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Interview Integration beginnt im Kopf

Nach den rassistischen Äußerungen eines Fleetmarkers spricht Ortsbürgermeisterin Angelika Muhabbek über die Konsequenzen.

Von Helga Räßler 18.11.2015, 00:01

Volksstimme: Frau Muhabbek, wie haben Sie die skandalösen Ausfälle in Ihrer ersten Ratssitzung, die Sie als Ortsbürgermeisterin leiteten, empfunden?

Angelika Muhabbek: Ich war ehrlich gesagt geschockt und zunächst sprachlos. Ich hatte nicht erwartet, dass Ratsherr Björn Hartmann solche rassistischen Ansichten zu Flüchtlingen in Not hat und so drastisch äußert. Es gab bis dahin eine gute Zusammenarbeit, aber diese Äußerungen kann man so nicht im Raum stehen lassen und hinnehmen. Gerade in der heutigen Zeit nicht, wo unsere Hilfsbereitschaft und Mitgefühl für die Menschen in Not gefragt ist.

Werden Sie nun auf die Mitarbeit von Hartmann im Ortschaftsrat verzichten?

Das muss noch geklärt werden. Arendsees Bürgermeister Norman Klebe führt dazu ein Gespräch. Ich räume ein, dass es schade wäre, die Ratsarbeit ohne ihn weiter zu führen, aber mit solch einer Haltung ist das unmöglich. Allerdings bestünde der Rat dann nur noch aus drei Leuten. Ob es eine Neuwahl geben wird, schließe ich nicht aus.

 

wie geht es in der Lüger Ortsfeuerwehr weiter?

Bekanntlich ist Hartmann ja schon durch Klebe als oberem Dienstherrn der Wehrmitglieder der Einheitsgemeinde von der Funktion als Ortswehrleiter suspendiert. Die Arbeit hat sein Stellvertreter Frank Steffens übernommen. Alles weitere ist neu zu regeln.

Gab es nach dem Vorfall Reaktionen in Fleetmark?

Nein, es gab vor allem keinerlei Sympathiebekundungen oder offene Solidarisierung mit rassistischen Ansichten. Aber positiv war, dass sich noch während der Ratssitzung ein als Einwohner teilnehmender pensionierter Lehrer spontan zu Wort meldete. Er erklärte seine Bereitschaft, Flüchtlingskindern und ihren Eltern Deutschunterricht zu geben. Das ist doch ein gutes Zeichen und zeigt, dass die Fleetmarker nichts gegen Ausländer haben.

Und wie fühlen Sie sich selbst hier als Zugezogene?

Sehr gut, und das, seit ich vor zirka acht Jahren mit meiner Familie von Berlin hierher zog. Ich stamme ursprünglich aus Polen und hatte hier keine Schwierigkeiten mit der Eingewöhnung und der Integration. Die fängt nämlich im Kopf an. Wenn man es will und sich auf das Neue ehrlich einlässt, wird man auch angenommen. Ohne auf die eigenen Wurzeln zu verzichten. Mein rollendes R wird bleiben, und das wird nicht negativ aufgenommen. Oder ich koche zu Hause zum Beispiel an Feiertagen gern polnische Gerichte. Aber: Von meiner Schwiegermutter habe ich gelernt, Rouladen oder Gulasch mit Sauerkraut zu kochen. Die Mutter meines Mannes - übrigens mit arabischen Wurzeln, aber in Dresden geboren - war Deutsche.

Welche Vorhaben stehen demnächst in Fleetmark an?

Am 3. Dezember findet die nächste Ratssitzung statt, auf der wir die Zuschüsse an Feuerwehr und Gewerbeverein verteilen wollen. Dann stellen wir auch die Planung für den neuen Kindergarten vor. Der Umzug der Kindertagesstätte aus dem verwinkelten zu kleinen Haus in den dann umgebauten Flachbau an der Grundschule wird auch von Eltern und Erziehern begrüßt. Möglich ist das mit Fördermitteln. Dadurch wird Fleetmark wieder ein Stück attraktiver. Außerdem liegt mir ein öffentlicher Spielplatz am Herzen. Er könnte auf dem Sportplatz entstehen. Und 2018 feiern wir 100-jähriges Feuerwehrjubiläum.