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Bienen Weitaus mehr als nur Honiglieferanten

Gäbe es keine Bienen, müssten wir auf weitaus mehr verzichten, als auf das Honigbrot am Morgen.

Von Luise Gand 13.07.2016, 09:50

Recklingen l Die Sonne strahlt über dem großen Garten, der einen schönen Blick auf die Feldsteinkirche zulässt. In einer Ecke des Grundstücks stehen neun grüne Kisten. Es summt und brummt leise, als wir uns den Kisten nähern. Als Burkhardt Rechel den Deckel anhebt, wird das Brummen lauter und nimmt die Sommerluft ein. „Zur Hochzeit befinden sich bis zu 50 000 Bienen im Stock“, erläutert der Salzwedeler. Ein Bienenvolk – bestehend aus einer Königin, den männlichen Drohnen und Unmengen fleißiger Arbeitsbienen – bewohnt so eine Kiste, die Magazin genannt wird.

Behutsam entnimmt Rechel eine Wabe. Hunderte Bienen tummeln sich darauf, Tier neben Tier. „Na, da kann ich ja zufrieden sein“, gibt der Imker eine erste Einschätzung. Hier, in Recklingen, möchte Burkhardt Rechel heute die Bienenvölker kontrollieren, den Zustand der Bienen beurteilen und die Brut begutachten.

Er entnimmt eine weitere Wabe, schaut, wie viele der Zellen verdeckelt sind. Die Bienen verdeckeln die Zellen, wenn der Honig in der Wabe bereit für eine langfristige Lagerung ist. Das ist für Burkhardt Rechel das Zeichen, dass er den Honig ernten kann.

Imker verarbeiten nur den Überschuss der Honigeinlagerung, nicht den Eigenbedarf, den die Bienen zur Ernährung des Volks und zur Aufzucht der Brut benötigen. Die „fleißigen Bienchen“ produzieren aber weitaus mehr, als sie tatsächlich beanspruchen. Und dieser Überschuss kommt uns Menschen in Form von Honig zu Gute. Der Imker spricht dann von der Tracht und die ist heute sehr positiv zu bewerten. Burkhardt Rechel kann einige gedeckelte Honigwaben entnehmen. „Der Honig ist eigentlich nur ein Nebenprodukt der Imkerei“, erklärt er. Aber was macht die Arbeit der Imker zum Erhalt der Bienen dann so wichtig?

Ohne Bienen sähe die Natur ganz anders aus, die Artenvielfalt wäre dramatisch reduziert. So blühten nicht nur weniger Blumen und Bäume, besonders die Landwirtschaft stünde vor großen Problemen. Denn etwa 80 Prozent der Blüten und Kulturpflanzen werden durch Bienen bestäubt. Und ohne Bestäubung gäbe es eine weitaus geringere Ernte, deutlich weniger Obst- und Gemüsesorten. Die Nahrungspalette wäre drastisch eingeschränkt.

Doch nicht nur die Pflanzenvielfalt wird durch Bienen gesichert, auch andere Tiere profitieren von ihren Leistungen. Denn ohne die Bestäubung durch Bienen und Insekten könnten sich Kleinstlebewesen, Vögel, Feldhasen und sogar Nutztiere nicht von Samen und Früchten ernähren und würden in freier Wildbahn verhungern. Bienen schließen durch ihre Bestäubung den ökologischen Kreislauf und werden dadurch als das drittwichtigste volkswirtschaftliche Nutztier nach Schwein und Rind angesehen. Eine kostenlose Dienstleistung an die Natur und den Menschen, die wir in den vergangenen Jahren immer weiter ausgereizt haben.

Denn den Bienen fehlt Nahrung in Form von Nektar und Pollen. „Früher gab es Wiesen voll mit Klee und Wildblumen. Und auch in anderen landwirtschaftlichen Kulturen blühten Wildkräuter, so wie Mohn und Kornblumen im Getreide“, berichtet der Imker. Aber in Zeiten der Monokulturen und der verwendeten Pflanzenschutzmittel der Landwirtschaft, die die Felder von Wildblumen und blühendem Unkraut frei machen, gehen die Futterquellen für die Bienen nach und nach verloren. „Das geht mittlerweile so weit, dass die Bedingungen für Bienen in der Stadt und im städtischen Bereich besser sind als auf dem Land, wegen der vielen Grünflächen und Parks in Großstädten.“ Hier auf dem Land haben die Bienen nicht mehr so eine Auswahl wie früher. Aber vor allem fehlt die konstante Blüte vom Frühjahr bis in den Spätsommer hinein. „Im April ist das Bienenvolk schon relativ weit entwickelt, wenn die Obstbaumblüte startet. Anschließend folgen Rapsblüte und Akazie. Danach sieht es schon schlecht aus“, sagt Burkhardt Rechel.

Ohne ausreichend Pollen können die Bienen ihre Larven nicht mehr angemessen versorgen, die Entwicklung der Brut wird eingeschränkt und somit das Volk in seiner Gesamtheit geschwächt. Ein Teufelskreis, der in der Vergangenheit sogar oftmals mit dem Phänomen des großen Bienensterbens einherging.

Schon Albert Einstein soll gesagt haben: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“ Ein erschreckendes Szenario, dem Jeder mit kleinen Schritten entgegenwirken kann.

So hilft es Bienen, wenn im Garten oder auf dem Balkon nektarspendende Pflanzen und Kräuter angebaut werden. „Da hat man nicht nur den Bienen einen Gefallen getan, sondern auch anderen Insekten, Schmetterlingen und Hummeln Nahrung gespendet“, erklärt der Imker. Ein weiterer Beitrag zum Erhalt der Bienen ist, Honig aus der Region zu kaufen. Dadurch werden die Imker vor Ort unterstützt, die sich dafür einsetzen, die Bedingungen und Lebensräume der lokalen Bienen zu pflegen und zu verbessern.

„Wir im Verein sagen immer: Honig kann man importieren, Bestäubungsleistung nicht.“ Erschreckend: Nur noch 20 Prozent des Bedarfs an Honig können in Deutschland gedeckt werden, der Rest wird importiert. Jeder Deutsche konsumiert im Jahr im Schnitt einen Kilo Honig – eine Menge, der die einheimischen Imker kaum mehr gerecht werden können.

„In einem guten Jahr trägt ein Bienenvolk etwa 30 Kilo Honig ein, in einem schlechten um die 15 Kilo. Das hängt von vielen Faktoren ab, wie der Blüte, der Temperatur und der Stärke des Volkes“, schildert Rechel. „Es ist sehr schwer, mit der Imkerei seinen Lebensunterhalt zu decken, daher gibt es nur wenige Berufsimker. Das steht aber bei den meisten Imkern sowieso nicht im Vordergrund“, erzählt er weiter.

Daher ist es bei ihm auch immer bei der Hobby-Imkerei geblieben. Seit mehr als 30 Jahren pflegt er diese Leidenschaft nun schon mit viel Herzblut. „Ich habe mit der Imkerei angefangen, weil ich als junger Familienvater einen Kleingarten hatte. Da blühten zwar Obstbäume, aber die Bestäubung fehlte. Also habe ich mit einem Bienenvolk angefangen, aber schnell bemerkt, dass mit einem nicht zu imkern ist und einige Bienen mehr nötig sind.“ So stockte er nach und nach auf. Natürlich schränken so viele Bienenvölker in gewisser Weise ein: „Zu bestimmten Zeiten muss ein Imker bei seinen Bienen sein, sonst ist die Jahresarbeit umsonst“, beschreibt er seine Arbeit. „Aber man muss nicht das ganze Jahr hindurch und vor allem nicht täglich zu Hause sein. Die Arbeitsspitze reicht von April bis August, danach ist erstmal Ruhe.“

Seit etwa 30 Jahren ist Rechel Mitglied des Salzwedeler Imkervereins, seit „etlichen Jahren“ schon im Vorstand. Die 41 Hobbyimker, darunter eine Imkermeisterin, drei Imkergesellen und 17 geprüfte Bienenseuchensachverständige, treffen sich für Vorträge und regen Austausch. „Mit einem Durchschnittsalter von 62 Jahren sind wir aber total überaltert“, schmunzelt Rechel.

Über jüngeren Nachwuchs würde er sich freuen. Seine eigenen Kinder und Enkel sind leider noch nicht so überzeugt: „Die sehen alle, wie Opa sich abmüht, da haben sie keine Lust drauf!“, lacht er. Wer sich mit dem Thema Imkerei befassen möchte, der sei im Imkerverein Salzwedel willkommen. Als Voraussetzung für das Imkerdasein sieht der erfahrene Rechel ein Grundstück für die Magazine, ein generelles Interesse für Imkerei und Bienen und ein bisschen Zeit. Aber auch, wer nur einmal hereinschnuppern möchte, darf gern vorbeischauen.

Für den heutigen Tag ist Burkhardt Rechel sehr zufrieden: „Die Königin ist da, die Brut ist in Ordnung und einige Waben sind voller Honig. Also habe ich alles, was ich möchte.“ Mit einigen Honigwaben geht es von Recklingen nach Salzwedel, in seinen Kleingarten: „Die Waben müssen jetzt entdeckelt und geschleudert werden“, erklärt er den weiteren Vorgang.

Das Entdeckeln der Zellen geschieht mit einer Entdecklungsgabel. Damit öffnet Rechel gekonnt die Zellen. „Die Waben bleiben beim Entdeckeln und Schleudern heile und können wiederverwendet werden“, erläutert er. Anschließend kommen die Waben in die Honigschleuder, einer Maschine, die mittels Zentrifugalkraft den Honig aus den Waben herauszieht. Im Behälter der Maschine sammelt sich dann die goldene Flüssigkeit. Wie bei einer Zapfanlage wird der Honig dann entnommen, gesiebt und in Gläser abgefüllt. Fertig ist der zuckersüße Brotaufstrich.

Doch Burkhardt Rechels Jahresarbeit ist damit noch nicht zu Ende. Schließlich warten in den kommenden Wochen noch einige emsig gefüllte Honigwaben auf den kundigen Hobbyimker, bevor er die Bienenvölker auf die Überwinterung vorbereitet.

Der Imkerverein Salzwedel-Land e. V. heißt Interessenten willkommen. Der nächste „Klönabend“ zum Erfahrungsaustausch findet am Donnerstag, 25. August, um 19 Uhr in der Gaststätte Wagners Stübchen statt. Bis dahin ist Sommerpause im Verein angesagt.