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Wanderausstellung Vom Friedhof ein Gruß an die Mutter

Im Danneilmuseum öffnet am 19. März die Ausstellung „Heimat im Krieg 1914/18“. Sie erzählt auch die Geschichte eines jungen Eickhorsters.

Von Alexander Walter 12.03.2016, 00:01

Salzwedel l Richard Wilke ist einer der ersten Altmärker, die an der Westfront ihr Leben lassen. Dabei sieht es zunächst gut aus für den 28-Jährigen aus. Am 25. August 1914 im Gefecht mit den Franzosen bei Nancy schwer verwundet, wird er ins Lazarett im württembergischen Weinsberg eingeliefert. Die Wunde beginnt bereits zu heilen. Dann aber bekommt der Versehrte plötzlich Schmerzen. Impfungen und Antiobiotika gibt es am Beginn des Ersten Weltkriegs noch nicht. Und so stirbt der junge Mann aus Eickenhorst bei Dähre am Morgen des 5. September qualvoll an Wundstarrkrampf.

Festgehalten ist das Schicksal des Altmärkers nach den Schilderungen seines Vaters in der Chronik des Kirchspiels Dähre. Es ist eines von zahllosen Dokumenten aus den Tagen zwischen 1914 und 1918, in denen Millionen junger Männer im Auftrag des Heldentums nur eines fanden: den Tod.

Den Blick weg von der Front auf die Erschütterungen, die der Weltkrieg nach Hause in die Heimat schickte, wirft eine Wanderausstellung, die seit 2014 durch Sachsen-Anhalt tourt. Vom 19. März bis 5. Juni macht „Heimat im Krieg 1914/18“ jetzt auch im Salzwedeler Danneilmuseum Station.

Anhand von 150 Exponaten erzählt die Ausstellung, wie der Krieg den Alltag der Daheimgebliebenen allmählich veränderte. Wie auch die Altmärker langsam aber sicher von Begeisterung und Siegesgewissheit ins Bangen gerieten. Wie die Seeblockade der Engländer den relativen Wohlstand des Kaiserreichs zunichte machte und wie schließlich Entbehrungen, wenn nicht gar Hunger, das Leben prägten.

Das Besondere an „Heimat im Krieg“ ist dabei, dass die Ausstellung sich von Ort zu Ort verändert, berichtet Projektkoordinatorin Rosemarie Knape. Jede Stadt bringt Dokumente ihrer Region in die Exposition ein, die deshalb stets auch einen eigenen Charakter erhält. Und: Die Altmark ist auch im unveränderlichen Kern der Ausstellung stark vertreten, ergänzt Museumsleiter Ulrich Kalmbach. Belege dafür muss man bei einem Rundgang nicht lange suchen. So finden Besucher in den Glaskästen der Einrichtung an der Salzwedeler Marienkirche einen prächtigen Paradedegen des Ulanen-Regiments „Hennigs von Treffenfeld“, das 1866, also genau vor 150 Jahren, in Salzwedel und Gardelegen stationiert wurde.

Gleich daneben ein bunt illustrierter Brief an die Heimat vom 23. Dezember 1915: Preußische Soldaten stehen da vor einer mit der Fahne des Kaiserreichs geschmückten Dorfkirche. Es ist nicht mehr als ein Zettel, aber er steckt voller Heimweh, geschrieben auf Birkenrinde im Unterstand eines kalten Schützengrabens an der Ostfront.

Gleich nebenan dann doch ein Blick auf die Front selbst. In einem Feldarzt-Koffer findet sich neben Hautcreme und Mullbinden in einer knallgelben Box auch ein Spezial-Puder für Phosphor-Angriffe: „Dieser Puder ist zur Behandlung mit allen Brandwunden geeignet“, steht auf der Packung. Daneben ein düsteres Sauerstoff-Gerät für Gasgeschädigte der Niederländischen Armee. Wer jetzt noch Zeugnisse braucht, um sich die Wucht dieses Krieges vorzustellen, findet wenige Meter weiter die Hülle eines riesigen Torpedos, mit denen die deutschen U-Boote vergeblich versuchten, die Seeblockade zu sprengen.

Am Ende ist „Heimat im Krieg 1914/18“ die gelungene lokale Perspektive auf die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Die Vielzahl an Original-Exponaten lässt dabei erahnen, wie sich das Leben damals in der Altmark anfühlte.

Einige Tage nach dem Tod des jungen Eickhorsters wurde seiner Mutter übrigens ein Blattgewinde mit der Widmung „Vom Weinsberger Friedhof ein Gruß an die Mutter des Richard Wilke“ zugeschickt. Der 28-Jährige war der erste Verwundete, der im Lazarett Weinsberg starb.