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Brandstifterprozess Jugendwart erneut schwer belastet

Gegen den ehemaligen Jugendwart der Salzwedeler Feuerwehr hat der Berufungsprozess begonnen. Das Urteil wird für Mittwoch erwartet.

Von Wolfgang Biermann 18.08.2017, 01:00

Salzwedel/Stendal l Der Tatvorwurf klingt ungeheuerlich und gilt bundesweit als bislang einmalig: Ein leitender Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr stiftet als Jugend- und Gerätewart fünf minderjährige Mitglieder seiner Jugendabteilung zur Brandlegung an. So soll es laut Anklage der Staatsanwaltschaft Stendal im Oktober 2016 gleich zwei Mal in Salzwedel geschehen sein.

Am 3. Oktober brannte ein Volkswagen am Chüdenwall und am 21. Oktober an der Neutorstraße gleich neun Pkw mitsamt eines Carports. Gesamtschaden über 90.000 Euro. Verantwortlich dafür ein heute 33-jähriger, derzeit suspendierter Bediensteter der Hansestadt, zugleich Jugend- und Gerätewart, und fünf seiner Schützlinge sowie ein gesondert verfolgter Mittäter.

Das Jugendschöffengericht am Amtsgericht in Salzwedel hat die fünf Schützlinge des Angeklagten am 10. Mai zu Bewährungsstrafen und/oder Jugendarrest verurteilt. Ein gesondert verfolgter 18-Jährige war im Vorfeld zu einer zweijährigen Jugendstrafe verurteilt worden. Für den Jugendwehrleiter als Hauptangeklagten sprach das Amtsgericht in Salzwedel eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten Gefängnis aus.

Dagegen legte der seit seiner Festnahme im November in U-Haft befindliche Angeklagte Berufung ein, die seit Donnerstag vor der Jugendkammer am Landgericht in Stendal in zweiter Instanz verhandelt wird.

Wohin denn die Berufung ziele, wollte der Vorsitzende Richter Ulrich Galler wissen, wo doch der Angeklagte am Amtsgericht alles gestanden habe. Von „Einsatzgeilheit“ als Motiv soll dabei die Rede gewesen sein. Anwalt Nils Anders sagte für seinen Mandanten, dass er das erstinstanzliche Urteil für „hoch und hart“ halte. Zudem seien „darin getroffene Feststellungen nicht richtig“. Insbesondere am Brand an der Neutorstraße würde sein Mandant weniger Schuld tragen. Das Geschehen dort hätte eine „Eigendynamik aus der Gruppe heraus entwickelt“ und sein Mandant „nur mitgemacht“.

Der Verteidiger hatte in Salzwedel eine zweijährige Bewährungsstrafe beantragt. Und so traten zwei am 10. Mai zu sechsmonatigen Bewährungsstrafen verurteilte 16-Jährige sowie der gesondert verurteilte 18-Jährige, ebenfalls Mitglied der Feuerwehr, in den Zeugenstand. Die beiden 16-Jährigen waren jeweils an einer Brandlegung aktiv beteiligt, der 18-Jährige an beiden sowie an mindestens einer weiteren, bei der er auf frischer Tat gestellt worden war.

Die drei belasteten den 33-Jährigen. Wohl hätte er nicht selbst die Brände gelegt – dazu fehlte ihm nach eigener Aussage der Mut – sie aber dazu angestiftet. Mit den Jugendwehrmitgliedern verband den Angeklagten wohl mehr nur als der Dienst in der Feuerwehr. Sie nannten ihn „Vorgesetzten und Freund“, mit dem sie oft gemeinsam die Freizeit verbrachten und dabei regelmäßig Alkohol – zumeist ein Gemisch aus Wodka und Energydrink – konsumierten.

So auch am Abend des 3. Oktober. Da habe der Angeklagte „in die Runde“ gefragt, ob man nicht ein leerstehendes Haus anstecken wolle. Weil sich darin aber wohl Überwachungskameras befanden, schlug der 33-Jährige stattdessen vor, auf dem Chüdenwall Autos anzuzünden. Zwei Jugendliche holten Grillanzünder aus der Garage des Angeklagten. Und er führte vor, wie die Brandlegung vonstatten gehen soll: nämlich den angezündeten Grillanzünder auf eines der Räder legen.

Weil erst keiner freiwillig dazu bereit war, soll der Angeklagte gesagt haben: „Erst wollt ihr und dann macht ihr nicht mit.“ So fanden sich denn zwei „Freiwillige“. Ein VW brannte aus, das zweite Feuer erlosch von allein, ohne Schaden anzurichten. Nach festgelegtem Fluchtplan entfernte sich die Truppe mit dem Fahrrad vom Tatort. Zu Hause wählte der 33-Jährige die 112 und fungierte beim Löschen als Gruppenführer.

Am 21. Oktober wurde dann in ähnlicher Konstellation ein von den Brandstiftern beabsichtigtes „Massenfeuer“ gelegt. Beim Löscheinsatz steuerte der angetrunkene Angeklagte eines der Einsatzfahrzeuge. Nach der Festnahme des 18-Jährigen sprach der 33-Jährige mit den übrigen Mittätern deren Aussagen vor der Polizei ab, wie sie als Zeugen gestern angaben. Am kommenden Mittwoch wird nach den Plädoyers von Verteidigung und Staatsanwaltschaft das Urteil erwartet.