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Berufswahl Rückkehr in die Kindertagesstätte

Frank Pelczarski, Enrico Peters und Robert Schulze sind Pioniere: Sie arbeiten als Erzieher in Kuhfelde und Beetzendorf

Von Uta Elste 11.08.2018, 03:00

Kuhfelde/Beetzendorf l „Ich fühle mich gleichberechtigt behandelt.“ Es klingt schon noch etwas merkwürdig, wenn ein junger Mann diesen Satz sagt. Frank Pelczarski (27) ist Erzieher in der Kindertagesstätte Kuhfelde, ein Beruf, den die meisten Menschen mit Frauen verbinden. In Kuhfelde ist Frank Pelczarski der einzige Mann im Team der acht Erzieherinnen, die 33 Kita- und 48 Hortkinder betreuen. Für seine Chefin Christel Tepelmann ist es nicht entscheidend, ob sich Männer oder Frauen um die Kinder kümmern. „Erzieher ist Erzieher. Und entscheidend ist, was man kann“, sagt sie. Und Frank Pelczarski habe sie beim Probetag auf Anhieb überzeugt.

Erste Erfahrungen im Umgang mit kleinen Kindern sammelte Frank Pelczarski früh, zunächst mit den jüngeren Cousins in der eigenen Familie, später auch als Trainer im Judo. „Mit 18 habe ich dann meinen Übungsleiterschein erworben“, erzählt der Rohrberger. An sein erstes Judolager als Trainer kann er sich noch gut erinnern. „Ich war total nervös“, gesteht er. Er habe erst lernen müssen, wie man Kindern die Techniken der Würfe und Griffe so erklärt, dass sie es auch verstehen.

An zwei Jahre Bundeswehr nach dem Abitur am Beetzendorfer Gymnasium schloss sich ein Jahr im Bundesfreiwilligendienst an. „In diesem Jahr habe ich zwei Tage in der Woche in einer Kita in Kalbe gearbeitet“, erzählt Frank Pelczarski. An den anderen Tagen war er im Jugendclub Corner in Klötze eingesetzt. Musik, Sport, Nachhilfe für Grundschüler. Drei Jahre nach dem Bufdi-Jahr hatte er seinen Bachelor in Angewandten Kindheitswissenschaften in der Tasche. „Dabei wollte ich während der Schulzeit eigentlich Lehrer für Biologie und Mathematik werden. Und als kleiner Junge übrigens Detektiv“, fügt Frank Pelczarski hinzu

Sein Lieblingssport Judo kommt ihm bei seiner Arbeit als Erzieher zugute. „Männer reagieren anders in manchen Situationen. Durch Judo habe ich Geduld gelernt, denn das ist bei diesem Sport eine Tugend. Ruhe bewahren, reagieren, nicht angreifen“, erklärt er die Parallelen zwischen Arbeit und Hobby. Die Knirpse, so hat er festgestellt, passen sich dieser Ruhe auch an. „Natürlich testen manche auch mal ihre Grenzen aus.“ Mit seinen bisherigen Erfahrungen, auch aus der Bundeswehrzeit, sei er diesen Situationen durchaus gewachsen.

Die Eltern der Jungen und Mädchen fanden es durchweg gut, dass sich jetzt auch ein Mann in der Kita um ihre Kinder kümmert. Auch von den Kindern kam positives Feedback. „Er wird geradezu umschwärmt“, verrät Christel Tepelmann schmunzelnd.

Vorbehalten sei er eher im Bekanntenkreis begegnet. „Da wird man schon gefragt ,Musst du auch Windeln wechseln‘?“, erzählt Frank Pelczarski. Muss er nicht, aber das wäre auch kein Problem. Während seines Praktikums in der Kita Schoorbergzwerge im heimatlichen Rohrberg habe er auch das gelernt.

Die Erzieher in der Kuhfelder Kita duzen sich. Von den Kindern werden sie dagegen gesiezt. „Das war schon gewöhnungsbedürftig, als Herr Pelczarski angesprochen zu werden.“ Doch später im Hort, wo der junge Erzieher vorwiegend eingesetzt wird, ist das Siezen schließlich ebenfalls üblich.

Auch nach diversen Praktikas und dem ersten Jahr Berufserfahrung kommt der 27-Jährige immer wieder ins Staunen, was Kinder alles zum Spielen umfunktionieren können. Aus Springseilen werden mal eben Zugseile oder gleich ein kompletter Niedrigseilgarten. „Momentan ist ausrangiertes Kochgeschirr sehr beliebt.“

In der integrierten Kindertagesstätte Haus der kleinen Füße in Beetzendorf, die mit 105 Plätzen die größte in der Verbandsgemeinde (VG) Beetzendorf-Diesdorf ist, sind gleich zwei junge Erzieher beschäftigt. Der 34-jährige Enrico Peters und der 28-jährige Robert Schulze kümmern sich um die Kinder und gehen in ihrem Beruf voll auf. „Ursprünglich wollte ich Lehrer werden, aber das war mir dann doch zu theoretisch. Dieser starre Frontalunterricht war dann doch nichts für mich“, erzählt Peters.

Über ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) an der Freien Schule Altmark in Depekolk, wo er im Hortbereich mit Jugendlichen arbeiten durfte, lernte der Salzwedeler den Erzieherberuf kennen. Schnell war ihm klar: „In diese Richtung möchte ich gehen“. Nach drei Jahren Ausbildung in der Uelzener Georgsanstalt hatte Enrico Peters sein Zeugnis als Staatlich anerkannter Erzieher in der Tasche. Zunächst arbeitete er vier Jahre lang in der Salzwedeler Kindertagesstätte „Max und Moritz“, bis er Ende 2013 in das Beetzendorfer Haus der kleinen Füße wechselte. Hier arbeitet der 34-Jährige vormittags im Kita-Bereich und ab Mittag im Hort.

Sein Kollege Robert Schulze kennt die Beetzendorfer Kita sogar von klein auf. Schließlich ist der Beetzendorfer einst selbst dort als kleiner Steppke betreut worden. „Ich habe meinen Zivildienst im Caritas-Heim in Beetzendorf abgeleistet und danach eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger gemacht“, erzählt der 28-Jährige. Nach einigen Praktika in Kindertagesstätten stand für ihn fest: Die Arbeit mit Kindern macht ihm am meisten Spaß. Was lag da also näher, als im Haus der kleinen Füße als Erzieher anzufangen? Hier ist er ebenso wie sein Kollege festen Gruppen zugeteilt und hilft auch schon mal im Ferienhort aus.

„Mir muss Arbeit Freude machen, sonst geht es nicht. Und das ist hier der Fall, vor allem weil ich meine Hobbys mit einbringen kann“, erläutert Robert Schulze seine Motivation. Naturwissenschaft und Forschung sind sein Ding und das Interesse versucht er an die Jüngsten weiterzugeben. „Ich will den Kindern interessante, coole Sachen zeigen und mache mit ihnen auch gern Experimente aus dem Bereich der Physik oder Chemie. Das kommt gut an“, berichtet der Beetzendorfer.

Doch nicht nur für das Stillen des Forscherdrangs der Kleinen und die wissenschaftliche Beschäftigung auf Kinderniveau ist Robert Schulze der Fachmann in der Kita, auch das Schachspiel hat er im Haus der kleinen Füße eingeführt. Seit zwei Jahren bringt der Erzieher den Jüngsten bei, wie die Figuren auf dem Brett geführt werden. „Ziel ist, dass alle Schulanfänger Schach spielen können, denn damit wird das Vorstellungsvermögen und das logische Denken gefördert“, erzählt er. Sein Kollege Enrico Peters, mit dem er sogar extra einen Lehrgang besucht hat, versucht, das Schachspiel auch im Hort fortzuführen. „Doch Hortkinder zu motivieren ist mitunter etwas schwieriger“, meint der Salzwedeler. Umso mehr freue er sich, demnächst die ersten Kinder zu übernehmen, „bei denen Robert schon gute Vorarbeit geleistet hat“. Erste Erfolge gibt es auch schon. „Unter den Kindern haben wir auch schon ein, zwei richtige Schachtalente entdeckt“, freuen sich die jungen Erzieher.

Auch für Enrico Peters ist es das beste an der Erziehertätigkeit, dass er seine Interessen und Hobbys mit in die Arbeit einfließen lassen kann. „Sie liegen auf einer Wellenlänge mit dem Beruf und ich brauche mich nicht zu verbiegen“, meint er.

Dass sie in einer absoluten Frauendomäne tätig sind, ist für die beiden engagierten Erzieher kein Problem. „Da gab es keine Schwierigkeiten, weder mit den Kolleginnen noch mit den Eltern“, betont Enrico Peters, und Robert Schulze pflichtet ihm bei: „Ich habe fast nur positive Resonanz erlebt, es gab keinerlei Vorbehalte, die offen angesprochen wurden“. Umgekehrt wäre es nach Einschätzung der beiden wohl anders. „Wenn eine Frau in einen reinen ‚Männerberuf‘ einsteigt, gibt es bestimmt mehr Schwierigkeiten“, vermutet Peters.

Doch was für eine besondere Note bringen männliche Erzieher eigentlich in den Kita-Alltag ein? „Ich denke, dass Männer einen anderen Umgang mit Kindern haben. Von den Frauen heißt es oft, dass wir lockerer sind und die Dinge mit einem anderen Blick sehen“, erklärt Enrico Peters. Da wird im Hort auch schon mal eine Runde Fußball gespielt. „Und die Jungs freuen sich, wenn sich mit ihnen auch mal jemand Autobücher anschaut“, schmunzelt Robert Schulze. „Ich packe die Kinder nicht nur in Watte. Bei Kletteraktionen bin ich entspannter, wo Frauen wohl zuerst den Unfall sehen würden“, berichtet Frank Pelczarski. Vielmehr wolle er den Kindern beibringen, Gefahren realistisch einschätzen zu können. Männer würden eben auch in der Kita andere Themen abdecken als Frauen.

Dass sich trotzdem kaum Männer für den Erzieherberuf erwärmen können, habe vor allem mit Klischeedenken zu tun. Bei vielen sei im Kopf verankert, dass das Frauenarbeit ist und sie hätten Angst davor, im Freundes- oder Bekanntenkreis belächelt zu werden.

„Die Klischees, die Hürden im Denken, richtet jeder selbst auf“, findet Christel Tepelmann, die feststellt, dass doch immer mehr junge Männer sich für den Erzieherberuf entscheiden. „Auch zwei Jungen, die als Kinder mal bei uns in die Kita gegangen sind, wollen jetzt Erzieher werden. Einer von ihnen beginnt demnächst mit einem Praktikum“, berichtet sie erfreut

Während sich Robert Schulze noch keine Gedanken über eine Weiterqualifizierung gemacht hat, war sein Salzwedeler Kollege Enrico Peters schon mal einen Schritt weiter. „Ich hatte schon ein Studium angefangen, das man für eine Leitungsfunktion in der Kita benötigt. Doch wegen des Arbeitgeberwechsels habe ich es abgebrochen“, berichtet er. Noch sei er unschlüssig, ob er diesen Weg noch einmal in Angriff nehmen soll.