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Alkoholsucht Volles Glas, leere Seele

Seit Jahren kämpft Marcel S. (Name geändert) mit dem Alkohol. Jetzt möchte er in Salzwedel eine Selbsthilfegruppe gründen.

Von Antonius Wollmann 11.12.2017, 14:00

Salzwedel l Es sind die Abendstunden, in denen Marcel S. (Name geändert) am stärksten auf die Probe gestellt wird. Dann sitzt er nach getaner Arbeit allein zuhause. Viele soziale Kontakte hat er nicht knüpfen können, seitdem er der Arbeit wegen nach Salzwedel gezogen ist. Es ist diese Einsamkeit, die ihn dazu verleitet hat, immer öfter zur Flasche zu greifen.

Das Gefühl vertreiben, ganz allein zu sein in der Stadt. Für ein paar Stunden wirkt das Leben weniger trist. Der leichte angenehme Rausch lässt der alles ein bisschen bunter wirken. Bis die Erkenntnis kommt, dass nichts gut ist. Und mit der Trinkerei alles schlimmer wird.

Dabei fing bei Marcel S. alles scheinbar harmlos an vor etwa vier Jahren. Ein oder zwei Feierabendbiere gönnte er sich. „Ich dachte mir nicht viel dabei. Das machen ja viele so“, erzählt der zurückhaltende junge Mann mit stockender Stimme im Salzwedeler Büro des Paritätischen. Zu sehr drückt der Alkoholkonsum mittlerweile auf sein Gemüt. Bärbel Riep, beim Paritätischen für die Organisation von Selbsthilfegruppen zuständig, schlug ihm vor, eben so eine Gruppe zu gründen. Mit anderen Betroffenen könne Marcel S. dann über seine Probleme sprechen.

Im Beisein der Sozialarbeiterin blickt Marcel S. zurück, wie er zum Alkoholiker wurde. Statt Bier öffnete er irgendwann eine Flasche Schnaps. Erhöht halt die Wirkung. Die Getränke wurde härter, seine Verlassenheit verschwand den nicht. Im Gegenteil. Je mehr der 36-Jährige versuchte, gegen sie anzutrinken, umso schlechter fühlte er sich. Nach einem Schicksalsschlag in der Familie ging alles weiter bergab. Volles Glas, leere Seele, wenig Hoffnung.

Des Problems war er sich nur zu gut bewusst. Zwei Flaschen Schnaps am Abend, das geht nicht lange gut. Auf der Arbeit entging seinen Kollegen nicht, dass er daheim nicht nur Cola trank. Die Fahne identifiziert den Trinker. Sein Chef sprach ihn schließlich an. Sie setzten sich zusammen, Marcel S. offenbarte seine Sucht. „Ich fühlte mich ertappt und schlecht“, beschreibt er den Moment. Es war sein Vorgesetzter, der ihm den Tipp gab, sich an den Paritätischen zu wenden.

Hier ist er hergekommen, um Hilfe zu suchen. Dass er sich überhaupt so offen über seine Sucht äußert, nötigt Bärbel Riep Anerkennung ab: „Das ist keinesfalls selbstverständlich. Der Schritt, sich dies einzugestehen und anderen Menschen davon zu erzählen, ist ein sehr großer“, sagt Bärbel Riep vom Paritätischen. Doch sei dies die einzige Möglichkeit, um etwas daran zu ändern. Zumal Alkoholiker ab einem bestimmten Zeitpunkt auch arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten müssen. „Verweigern sie sich einer Therapie, kann das zur Kündigung führen,“ erklärt Bärbel Riep die Folgen.

So weit will es Marcel S. auf keinen Fall kommen lassen. Seit vier Wochen hat er keinen Schnaps mehr angerührt. Mit Hilfe der Selbsthilfegruppe soll das so bleiben. Fünf weitere Betroffene müssten sich melden, damit sie gegründet werden kann. Denn bisher existiert in Salzwedel keine. Bärbel Riep ist dennoch davon überzeugt, dass der Bedarf da ist. Dass Marcel S. nicht der einzige ist, der zu viel trinkt, um zu vergessen.

 

Wer Interesse hat, Mitglied der Selbshilfegruppe zu werden, meldet sich bei Bärbel Riep vom Paritätischen unter der Telefonnummer 0151/16266744.