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Diebstahl Ein Raub, der eigentlich gar keiner war

Eigentich sollte ein Diebstahl am Salzwedeler Amtsgericht verhandelt werden. Im Mittelpunkt stand aber eine komplizierte Paarbeziehung.

Von Annemarie Fehse 01.03.2017, 20:00

Salzwedel l Obdachlos sei er offiziell, sagte der Angeklagte am Dienstag im Salzwedeler Amtsgericht, weil er zwangsabgemeldet worden sei. Wie dann die Post zu ihm käme, wollte Richter Klaus Hüttermann wissen. „Gar nicht“, gab der Mann an. Oder seine Frau ließe ihm diese zukommen. So begann eine anfangs verwirrende Gerichtsverhandlung. Angeklagt war der Salzwedeler aufgrund folgenden Vergehens.

Am 26. Mai des vergangenen Jahres soll er in einem Salzwedeler Ortsteil, in dem er wohnhaft war, die Luft aus den Autoreifen des Mercedes seiner Ehefrau gelassen haben. Zuvor hatte er mit seinem Golf den Mercedes zugeparkt. Als die Fahrerin ihm zurief: „Lass das doch“, bemerkte er das halbgeöffnete Fahrerfenster, griff in das Auto, öffnete die Tür von innen und zog die Insassin hinaus. Danach griff er hinter den Sitz, schnappte sich die Handtasche und den Autoschlüssel und machte sich davon.

Abgestritten hat der Vater zweier erwachsener Kinder die Tat nicht. Dennoch wollte er dem Amtsrichter erklären, wie es zu dem Vorfall gekommen war. „Dafür muss ich aber weit ausholen“, kündigte er an. Alles habe begonnen, als seine Frau zusammen mit der Nachbarin eine Internetbekanntschaft machte und dieser Geld überweisen wollte, um einen Deutschlandbesuch zu ermöglichen. „5000 Euro waren das“, erzählte er.

„Die hat da mit irgendwelchen Männern geschrieben, da bin ich sauer geworden“, erklärte er. Um den Ehemann aus der „Schussbahn“ zu holen, habe seine Frau ihm einen zweiwöchigen Urlaub in Thailand spendiert. „Ich sollte wahrscheinlich wegfahren, damit sie sich in Ruhe um den Typen kümmern kann“, erklärte der Angeklagte weiter.

Nach einem Aufenthalt in einer Entzugsklinik kam der Mann wieder nach Hause und fand seine Frau sachenpackend vor. „Die wollte ausziehen.“ Er habe sich gewundert, warum so viele Mahnungen und Rechnungen offen waren. Auf Nachfrage beim Kreditinstitut habe er die Antwort bekommen, dass seine Gattin die Konten umschreiben lassen habe. „Das kann doch nicht angehen“, beklagte der Mann.

Dann unterbrach Klaus Hüttermann ihn: „Was ist denn nun passiert an diesem Tag im Mai?“ „Also, das war so, meine Frau wollte ja ausziehen und packte ihre Sachen zusammen mit der Nachbarin in das Auto“, führte er aus. Als er das gesehen hat, habe er seinen Golf vor den Mercedes gestellt, um zu verhindern, dass jemand davonfährt.

Die Nachbarin habe im Mercedes gesessen und sollte die Habseligkeiten der Ehefrau wegschaffen. „Zuerst bin ich zum Reifen gegangen, wollte die Luft ablassen. Das hat aber nicht geklappt“, gab der Angeklagte zu. „Dann hat die Nachbarin gerufen, ich solle das sein lassen.“ Daraufhin habe er den Spalt im Fenster bemerkt, habe hineingegriffen, die Tür aufgemacht, die Nachbarin hinausgezogen, sich die Handtasche gegriffen und sei fortgefahren.„Ich wollte doch nur Dokumente, also Beweise, dafür haben, was meine Frau mit den Konten macht – für meine Rechtsanwältin“, erklärte er weiter.

Weil sich das Ehepaar mittlerweile aber wieder zusammengerauft hat und der Angeklagte augenscheinlich doch nicht obdachlos ist, sondern wieder mit seiner Frau zusammen wohnt, fiel das Urteil milde aus. Am Ende war es noch eine einfache Nötigung und das Verfahren wurde eingestellt. Zur Erklärung sagte die Staatsanwältin, dass nicht davon auszugehen sei, dass der Angeklagte einen Raub zur Geldbeschaffung begangen hatte, sondern um sich Beweismittel zu sichern.