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Asylbewerber „Müssen mit den Menschen reden“

Über Flüchtlingspolitik und ein neues Einwanderungsgesetz mit Gästen der „Miester Gespräche“.

Von Antje Mewes 19.08.2015, 11:08

Breiteiche l „Welche Eckpunkte benötigt das Einwanderungsgesetz?“. Mit dieser Frage war zur lockeren Gesprächsrunde mit Innenminister Holger Stahlknecht ins Wiesencafé in Breiteiche eingeladen worden. Das aktuelle Geschehen in Land und Kreis überholte das langfristig angesetzte Thema. Und so ging es am Abend zu einem großen Teil um Asylpolitik.

Im Gespräch mit der Volksstimme, sagte Stahlknecht, dass in diesem Jahr voraussichtlich 18  000 Asylbewerber in Sachsen-Anhalt aufgenommen werden. „2008 waren es noch 800“, nannte er einen Vergleich. Auf die Probleme bei der Erstaufnahme angesprochen sagte er, dass spätestens Mitte bis Ende Oktober alle ankommenden Flüchtlinge in festen Unterkünften untergebracht werden müssen. Es werde an einer Containerlösung gearbeitet. Stahlknecht: „Wenn es noch mehr werden, wird es sehr schwierig. Ich habe darüber bereits mit den Landräten gesprochen.“ Er lobte den Altmarkkreis, der die Herausforderung mit den stark gestiegenen Flüchtlingszahlen bislang gut gelöst habe.

Auf die Volksstimme-Frage, wie ausländerfeindliche Übergriffe auf Asylbewerber zu verhindern sind, entgegnete er: „Wir müssen mit den Menschen reden und solche, die sich nicht belehren lassen wollen, trotzdem überzeugen“. Letztendlich müsse für Sicherheit gesorgt werden. Sachsen-Anhalte habe dahingehend ein gutes Management. „Die Bevölkerung trägt das alles gut mit“, sagte er. Das zeige das große ehrenamtliche Engagement für Flüchtlinge. Es sei „unfair“, dass immer die neuen Bundesländer in schlechtem Licht dargestellt würden. Der Minister: „Ich wehre mich dagegen, dass Sachsen-Anhalt ein rechtslastiges Land ist.“

„Von guten und schlechten Flüchtlingen zu sprechen, ist Polemik“, sagte Stahlknecht in der Diskussionsrunde. Es sei „geltendes Recht“, dass Menschen, die ein Schutzbedürfnis haben, in Deutschland bleiben dürfen und sollen. Andere, die aus wirtschaftlichen Gründen um Asyl bitten – zumeist aus Balkanstaaten – müssten schnellstmöglich in ihre Heimatländer zurückkehren. „Warum dauert das so lange“, wollte Gerlinde Bender aus Kalbe wissen. Es müsse nachgewiesen werden, dass es sich um ein sicheres Herkunftsland handele. Albanien sei beispielsweise als solches noch nicht anerkannt. Im Schnitt erfolge die Abschiebung nach drei Monaten, entgegnete Stahlknecht.

Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Folter fliehen, machten in etwa die Hälfte aller Asylbewerber aus. Alle, so auch jene, deren Asylverfahren keine Aussicht auf Erfolg habe, dürften nach einem Vierteljahr eine Ausbildung oder eine Arbeit aufnehmen.

Das Asylrecht könne bei den Flüchtlingen, die geduldet langjährig hier leben, integriert sind und entsprechende Qualifikationen haben, eine Scharnierfunktion zur Einwanderung übernehmen. Denn bekanntlich würden Fachkräfte gebraucht. Auf einen Einwurf aus dem Publikum, wie es in den Heimatländern, ohne diese qualifizierten Menschen weitergehen soll und ob es nicht besser wäre, vor Ort zu helfen, räumte der Minister ein: „Diese Länder bluten aus“. Aber es sei schwierig bis unmöglich in Ländern, die keine Staatsstrukturen haben, zu agieren.

Einwanderung sei für Deutschland zwingend erforderlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben. So würden in 20 Jahren sechs Millionen Arbeitskräfte fehlen, in Sachsen-Anhalt schon in zehn Jahren 100  000. Für ein modernes Einwanderungsgesetz wünsche er sich, „dass die Bewerber Deutsch sprechen, qualifiziert sind und unsere Kultur akzeptieren“. Daraufhin gab es Einwände, dass die Bundesrepublik mit anderen Staaten konkurriere und mit solchen Auflagen nicht attraktiv genug sei. Stahlknecht antworte, dass es hierzulande mit das beste soziale Netz und hohe Löhne gebe.

Er gestand ein, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, Deutschland sei ausländerfeindlich: „Denn irgendwann beginnt der Wettbewerb um die besten Köpfe.“ Und mit einer Ausländerquote von drei Prozent habe Sachsen-Anhalt „noch Luft nach oben“.