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Tierschutz Rettungsaktion Storch gelungen

Die Geschichte der Störche von Saalfeld hat dramatisch begonnen. Mit einer eindrucksvollen Rettungsaktion ist aber alles gut ausgegangen.

Von Oliver Becker 28.06.2017, 13:06

Saalfeld l Dass Freud und Leid oft sehr dicht beieinander liegen, zeigte am Montag ein Beispiel aus Saalfeld. Die Saalfelder hatten sich darüber gefreut, dass in dem Storchenhorst auf dem Hof von Ramona und Wolfgang Vogel wieder die Störche gebrütet hatten und vier Jungstörche neben den Altvögeln das Nest in mehr als zehn Metern Höhe mit Leben erfüllten. Für Donnerstag war vorgesehen, dass die Störche von Thomas Koberstein, einen von vier Weißstorchbetreuern in der Region, im Auftrag des Storchenhofs Loburg beringt werden sollten. Es war schon alles für die Aktion organisiert worden. So hatten die Saalfelder eine Drehleiter geordert, damit Koberstein die Störche mit den entsprechenden Ringen in der Höhe versehen konnte.

Doch am Montag gegen 14 Uhr hörten die unmittelbaren Nachbarn des Vogelschen Gehöftes, Heidrun Jürges auf der einen Seite und Volker Preis auf der anderen, ein lautes Geräusch, das sie zunächst nicht zuordnen konnten. Der Blick vor die Haustür offenbarte die Katastrophe. Die metallene Konstruktion, auf dem der mehrere hundert Kilogramm schwere Horst ruhte, hatte nachgegeben, war zur Seite gekippt und ein Teil des Nestes sowie die vier Jungstörche stürzten in die Tiefe. Drei der Vögel waren sofort tot, doch der vierte blieb unverletzt.

Volker Preis als Tierarzt wusste, dass nun jede Sekunde zählen würde. Das Nest musste umgehend ausgetauscht und der Jungvogel wieder zurück in dieses gebracht werden. Nur so bestände eine Chance, dass die Altvögel ihren Nachwuchs wieder annehmen würden.

Es wurde die Untere Naturschutzbehörde des Altmarkkreises informiert. Und von dort wurde kurzfristige Unterstützung zugesagt. Ortsbürgermeister Detlef Jürges hatte inzwischen um Hilfe für diese Aktion bei der Firma Fangmann gebeten. Der benötigte Autokran wurde von dem Salzwedeler Unternehmen unbürokratisch und kostenfrei zur Verfügung gestellt. Stefanie Eckart und Karsten Bierstedt vom Altmarkkreis hatten einen Bausatz für die Nestunterkonstruktion nach Saalfeld gebracht, den Detlef Jürges vor Ort zusammenschweißte. Was dann die beiden Mitarbeiter des Altmarkkreises erlebten, versetzte sie in pures Erstaunen. Nico Bierstedt und Tobias Hentschel kamen mit einem Gabelstapler um die Ecke gebraust. Auf der Gabel des Fahrzeuges ein Stapel frisch geschnittener Zweige. Diese verflocht Anke Preis fachkundig mit dem Trägergestell für das Nest, dabei wurde sie von anderen Dorfbewohnern und den Mitarbeitern des Altmarkkreises unterstützt. Derweil hatte der Kran bereits Detlef Jürges in einem Korb in luftige Höhe gehoben, damit dieser das alte Nest demontieren konnte.

Das halbe Dorf war auf den Beinen, um bei der Rettungsaktion Storch mitzuhelfen. Der Jungstorch, um den sich alles drehte, war in einer Transportbox bei Volker Preis untergekommen, und Thomas Koberstein nutzte die Gelegenheit und beringte den Storch so am Boden. Dabei informierte er, dass die Saalfelder mit ihren Störchen immer wieder etwas Pech gehabt hatten. Vor ein paar Jahren war ein Storch eines Pärchens, das in dem Horst in Saalfeld brütete, gegen einen Strommast im Dorf geflogen und gestorben. Im vergangenen Jahr wurden die Jungvögel von Nilgänsen in ihrem Nest attackiert und getötet.

Koberstein betreut in seinem Gebiet, das von Höwisch bis Hohenböddenstedt reicht, insgesamt 21 Storchenhorste. In 16 von ihnen wird der Nachwuchs aufgezogen, die anderen sind ohne Jungstörche oder gar unbesetzt. Saalfeld war der einzige Horst in seinem Bereich, in dem vier Jungstörche aufgezogen wurden. Der Horst in Saalfeld hat einen idealen Standort, die umliegenden Wiesen geben viel Nahrung und die Jungstörche waren gut im Futter, sagte der ehrenamtliche Weißstorchbetreuer und verwies dabei auf die traurigen Überreste der drei Jungvögel am Fuß des Horstes.

„Die Storchensituation ist in diesem Jahr besser als 2016, aber schlechter als 2015. Es ist schon ein Jammer, so etwas hier sehen zu müssen. Man kann niemandem daran die Schuld geben. Das Nest war aufgrund der vielen Regenfälle in letzter Zeit zu schwer für den Unterbau geworden.“ Inzwischen war das neue Nest in die Höhe gezogen und von Detlef Jürges montiert worden. Zu dem neuen Unterbau aus Ästen wurde noch altes Nestmaterial hinzugeführt. „Wenn die Altstörche diesen Horst anfliegen, soll ihnen ein vertrauter Geruch entgegenwehen“, informierte Koberstein.

Während die Menschen in großer Eile den Horst wieder einrichteten, beäugten die beiden Vögel das Treiben von den benachbarten Dächern. Ab und zu drehten sie eine Runde und es schien bald so, als wollten sie sich aus der Nähe vom Fortschritt der Arbeiten an ihrem neuen Heim überzeugen.

Nach etwas mehr als zwei Stunden war es dann soweit. Anke Preis holte den Jung- storch aus seinem vorübergehenden Quartier und übergab ihn an Detlef Jürges. Dieser ließ sich mit dem Storch wieder hinauf zu dem Horst heben, wo er den immer noch geschockten Vogel in sein neues Nest legte. Und nun hieß es für alle Beteiligten zu warten. Vater oder Mutter Storch, keiner wusste es so genau, umkreiste den Horst mehrmals und setzte sich zunächst immer wieder auf ein benachbartes Dach. Beim vierten oder fünften Mal dann ein laut vernehmbares Aufatmen bei den Saalfeldern, denn der Storch hatte zur Landung auf das Nest angesetzt. Hoch oben, über den Köpfen der Saalfelder, wurde er freudig vom Jungstorch begrüßt.

Erleichterung auch bei Thomas Koberstein. „Das ist ein gutes Zeichen. Die Storcheltern werden sich jetzt mit besonderer Fürsorge ihrem einzigen verbliebenen Nachwuchs widmen.“ Volker Preis übernahm die Patenschaft für die Störche. Das heißt, dass er Familie Storch in der nächsten Zeit besonders im Auge behält.