Aufgedeckt Das System Danicke

Salzwedels ehemalige Oberbürgermeisterin hat offenbar im großen Stil städtische Gelder am Stadtrat vorbei ausgegeben. Eine Einordnung.

Von Fabian Laaß 02.12.2015, 02:00

Salzwedel l Rund fünf Monate nach dem Ende ihrer Amtszeit kommen die Vorgänge im Rathaus unter Salzwedels ehemaliger Oberbürgermeisterin Sabine Danicke nach und nach ans Tageslicht. Der vorläufige Höhepunkt sind knapp fünf Millionen Euro, die das Stadt-oberhaupt unter dem Deckmantel des Förderprogramms Stadtumbau Ost mehr ausgegeben haben soll als geplant. Und das, ohne den Stadtrat darüber in Kenntnis zu setzen.

Allein eine halbe Million Euro ist dabei offenbar in das Kunsthaus geflossen, obwohl laut Beschluss nur 30 000 Euro als Anschubfinanzierung vorgesehen waren. Und schon diese Entscheidung war heiß diskutiert worden. Da im höchsten Gremium der Stadt in Sachen Lyzeum kein Weiterkommen war, musste eine andere Lösung her. Das städtebauliche Förderprogramm bot die Möglichkeit.

Rund 1,5 Millionen Euro konnten dadurch für das Kunsthaus generiert werden – mit einem Eigenanteil von 500 000 Euro. Und auch die Jugendkirche profitierte allem Anschein nach von Zahlungen aus diesem Programm.

„Erläuterungen, aus denen ersichtlich wird, dass die veranschlagten Mittel für das Lyzeum verwendet werden sollten, finden sich in den Haushalten, in denen diese Mittel eingestellt wurden, aus jetziger Sicht nicht“, ließ der amtierende Bürgermeister Andreas Vogel gestern auf Anfrage der Volksstimme mitteilen.

Er habe die Kommunalaufsicht des Altmarkkreises um eine Beurteilung dieser Vorgänge gebeten und auch Kontakt mit dem Landesrechnungshof aufgenommen, um die Möglichkeit einer Überprüfung des Förderprogramms Stadtumbau Ost für die Jahre 2010 bis 2015 zu eruieren.

Fakt ist: Sollte diese Überprüfung den Verdacht des derzeitigen Verwaltungsleiters bestätigen, hätte das weitreichende Konsequenzen. Sabine Danicke müsste mit rechtlichen Schritten rechnen, könnte von der Stadt in Regress genommen werden. Und auch die Mitwisser in der Verwaltung – nach Volksstimme-Informationen müssen mindestens die damalige Kämmerin Hella Jesper und die für Städtebau verantwortliche Mitarbeiterin Ines Kahrens von den Vorgängen gewusst haben – könnten im Nachhinein belangt werden.

Im Raum steht die Frage nach dem Warum? Warum wenden sich Fachleute, wie die Kämmerin, nicht an den Stadtrat als Kontrollgremium, sondern lassen sich in rechtlich unsicheres Fahrwasser ziehen? Fakt ist: Im Salzwedeler Rathaus gab es in den vergangenen sieben Jahren nur eine Richtung – die, die Sabine Danicke vorgab. Gegenmeinungen waren nicht gern gesehen. Es herrschte zudem ein Klima der Angst. Wer nicht mitzog, musste mit Konsequenzen rechnen. Erst im Oktober hatte beispielsweise Christiane Jehne, Leiterin des städtischen Rechnungsprüfungsamtes, dem Hauptausschuss berichtet, Sabine Danicke hätte sie davon abgehalten, ihren eigentlichen Aufgaben nachzukommen.

Dadurch blieben die Haushalte für die Jahre 2011, 2012 und 2013 lange Zeit ungeprüft. Sodass es vor der Bürgermeisterwahl im März nicht zu einem Kassensturz kommen konnte. Schließlich ging Danicke fest davon aus, als Stadt-oberhaupt im Amt bestätigt zu werden. Dann wären sieben Jahre Zeit geblieben, Vorgänge, die Stadträte und Öffentlichkeit nicht erfahren sollten, zu vertuschen.

Sabine Danicke war gestern trotz mehrfacher Versuche nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.