen offen mit dem Thema Tod um, das bringt die Arbeit wohl so mit sich?

Ich bin seit Anfang an dabei, seit 2003. Es ist mittlerweile Berufung und außerdem auch Teil unserer Philosophie. Viele Menschen verbinden ein Krematorium mit dunklen Gebäuden, mit etwas Geheimnisvollen oder so. Aber das ist es nicht, unsere Räume sind hell, unsere Technik vergleichbar innovativ und umweltschonend, wir machen einmal im Jahr einen Tag der offenen Tür. Es gibt keine Geheimnisse, man kann uns alles fragen. Unsere beiden Ofenanlagen werden von Behörden zudem noch kontinuierlich fernüberwacht.

Feuerbestattungen liegen seit Längerem im Trend.

Sehr. Als wir angefangen haben, also vor bald 20 Jahren, lag der Anteil an Feuerbestattungen bei 35 Prozent. Jetzt sind es in der Prignitz etwa 80 Prozent, ein enormer Wandel also. Und in Großstädten ist die Prozentzahl noch höher.

Sie sprechen von der Prignitz, wie weit reicht Ihr Radius eigentlich?

Ungefähr 150 Kilometer um uns herum. Den Altmarkkreis Salzwedel decken wir komplett ab, den Landkreis Stendal zum Teil. Es geht bis Tangerhütte und an den Rand von Berlin. Insgesamt arbeiten wir mit rund 80 Bestattern zusammen. Und meistens haben die Bestatter auch ihr festes Krematorium, es sei denn Angehörige wählen ein anderes.

Entsprechend ist auch Ihr Team über die Jahre gewachsen.

Wir sind mittlerweile zwölf Leute. Ich bin operativer Geschäftsführer und neben mir ist Ronald Schaffer Geschäftsführer. Mit mir können vier Mitarbeiter die Öfen bedienen, dann haben wir zwei Damen im Büro, sowie Personal für die Überführungen von Bestattungsunternehmen ins Krematorium und für die Instandhaltung und Reinigung von Technik und Gebäude.

Hatten Sie unter sich schon einen Coronafall?

Nein. Ein Kollegin musste mal in Quarantäne, aber sie wurde dann negativ getestet. Wir sehen auch zu, dass unsere drei Schichten sich nicht begegnen, die „Kohortenlösung“ also. Naja, und dann stehen überall Desinfektionsspender und der Zugang ist nur mit Mund-Nase-Schutz zulässig, das kennt man ja.

Wie sind Sie eigentlich an diesen Beruf gekommen?

Ich habe damals BWL in Stendal studiert. Dann tat sich für mich einfach die Möglichkeit auf, dort mit einzusteigen, beziehungsweise das Krematorium mit aufzubauen. Das war eher Zufall, ein guter Zufall. Mir macht die Arbeit Spaß. Wir waren damals eines der ersten privat betriebenen Kremato­rien Deutschlands.

Was genau macht Ihnen Spaß an dem Job?

Es bereitet mir wirklich Freude, in dieser Branche für mehr Offenheit zu sorgen. Und dann ist es auch ein schönes Gefühl, wenn wir dazu beitragen, dass Angehörige sich stil- und würdevoll von ihren Verstorbenen verabschieden können. Wir haben hier einen Trauerraum, der gerade im Winter, wenn in Trauerhallen oder Kirchen nicht geheizt wird, gerne und immer mehr genutzt wird. Bestatter mieten sich dann quasi für die Zeremonie ein. Der Abschied erfolgt beispielsweise am Sarg und anschließend folgt die Kremation, manche wollen auch diesen letzten Weg gemeinsam begleiten.

Kommen Sie technisch und auch menschlich manchmal an Ihre Grenzen?

Technisch, nein. Unsere beiden Ofenanlagen schaffen am Tag bis zu 50 Kremierungen. Diese Grenze haben wir bis dato noch nicht erreicht. Menschlich aber Ja. Aber man kann nicht bei jedem mittrauern. Ich komme an meine Grenzen, wenn Kinder verstorben sind oder Menschen, die ich kenne, die mir nah standen.

Haben Sie eigentlich selbst Angst vor dem Tod?

Nein, eigentlich nicht, wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Nur bitte erst in 50 Jahren. (lacht) Angst hätte ich höchstens davor, dass man lange leiden muss und auf Hilfe angewiesen ist. Aber wer möchte das schon? Diese Fragen haben wir aber hier nicht ständig auf dem Schirm. Am Ende ist es fast eine normale Arbeit. Wir trinken auch Kaffee und lachen auf dem Flur. Ganz normal, auch in Corona-Zeiten – nur mit Abstand eben.