Ausbildung Job mit Sprachbefehl

Eine Behinderung ist kein Hindernis auf dem Arbeitsmarkt: Das ist das Anliegen der Woche der Menschen mit Behinderung.

Von Uta Elste 04.12.2015, 02:00

Salzwedel l Auf den ersten Blick wirkt der Werdegang von Hannes Arendt wie der von zahlreichen Jugendlichen seines Alters: Grundschule, Sekundarschule, Praktikum in einem Unternehmen in der 9. Klasse und jetzt eine Ausbildung als Kaufmann für Büromanagement.

Doch der 18-Jährige ist an Muskelschwund erkrankt und seit Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. Dass er eine ganz normale Schule abgeschlossen hat, bedeutete für seine Eltern Annett und Holger Arendt jahrelangen Kampf, bei dem sie immer wieder viel Hilfe erfahren haben: von Menschen, die Spenden für medizinische Behandlungen sammelten, von Salzwedels damaligen Bürgermeister Siegfried Schneider, der sich für den behindertengerechten Ausbau der Lessing-Grundschule einsetzte, von seinen Mitschülern an der Lessing-Ganztagsschule, die Unterschriften sammelten, so dass schließlich das Hauptgebäude der Sekundarschule mit einem Fahrstuhl ausgestattet wurde, jetzt vom Salzwedeler Jost Fischer, der Hannes Arendt nach seinem Praktikum einen Ausbildungsplatz anbot. Eigentlich wollte der junge Mann gern Mediengestalter werden. Aber grafische Programme, die ausschließlich über Sprachbefehle bedient werden können, gebe es nicht, so Fischer.

Es seien viele Gespräche für zum Teil ungewöhnliche Lösungen notwendig gewesen, blickt Jost Fischer zurück. Denn an seinem Firmensitz am Chüdenwall gebe es keine Türen und Toiletten, die für Menschen mit Einschränkungen geeignet seien. Allerdings ist Fischer auch Vorsitzender des Gemeindekirchenrates der Salzwedeler St. Georg-Gemeinde, wo sich ein passender Arbeitsraum fand. Mit Konstantin Romalis steht Hannes Arendt auch während seiner gesamten Arbeitszeit ein IT-erfahrener Betreuer zur Verfügung.

„Ich hatte oft Angst, dass es nicht mit einer Ausbildung klappt“, erzählt Annett Arendt. Denn Hannes wollte nicht nur in der Region bleiben, sondern auch richtig arbeiten. Doch in kommunalen Verwaltungen und Banken habe man keine Möglichkeiten gesehen.

Hilfe kam jedoch von Tobias Lösch vom Integrationsfachdienst und Rehabilitationsberaterin Sandra Thimian. Schließlich mussten zahlreiche Probleme gelöst werden, von der Beförderung zum Arbeitsplatz bis hin zum höhenverstellbaren Schreibtisch. Die finanziellen Mittel, mit denen die Arbeitsagentur den Start auf dem Arbeitsmarkt unterstützt, stammen aus der Ausgleichsabgabe. Diese müssen Arbeitgeber zahlen, wenn sie keine Mitarbeiter mit Behinderungen einstellen (siehe Infokasten).

Der Arbeitstag von Hannes Arendt beginnt um 9 Uhr. „Derzeit übe ich noch mit den Programmen“, erzählt er. Einige Lösungen müssten noch mit der Berufsschule gefunden werden, etwa, wie Prüfungen absolviert werden. Dass er seinen Azubi nach Abschluss der Lehre übernimmt, schließt Jost Fischer nicht aus. Schließlich sei es doch am besten, jemanden zu übernehmen, den man selbst ausgebildet habe.

Agenturchef Markus Nitsch appelliert an die Unternehmer der Region, Menschen mit Behinderungen einzustellen, gerade angesichts des Fachkräftemangels. Denn 70 Prozent von ihnen verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung.