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Ärztemangel Polikliniken statt Landarztquote?

Die Landarztquote der Landesregierung bekommt heftigen Gegenwind aus der Altmark. Ein Mediziner aus Salzwedel kritisiert die Pläne.

Von Alexander Rekow 18.05.2019, 05:34

Salzwedel/Magdeburg l „Mit ihren Plänen wird sie das Problem von fehlenden Ärzten in Flächenregionen nicht lösen können“, sagt ein Mediziner des Altmark-Klinikums in Salzwedel im Gespräch mit der Volksstimme. Er möchte namentlich nicht genannt werden, fürchtet Repressalien seitens des Arbeitgebers.

Hintergrund: Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin will mit einer Landarztquote junge Ärzte in demographisch schwache Gebiete bekommen. Ihr Vorhaben: Bis zu 20 der landesweit 400 Medizinstudenten für ländliche Regionen zu reservieren. Dafür sollen sich die Jungärzte für zehn Jahre an einen Standort binden. Diesen wiederum soll die Kassenärztliche Vereinigung (KV) festlegen. Wer aber vor Ablauf der zehn Jahre das Stethoskop wirft, muss mit einer Vertragsstrafe von 250.000 Euro rechnen, der durchschnittliche Jahresumsatz eines niedergelassenen Arztes. Schließlich würde die Ausbildung etwa 200.000 Euro kosten.

Die Landarztquote sei zudem keine kurzfristige Lösung, räumte Grimm-Benne vergangenen Monat im Magdeburger Landtag ein. Die ersten Bewerber sollen ihr Studium zum Wintersemester 2020/21 beginnen können.

Für den Mediziner des Salzwedeler Krankenhauses ist das gewissermaßen eine Totgeburt. „Man will die jungen Ärzte in Regionen schicken und bestimmen, wo sie zu praktizieren haben“, ärgert er sich: „Da kann man potenzielle Kandidaten ja gleich versklaven“. „Wenn sich junge Menschen nach einer rund zwölfjährigen Ausbildung samt Studium noch einmal zehn Jahre verpflichten sollen – dann ist das weltfremd.“

Seiner Ansicht nach lasse sich ein Modell wie dieses nicht mehr mit der heutigen Zeit vereinbaren. „Was, wenn eine junge Ärztin sich in einen Heidelberger verliebt? Darf Sie für ihre Zukunft nicht mehr umziehen? Oder wenn sich jemand von seinem Partner trennt, ist er trotzdem an die Region gebunden?“, fragt er sich. Es seien unvereinbare Bedingungen.

Obendrein seien diejenigen, die sich für das Modell entscheiden, selbstständig. „Also selbst und ständig!“, sagt der Mediziner. „Die jungen Menschen legen heute mehr wert auf flexible Arbeitszeiten, mit Freiraum für Kinder.“ Daher müssen aus seiner Sicht andere Wege gefunden werden, den Mediziner-Nachwuchs aufs Land zu bekommen.

Das würde aus seiner Sicht mit einem Modell aus DDR-Zeiten funktionieren. „In Polikliniken am Rande der Kreisstädte würden die Kräfte gebündelt werden“, erklärt er. Zudem könnten sich die jungen Ärzte gegenseitig vertreten, um Freiraum fürs Privatleben zu schaffen. „Das wäre wesentlich attraktiver“. So wie Teile der Wirtschaft ihre Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten um Fachkräfte zu bekommen, so müsse das seiner Ansicht nach auch in der Medizin geschehen.

Das sieht Ilia Karl, Arzt aus Arendsee, ähnlich. Es freut ihn zwar, dass die Politik sich des Themas annimmt, doch er hat seine Zweifel. „Es ist schwierig, junge Leute zu binden“, ist sich der Facharzt für Allgemeinmedizin sicher. Keiner könne zu Studienbeginn sagen, wo er schlussendlich lande. Gerade im Hinblick auf die eigene Lebensplanung. „Ich hätte damals auch nicht gedacht, dass ich mal in der Altmark lande – geschweige denn wo die liegt.“ Er glaubt, dass deutlich mehr Studienplätze eine Lösung sein könnten, auch wenn dies mit hohen Kosten verbunden ist. Stipendien hingegen seien nur für wenige attraktiv, sagt Ilia Karl. Doch bis eine Landarzquote greifen könnte, sei es noch weit. „Es wird noch lange dauern, bis etwas spürbar sein wird“, meint der Arzt aus Arendsee.

Die Salzwedeler Diplom-Medizinerin Karin Willert begrüßt die Landarztquote. Doch der Vorstoß hätte ihrer Einschätzung nach wesentlich früher passieren müssen. „Das kommt viel zu spät“, sagt sie: „Der Notstand ist jetzt!“ Die Fachärztin für Allgemeinmedizin kennt die Situation in Salzwedel genau. Seit 1990 praktiziert sie in der Hansestadt. Ende März 2020 will Karin Willert in den Ruhestand gehen, was den Ärztemangel in und um Salzwedel abermals verschärfen dürfte. Offen bleibt, ob die Allgemeinmedizienerin bis dahin eine Nachfolge für ihre Praxis im Altmark-Center finden wird.

Auch den Bundestagabgeordneten Eckhard Gnotke (CDU) umtreibt der Ärztemangel in der Region: „Im nächsten Jahr werden mehrere Allgemeinmediziner in den Ruhestand gehen.“ Daher mahnt Gnotke: „Die Ausschöpfung der Landarztquote ist nur ein erster – langfristiger – Schritt und muss um kurzfristige Maßnahmen zur Gewinnung von Ärzten im ländlichen Bereich ausgeweitet werden.“ Zudem ärgert es den Bundestagsabgeordneten, dass mehr als die Hälfte der 400 Medizinabsolventen aus Magdeburg und Halle nicht in Sachsen-Anhalt praktizieren.

„Für uns im ländlichen Raum bedeutet das: Wir zahlen Steuern u.a. für die Betreibung der medizinischen Fakultäten, haben aber nichts davon.“ Vielmehr seien Halle und Magdeburg die „Kaderschmieder der Nation“ für angehende Mediziner.