Sterben im Heim Alltag Tod

Im vergangenen Jahr sind im Arneburger Pflegeheim 37 Menschen gestorben, der Tod ist dort trotzdem kein Allmachtthema.

Von Karina Hoppe 26.01.2018, 18:00

Arneburg l 37 Verstorbene in einem Jahr, das ist vergleichsweise viel, sagt Carmen Gedamke. In einer Zeit, da der Fokus viel auf der häuslichen Pflege liegt, da mehr und mehr Tagespflegestätten eröffnen, kommen die Menschen später ins Pflegeheim. Eben dann, wenn es gar nicht mehr geht. Folglich bleiben sie auch nicht so lange, im Schnitt vielleicht ein bis zwei Jahre. Es gibt auch ganz andere Fälle, „aber die Verweildauer nimmt grundsätzlich ab“, so Carmen Gedamke, die die „Pro Seniore Elbresidenz Arneburg“ leitet. Und kein Problem damit hat, über das Sterben zu sprechen. Es gehöre so selbstverständlich zum Hause wie zum Leben des Menschen an sich. Und manchmal seien die Pflegekräfte gar erstaunt, wie „gelassen“ die Bewohner mit dem Thema umgehen. „Da heißt es nur, den haben sie gerade geholt und dann geht‘s weiter im Text“, so Gedamke. Aber ja, die Bewohner erkundigen sich sofort, wenn jemand mal nicht zum Essen erscheint. Wenn die Pflegekräfte merken, dass bei jemandem die Sterbephase einsetzt, teilen sie es den anderen in der Vormittagsrunde mit. Wer möchte, kann sich dann verabschieden. Nach dem Tod gibt‘s eine Schweigeminute.

Das Haus sei bemüht, die letzte Phase des Lebens so individuell wie möglich zu gestalten. „Wir fragen unsere Bewohner, wie sie es irgendwann mal haben möchten“, so Gedamke, die auf diese Frage auch schon als Antwort erhielt „jetzt bin ich gerade umgezogen, ich denke noch nicht ans Sterben“. Aber die Pflegekräfte erhalten ihre Informationen, ersinnen auch in der Sterbephase, was den Menschen angenehm ist. Soll der Zimmernachbar, falls vorhanden, drin bleiben? Möchte der Sterbende vielleicht eine bestimmte Musik hören oder dass seine Hand gehalten wird? „Wenn es soweit ist, ist immer jemand von uns da.“ Wie Wohnbereichsleiterin Annette Schäfer und die stellvertretende Pflegedienstleiterin Marietta Falk bereits erlebt haben, gibt es auch Bewohner, die nur darauf warten, alleine sterben zu können. „Da gehst du nur für zwei Minuten aus dem Zimmer und wenn du wiederkommst, sind sie tot“, so Annette Schäfer.

Es gehört zur Arbeit der beiden Frauen, die Verstorbenen dann zu waschen und hübsch anzuziehen. Manch‘ Familienangehörige wollen sich dann im Zimmer verabschieden, andere im extra dafür vorgesehenen Abschiedsraum. In der Zeit des Mittagsschlafs, jedenfalls so diskret wie möglich, werden die Verstorbenen in ihrem Bett dorthin gefahren. Der geflieste Raum ist ebenerdig, eine Tür führt nach draußen. „Die Bestatter können direkt ranfahren. Das schätzen sie sehr“, so Gedamke. Im Raum hängt ein Kreuz, stehen Kerzenständer, kann Musik angemacht werden. Auch Pflegekräfte verabschieden sich von ihren Bewohnern, manche sind ihnen über Jahre besonders ans Herz gewachsen. Schließlich übergibt meist Carmen Gedamke selbst dem Bestatter alle nötigen Papiere. Und der Verstorbene verlässt das Haus.

Marietta Falk und Annette Schäfer arbeiten Jahrzehnte in der Pflege und haben es noch nie erlebt, dass ein Bewohner zu ihnen gesagt hätte „ich habe Angst vorm Sterben“. Durch die Todesfälle seien Abschiede zwar allgegenwärtig, aber das größte Thema sei das Sterben längst nicht. Die rund 80 Bewohner sprechen eben auch oder vor allem darüber, was der Besuch Neues erzählt hat, wie es in der Sportgruppe lief, was es wohl zum Mittagessen gibt und welche Schwester Dienst hat. Die Männer und Frauen leben ihren Alltag in der Elbresidenz. Es sind die Pflegekräfte, die gerade einen Verstorbenen gewaschen haben und dann zur nächsten Geburtstagsfeier gehen. Es liegt alles nah beieinander im Pflegeheim, das Ankommen, der Abschied, die Freude, die Trauer.

Damit im Todesfall alles so angenehm wie möglich vonstatten geht, wird Carmen Gedamke nicht müde zu betonen, dass jeder Mensch eine Vorsorgevollmacht braucht: „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn im Todesfall nichts geregelt ist.“ Abschließend versichern die drei Frauen, dass es möglich ist. Menschen können diese Erde ohne Kampf verlassen. Mit einem befriedeten Gesicht, weil alles gesagt und alles gelebt ist.