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Aus dem Gericht Cannabis zwischen Bett und Kissen

Wegen der Aufzucht von Cannabis hat sich ein junger Mann vor dem Amtsgericht in Salzwedel verantworten müssen.

Von Alexander Rekow 11.06.2019, 02:00

Salzwedel l Richter Klaus Hüttermann, Schöffen, Vertreterin der Staatsanwaltschaft, Zeugen, Verteidiger und ein Sachverständiger. Sie alle saßen im Salzwedeler Amtsgericht für eine Verhandlung, die sich mit einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz beschäftigen sollte. Nur der Angeklagte ließ sich nicht sehen.

„Für diesen Fall habe ich ein ‚Taxi‘ gebucht“, sagte Richter Klaus Hüttermann und griff zum Telefon: „Sofortige polizeiliche Vorführung!“ Rund 90 Minuten später rollten zwei Zivilbeamte mit dem 20-jährigen Angeklagten aus dem Raum Arendsee auf den Hof des Gerichts.

„Ich habe verpennt“, sagte der sichtlich unaufgeregte Angeklagte. Nachdem das geklärt war, erläuterte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, was dem 20-Jährigen vorgeworfen wird. Im September 2017 wurde bei einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung sieben Cannabispflanzen zwischen 30 und 85 Zentimetern sichergestellt. Obendrein noch eine Feinwaage und weitere Utensilien für Konsum und Aufzucht. Dazu noch einige Tütchen mit Cannabis und Ecstasy.

„Ich räume das ein“, sagte der 20-Jährige. Er habe es nur für sich angebaut. Wofür er dann aber eine Feinwaage brauchte, konnte er nicht schlüssig darlegen. Das wiederum machte den Richter stutzig. „Wieso hatten Sie noch weitere Samen? Wieso gepresste Drogen und Amphetamin?“, wollte Klaus Hüttermann wissen. „Eigenbedarf“, wiederholte der 20-Jährige mehrfach. Außerdem würden die Pflanzen alle zwei Monate nur zwei Gramm abwerfen. Abhängig sei er übrigens nicht mehr, beteuerte er. Trotzdem, ob er am Vortag einen Joint geraucht hat, wusste er nicht. Nur so viel: „Ich habe es nicht verkauft.“ Vielmehr hätte er in der Vergangenheit mal mit guten Freunden geraucht; grundsätzlich aber allein: „ein Tütchen am Tag.“ Seit er 13 ist würde er Cannabis rauchen. Amphetamin hingegen würde er sehr selten nehmen. „Alle paar Monate am Wochenende ein Näschen“, sagte er.

Dass er es nur für sich selbst angebaut haben will, kam Richter Klaus Hüttermann spanisch vor. Wohl auch deshalb, weil der Angeklagte mit einem Magneten seinen Stromzähler manipulierte. Den Magneten habe er für 20 Euro aus dem Internet und wollte „nur sparen“. „Der war auch nur 10 oder 14 Tage dran, dann kam die Polizei“,erklärte er. Sein Vermieter konnte den Magneten am Stromzähler bestätigen.

Richter Hüttermann hakte abermals nach und wollte mehr zum Anbau wissen. „Licht, Wasser, Dünger“, mehr hätte er nicht benötigt. Der Altmärker habe die Pflanzen in seinem Schlafzimmer gezüchtet. „Ich habe im Wohnzimmer geschlafen.“ Die Polizei habe neben dem Equipment zur Aufzucht aber auch 300 Euro Bargeld gefunden, meinte der Richter. Auch darauf hatte er eine Antwort. „Das war von meiner Mutter.“

„An dem Tag war ich als Unterstützung da“, erinnerte sich ein Polizist, der als Zeuge Licht ins Dunkel bringen sollte. Ihm blieb die akkurat aufgeräumte und gut strukturierte Wohnung des Angeklagten im Gedächtnis: „Das hat mich gewundert.“ Was ihn ebenfalls erstaunte: Im Schlafzimmer war eine zweite Wand als Raumteiler eingezogen und mit Lüfter und Licht ausgestattet. Dahinter die Pflanzen. Dabei habe ihm sein Vater geholfen, erklärte der junge Mann.

Der Polizist, der im Raum Arendsee seinen Dienst verrichtet, kennt den Angeklagten. Häufig sei er bei Streitigkeiten zu den Eltern gerufen worden. „Sieben- bis achtmal seit April.“ Eigentlich sei der junge Mann immer ruhig mit gepflegtem Erscheinungsbild. Doch trifft er auf seine Eltern, würde er schreien und auch mal Morddrohungen ausstoßen. „Ich reiß dir den Kopf ab, wenn du mir das Geld nicht gibst“, soll er seiner Mutter gedroht haben. „Aber ich glaube nicht, dass er zur Gewalt neigt“, meinte der Polizist. Doch grundsätzlich seien die Eltern mit ihrem Sohn überfordert. Würden mal den Kontakt blockieren und dann wieder suchen.

„Ich kenne den Angeklagten durch meinen Ex-Freund. Die haben oft zusammen Drogen genommen“, erinnerte sich eine 16-Jährige Schülerin, die ebenfalls als Zeugin aussagte. Sie selbst war nur einmal bei dem 20-Jährigen, vor zwei Jahren. Da hätten sie zu dritt Drogen genommen. „Ab und an hat es geklingelt. Er ist er mit Tütchen zum Küchenfenster und kam mit Geld zurück“, erinnerte sie sich und belastete den 20-Jährigen damit schwer.

„War er normal oder benebelt“, wollte Klaus Hüttermann wissen. „Komisch war er“, antwortete die 16-Jährige. Er habe sie und ihren Ex-Freund schreiend bezichtigt, 20 Euro von ihm gestohlen zu haben. „Das war aber nicht so.“

Richter Klaus Hüttermann hatte in dieser Verhandlung genug gehört und setzte einen Fortsetzungstermin am Mittwoch, 12. Juni, in Stendal an.