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Seltener Vogel Wiedehopfe erobern Osterburg

Schnell die Kamera her, das glaubt ja keiner. So ungefähr gingen die Gedanken, als Susanne Göthe-Wedekind kürzlich einen Wiedehopf sah.

Von Karina Hoppe 28.06.2019, 23:01

Osterburg l So lange, wie Susanne Göthe-Wedekind mit ihrer Familie in einem Eigenheim im Osterburger Gewerbegebiet wohnt, seit 1995, gibt es da dieses Futterhäuschen. Das heißt, es ist schon eine der nachfolgenden Generationen. „Aber es stand immer eins da.“ Vorm Küchenfenster zum Beobachten der Vögel. Vor allem im Winter, da können sich Susanne Göthe-Wedekind und ihr Mann Michael Wedekind gar nicht satt sehen. An den Spatzen, den Meisen, den Grünfinken, Rotkehlchen, Rotschwänzchen und Wildtauben. Tochter Anna, längst erwachsen, sagt öfter „ihr mit euren Vögeln“. Und doch war auch sie jetzt baff ob der Gefiderten. „Komm mal schnell, Mutti.“ Durchs Küchenfenster erspähte sie kürzlich auf dem Rasen ums Futterhäuschen herum einen Vogel, den sie dort zuvor noch nie gesehen hatte. Ebenso Susanne Göthe-Wedekind, die beim ersten Besuch desselben anwesend war und instinktiv dachte, „wo ist der denn ausgebüchst?“ Aus einem Käfig mit Kanarienvögeln? Größer als eine Amsel, mit Punker auf dem Kopf, irre langem Schnabel, schwarzweiß gestreiftem Gefider sah der Neuankömmling einfach zu exotisch aus. Also schnell ein Foto gemacht, „mein Mann hätte uns das gar nicht gelaubt“, sagt die Osterburgerin. Nach Recherchen im Internet war schnell klar: Es ist ein Wiedehopf!

Und damit können sich die Osterburger in der Tat glücklich schätzen. Laut Ornithologe Björn Schäfer hat der Wiedehopf oder upupa epops, wie die Lateiner sagen, nämlich sachsen-anhaltweit nur 150 bis 200 Reviere, heißt ungefähr doppelt so viele Vögel. Mit dieser Zahl wird er auf der Roten Liste von Sachsen-Anhalt mit drei, also gefährdet eingestuft. Noch vor weniger Jahren hatte er eine eins, was „vom Aussterben bedroht“ bedeutet. Der Bestand habe sich durch eine Reihe von Nisthilfeprogrammen quasi verdoppelt, „das klingt viel, täuscht aber“. Wie gesagt, der Wiedehopf ist weiterhin gefährdet. Er sei an trockene und eher sandige Lebensräume gebunden, stochert mit seinem langen Schnabel im Boden nach Insekten. „Er braucht offene Landschaften, er sucht zu Fuß nach Nahrung, hohes Gras ist da ein Hindernis“, sagt Björn Schäfer. Folglich finde man ihn häufiger auf Truppenübungsplätzen oder in Tagebaugebieten. Deutschlandweit schätzt Schäfer die Reviere auf um die 1000, mit weit mehr Vögeln im Osten Deutschlands als im Westen. „Im Westen Deutschlands gibt es noch ein gutes Vorkommen am Kaiserstuhl.“ Indes hatte das Land Niedersachen im Jahr 2009 nur noch ein Brutpaar, Tendenz wohl nun steigend.

Profitiert der wärmeliebende Vogel vom Klimawandel? „Da trau ich mich nicht Ja zu sagen.“ Jedenfalls nicht uneingeschränkt, denn so sehr dies theoretisch der Fall sei, so sehr gebe es auch Trends, die dem zuwiderlaufen: nämlich der Einsatz von Insektiziden in der Landwirtschaft genauso wie die Tatsache, dass es immer weniger alte Baumstrukturen, Streuobstwiesen und derlei gibt. „Der Wiedehopf ist ein Höhlenbrüter, geht gerne in Astlöcher“, weiß Björn Schäfer. Nicht ahnend, dass es dazu in Osterburg ein aktuelles Beispiel gibt. Wie sich nämlich im Gespräch über den Wiedehopf herausstellte, werden gerade Wiedehopfjunge im Astloch eines Apfelbaums in einem Garten am westlichen Stadtrand Osterburgs gefüttert. Ob es derselbe ist wie jener im Garten der Wedekinds?

Schäfer, der einige der Wiedehopf-Nisthilfenprojekte betreut, habe von den Osterburger Vorkommen noch nichts gewusst. Die Biesestädter Uwe und Roswitha Bach überraschen sie nur so halb. Sie haben vor zwei Jahren einen Wiedehopf in der Kastanienallee gesehen. „Und in Ballerstedt brütet seit Jahren einer“, sagt Uwe Rauch, der im Orithologenverein Altmark Ost organisiert und nun neugierig geworden ist. Die beiden wollen mal horchen und schauen, ob sie ihn finden, diesen laut Uwe Bach „schrägen Vogel“.

Derweil freut sich Familie Wedekind schon auf den nächsten Besuch „ihres Wiedehopfes“. Zehn Minuten habe er das letzte mal bestimmt in aller Seelenruhe in der Erde rumgestochert, „als wäre er schon immer hier“.