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Bürgerfernsehen Seit 20 Jahren Chancengeber

Vor 20 Jahren gründeten TV-Enthusiasten in Salzwedel den Offenen Kanal. Vor allem junge Menschen nutzen das Angebot.

Von Antonius Wollmann 11.10.2017, 13:24

Salzwedel l Wer sich zu diesem hämischen Kommentar hinreißen ließ, ist nicht überliefert. Es ist wohl zu vermuten, dass der Spötter für eine der etablierten Fersehanstalten arbeitete, als er über das in den 1990er-Jahren enstehende Bürgerfernsehen anmerkte, dass dort sowieso nur Urlaubsvideos ausgestrahlt werden.

Von derartigen Unkenrufen ließen sich einige Salzwedeler nicht beirren. Vor 20 Jahren traten sie an, um den Offenen Kanal Salzwedel ins Leben zu rufen. Am 6. Oktober 1997 war es nach einem vergeblichen Anlauf – ein Formfehler war Schuld – dann endlich so weit. In einer Salzwedeler Gaststätte gründete sich der Förderverein, damit in der Hansestadt Bürger für Bürger Fernsehen produzieren können. Bis der OKS dann auf Sendung ging, vergingen noch einige Monate, ehe es am 8. August 1998 endlich so weit war

Etwas kurios dabei: Eigentlich hätte die Mehrheit der Salzwedeler Medienmacher am liebsten einen lokalen Radiosender gegründet. Allein die Landesmedienanstalt verweigerte die Sendelizenz. Die gab es nur fürs Fernsehen, wie Elke Bukowski, Vorsitzende des Fördervereins, am vergangenen Freitag während der offiziellen Feierstunde im Hanseat berichtete.

Dem OKS-Team ging es dabei von der ersten Stunde darum, so viele Bürger wie möglich einzubeziehen. Und die ließen sich nicht lange bitten. „Das Interesse war von Beginn an groß. Die Leute haben uns die Türen eingerannt“, sagt Beate Wendt, Geschäftsführerin des OKS. Die Zahlen sprechen für sich. In den vergangenen 20 Jahren entstanden 7400 Beiträge von knapp 1000 Nutzern.

Dass so viele Menschen, das Angebot annahmen, lag vor allem daran, dass die Möglichkeiten, auf eigene Faust Fernsehen zu produzieren, vor der Gründung ziemlich begrenzt waren. „Vor dem OKS konnte Fernsehen in Salzwedel allenfalls konsumiert, aber nicht gestaltet werden“, vermutet Beate Wendt. Sie ist seit den Anfangstagen Mitarbeiterin und Teil des dreiköpfigen Teams, das sich hauptberuflich um den Kanal kümmert. Petra Holzfuß und Andreas Leitel komplettieren als Medienassistenten die Mannschaft.

Die drei verstehen sich dabei nicht zuletzt als Chancengeber. Vor allem Jugendliche sollen sich ausprobieren und ihre ersten Gehversuche mit dem Medium Fernsehen unternehmen. Fünf bis zehn Jugendliche sammeln pro Jahr sammeln etwa als Praktikanten ihre ersten Erfahrungen hinter dem Kamera und am Schnittplatz. Ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) kann beim OKS genauso absolviert werden wie der Bundesfreiwilligendienst. Aber auch darüber hinaus, sei jeder willkommen, um seine Projekte vorzustellen und umzusetzen.

„Ich denke, dass man bei uns sehr viel lernt. Es haben nicht wenige, die nun hauptberuflich beim Fernsehen arbeiten, bei uns angefangen“, erzählt Beate Wendt. Und präsentiert mit Ingmar Stadelmann gleich ein sehr prominentes Beispiel . Der Comedian war Ende der 90er-Jahre in der Tat ein intensiver Nutzer. Der OKS unterstützt außerdem jene tatkräftig, die an den verschiedenen Filmpreisen des Landes Sachsen-Anhalt teilnehmen. „Beim Jugendvideopreis waren in der Vergangenheit immer wieder Salzwedeler dabei“, berichtet Beate Wendt.

Darüber hinaus sucht der OKS engen Kontakt mit den Schulen des Landkreises. Neben der praktischen Ausbildung ist die Vermittlung von Medienkompetenz ein wichtiges Ziel des Bürgerfernsehens. Von der Grundschule bis zum Gymnasium berücksichtigt der OKS alle Schulformen. In dieser Woche ist zum Beispiel eine Klasse der Miester Sekundarschule zu Gast, um an einem Videoschnitt- Workshop teilzunehmen.

War der Offene Kanal in seinen Anfangstagen nur im Kabelnetz der Hansestatdt erreichbar, hat in der Zwischenzeit die Digitalisierung natürlich keinen Halt vor dem OKS gemacht. Per Live-Stream auf der Webseite kann weltweit auf das Programm zurückgegriffen werden. Der OKS sendet 24 Stunden. Das Programm besteht aus einem dreistündigen Block, der jeweils wiederholt wird. „Wir haben nicht die personellen und finanziellen Ressourcen, um einen ganzen Tag mit unseren Beiträgen zu füllen“, beschreibt Beate Wendt die Grenzen ihres Senders. Aber das sei auch gar nicht der Anspruch.

Hinsichtlich der Themen liegt der Fokus seit dem Beginn bei der Kultur. Die Lokalpolitik kommt ebenfalls nicht zu kurz, so wird beispielsweise jede Stadtratssitzung aufgenommen und ausgestrahlt.