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Revierförster Im Urlaub lieber Ostsee als Schwarzwald

Bei der Sommerserie "Zeig mir deinen Beruf" geht es heute in den Wald.

Von Ralf Franke 26.07.2018, 19:14

Dewitz l Die Schulabgänger von heute bekommen oft mit auf den Weg, dass ein Beruf bis zur Rente meist nicht mehr reicht, weil der Markt, der technische Fortschritt oder politische Entwicklungen für Veränderungen sorgen. Aber es gibt auch Berufe, für die ein Menschenleben eigentlich nicht genug ist. Förster zum Beispiel.

Förster müssen in Generationen denken. Denn, wenn keine besonderen Umstände eintreten, erntet kein Waldbauer in Mitteleuropa den Baum, den er gepflanzt hat. Er kann bestenfalls seine Entwicklung beobachten und nach einigen Jahren einschätzen, ob Baumart und Standort die richtige Wahl waren. Früher wie heute haben große und kleine Waldbesitzer dafür auch in Sachsen-Anhalt über die Betreuungsforstämter Fachleute an ihrer Seite, die dem einzelnen Waldbesitzer zur Seite stehen, aber auch das Große und Ganze nicht aus dem Auge verlieren. Nicht umsonst ist der Wald in Deutschland geschütztes Kulturgut.

Matthias Thiede ist einer von ihnen. Mit rund 2500 Hektar Wald zwischen den Gemarkungen Thielbeer und Polkern in der engsten Ost-West-Ausdehnung untersteht dem Dewitzer mit Bretsch das größte von einem Dutzend Revieren des Betreuungsforstamtes „Nordöstliche Altmark“ mit Sitz in Arendsee. Mit einigen territorialen Änderungen durch die Forstreform im Land Sachsen-Anhalt macht der 54-Jährige diesen Job seit mittlerweile gut 28 Jahren.

Traumberuf? Der Vater von zwei Kindern zögert kurz und lässt die Antwort offen. Aber sein Wunschberuf war Förster in jedem Fall. Er wollte nie etwas anderes werden. Wald, die Liebe zur Natur, Jagd, Hunde, draußen sein – das sind Dinge, die es dem gebürtigen Osterburger, der in Kleinau aufgewachsen ist, schon immer angetan haben. Deshalb führt ihn der Weg nach seiner Forstwirtausbildung zielstrebig nach Raben-Steinfeld bei Schwerin, um zu studieren. Die zwei Jahre bis zur Wende nutzte der frischgebackene Diplomforstingenieur (FH), um am Institut für Standorterkundung und Forsteinrichtung Potsdam (VEB Forstprojektierung) erste praktische Erfahrungen zu sammeln, die ihm später zu Gute kamen, obwohl das „eigene“ Revier nicht die einzige Option für Thiedes Karriere war.

Doch als das damalige Forstamt Osterburg einen Revierleiter suchte, nutzte er seine Chance. Auch, wegen der jungen Familie, die er mit seiner Frau auf dem Hof der Schwiegereltern in Dewitz gegründet hatte. Dort, wo seit einigen Jahren übrigens auch der Verweis für das Försterbüro am Hoftor angeschraubt ist. Dass er diese Ecke der Altmark durch seine Großeltern im benachbarten Drüsedau kannte, machte die Entscheidung zusätzlich einfacher. Den Schritt hat er nie bereut. Dass er bis zum Ruhestand beruflich noch einmal neu startet, ist für Thiede schwer vorstellbar, obwohl sich das Berufsbild nach der Wende und über die Jahre sehr verändert hat.

Währen der Förster zu DDR-Zeiten unter anderem ein Brigadier für die Waldarbeiter war und die Landeigentümer kaum Zugriff auf ihre Flächen hatten, läuft das in der Marktwirtschaft ganz anders. Eigene Leute hält das Land für Waldbaumaßnahmen – wenn überhaupt – nur noch für eigene Flächen vor. Die Forstämter und ihre Revierleiter sind meist in Zusammenarbeit mit den Forst-Betriebs-Gemeinschaften für die Betreuung der Landeigentümer zuständig. Für Thiede sind die FBG Osterburg, Priemern und Zühlen Kooperationspartner. In der Funktion hat er es mit dem gräflichen Waldbesitzer mit einigen hundert Hektar Land ebenso zu tun wie mit dem Kleinstwaldbesitzer mit einigen hundert Quadratmetern Land. Das schließt neben der Planung beziehungsweise Abrechnung von Fäll-, Pflege- oder Aufforstungsvorhaben die Zuarbeit für Förderanträge und die Zuschussrechenschaft ein. Die Förster haben zudem die Aufgabe, viele Interessen unter einen Hut zu bringen, damit der Wald seine Struktur sowie seinen Nutzen für Umwelt und Natur behält. Die tägliche Absprache mit den FGB, den Waldbesitzern und Fachfirmen ist eine Herausforderung, der sich Thiede ebenso gestellt hat wie dem ganzen Papierkram, den der Beruf inzwischen mit sich bringt. „Ich bin Förster, Büroleiter und Sachbearbeiter in Personalunion“, erklärt Thiede mit Verweis auf Computer, Ordnerregale und ausgebreitetetes Kartenmaterial. Während er als Förster früher im Schnitt 70 Prozent seiner Zeit im Wald und 30 mit Buchführung verbracht hat, liegt das Verhältnis derzeit bei 50 zu 50. Und der Dewitzer ist überzeugt, dass das Ende der Fahnenstange damit noch nicht erreicht ist.

Ganz ohne Waldkontakt geht es logischer Weise nicht, weil der Förster neben den Zukunftsplanungen und Waldbaumaßnahmen zum Beispiel auch für die Schädlingsbeobachtung im Rahmen des sogenannten Monitorings zuständig ist, wonach bei Bedarf Bekämpfungsstrategien entwickelt werden. Gegen manche Schadensereignisse nutz allerdings auch die beste Vorsorge nichts.

Neben alten Bekannten wie der Kieferneule oder dem Eichenprozessionsspinner hat es Thiede in seinem Revier in den vergangenen Jahren mit dem Eschentriebsterben und der zerstörerischen Kraft der Herbststürme 2017 zu tun bekommen. Nicht zu vergessen, die derzeitige Gefahr durch Waldbrände, die von allen Revierleitern eine 24-Stunden-Bereitschaft erfordert. Insbesondere nach Großschadensereignissen sind alle noch so durchdachten Waldbaupläne vorerst nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt wurden. Dann heißt es nur noch reagieren, um Schlimmeres zu verhindern. Und um wieder von vorn zu beginnen. Die Försterei ist und bleibt eben eine Lebensaufgabe. Aber Abstand braucht es auch mal von dieser Lebensaufgabe. Da wundert es nicht, dass es den Förster im Urlaub nicht in den Schwarzwald, sondern an die Ostsee zieht.