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Analyse Mindestlohn ist kein Job-Killer

Für die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten ist der Mindestlohn ein Erfolg. Arbeitgeber im Altmarkkreis Salzwedel sehen das anders.

Von Antje Mewes 02.02.2016, 02:00

Salzwedel l „Der 8,50-Euro-Daumen ist oben“, lässt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) verlauten. Der Mindestlohn habe dem Altmarkkreis 175 zusätzliche Beschäftigte in diesem Bereich beschert. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf eine von ihr in Auftrag gegebene Studie des Pestel-Institutes. „Zum ersten Mal haben alle Beschäftigten einen festen Lohnsockel – von der Küchenhilfe bis zur Verkäuferin im Backshop: Wer arbeitet, muss dafür mindestens 8,50 Euro pro Stunde bekommen“, sagt Holger Willem, Geschäftsführer der NGG Magdeburg. Für ihn ist der gesetzliche Mindestlohn der „Einstieg in den Lohn-Aufstieg für Menschen, die zuvor mit Niedrigstlöhnen abgespeist wurden“. Vom „Schreckgespenst Mindestlohn“, vor dem die Arbeitgeber auch im Altmarkkreis noch vor einem Jahr gewarnt hätten, sei nichts übrig geblieben: Der Mindestlohn sei weder „Konjunktur-Bremse“ noch „gefährlicher Job-Killer“, konstatiert Willem.

Nach der Analyse des Institutes hätten die Gastrobetriebe anstatt Servicekräfte oder Küchenpersonal zu entlassen neue Kräfte eingestellt. Zahlreiche Minijobs hätten die Arbeitgeber in reguläre Stellen überführt. Die Zahl der sogenannten Aufstocker, die zusätzlich zu ihrem Lohn noch Hartz IV-Leistungen erhalten, sei bereits bis Juni 2015 um zehn Prozent gesunken. Das seien 177 Menschen, die von ihrer Arbeit leben konnten, informiert Willem. Das entlaste den Staat und die Sozialsysteme.

Während die Gewerkschaft den Mindestlohn als vollen Erfolg feiert, sagt Peter Flechtner, Vorsitzender der Bäckerinnung der Handwerkerschaft Altmark: „Uns hat der Mindestlohn gar nichts gebracht, außer dass die Preise erhöht werden mussten.“ Lohn- und Lohnnebenkosten seien gestiegen, auch für die Berufsgenossenschaften müsse mehr bezahlt werden. Da jetzt auch für Arbeiten, die nur einer geringfügigen oder keiner Qualifikation bedürfen, 8,50 Euro gezahlt werden, müsse in verantwortungsvolleren Jobs und für gut ausgebildete Leute der Lohn entsprechend erhöht werden. Die dafür erforderlichen Umsätze müssten aber erst einmal erwirtschaftet werden. Und der Mindestlohn habe auch nicht dazu geführt, dass leichter Personal zu finden ist. Das gehe auch seinen Berufskollegen so.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Sachsen-Anhalt hat eine Umfrage zum Mindestlohn unter seinen Mitgliedsbetrieben gestartet. Beklagt werden höhere Aufwendungen für das Personal, gestiegene Kosten für Lieferanten und Dienstleister, sinkende Erträge und ein „Mindestlohn-Bürokratiemonster“. Letzteres betrifft die Dokumentation der Arbeitszeiten, die täglich nicht länger als zehn Stunden sein dürfen. Das entspreche in der Gastronomie nicht der „Lebenswirklichkeit“. Gefordert wird deshalb eine wöchentliche Höchstarbeitszeit.

Dem kann sich Annette Wnuck von Lipinski, Dehoga-Kreisvorsitzende, nur anschließen. Gastronomie bedeute viel Handarbeit, was eine Reduzierung der Stunden schwer mache. Deshalb wird Arbeitszeit so gut es geht außerhalb der Saison gespart. Von ihren Kollegen wisse sie, dass viele Hotel- und Gaststätteninhaber oberhalb der Belastungsgrenze arbeiten. Zum Teil würden auch Familienmitglieder als Aushilfen rekrutiert, um Lohnkosten zu sparen. Denn die Preise könnten nicht unbegrenzt angehoben werden. In ihrem Betrieb konnte sie die um 20 Prozent gestiegenen Kosten über höhere Umsätze ausgleichen. Auch sie muss bei den Löhnen nach Qualifikation und Verantwortung differenzieren. „Ich versuche, meine Mitarbeiterstamm zu pflegen und die Lasten, beispielsweise bei Veranstaltungen, auf viele Schultern zu verteilen“, sagt sie. Zudem sei es Ziel, dass jeder Beschäftigte zwei freie Wochenenden im Monat bekommt.