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Dieselgate Kunden zahlen die Zeche der Autoindustrie

Durch den Abgaskandal leidet das Image des Diesels auch in Salzwedel. Nun steht die Umweltprämie im Raum - aber wird sie auch gewollt?

Von Alexander Rekow 19.08.2017, 07:00

Salzwedel l „Dieselgate“, „Diesel-Affäre“ oder auch „Schummeldiesel“ – der Dieselmotor hat ein massives Imageproblem. Grund: die ausgestoßenen Stickoxide vieler Selbstzünder überschreiten den angegebenen Wert der Hersteller deutlich. Hinzu kommt die Veröffentlichung um Absprachen zwischen den Konzernen – Kartelabsprachen stehen im Raum.

Am 2. August haben sich daraufhin die Chefs der Automobilindustrie mit Vertretern der Politik, allen voran Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), zum „Diesel-Gipfel“ in der Hauptstadt getroffen. Schließlich drohen den Verbrauchern generelle Fahrverbote in Metropolen wie in Stuttgart. Die mögliche Aussperrung will die Autoin- dustrie tunlichst verhindern. Auch hängen unzählige Arbeitsplätze am Nabel der Pkw-Hersteller.

Am Ende des Gipfels einigten sich die Hersteller auf eine Software-Nachrüstung, womit man den Stickoxidausstoß um 25 bis 30 Prozent reduzieren möchte. Dies betrifft Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 5 und zum Teil Euro 6. Älteren Fahrzeuge mit den Euro-Klassen 1 bis 4 möchte man mit einer Prämie begegnen. Die Fahrer können mittels einer sogenannten „Umweltprämie“ einen neuen Diesel-Pkw kaufen.

Viele dürften sich hierbei an die „Abwrackprämie“ im Jahr 2009 erinnern. Doch nutzen die Salzwedeler dieses Angebot und kaufen sich einen neuen Diesel? Und welche Veränderungen stellen die Autoverkäufer fest? Die Volksstimme ging auf Stimmenfang, schließlich fahren 16.808 Autos mit Selbstzünder im Altmarkkreis Salzwedel.

Das die Menschen in und um Salzwedel über den Diesel diskutieren, stellt unter anderem Andreas Schulz-Lesse fest, Filialleiter beim BMW Autohaus in Brietz. Obwohl sich seine Kunden mit dem Thema beschäftigen, hat sich bei ihm noch niemand nach der Umweltprämie erkundigt. Auch ist die Nachfrage nach E-Autos dadurch nicht gestiegen. Dafür hat Schulz-Lesse einen plausiblen Grund: „Die Infrastruktur ist noch nicht da“. Damit meint der Filialleiter die Möglichkeit, das Fahrzeug auch mit der nötigen Energie zu versorgen.

Aktuell befinden sich in und um Salzwedel nur auf dem Gelände der Firma „Ero Edelstahl-Rohrtechnik“ in Dambeck eine Ladestation, die sich aber nach den Geschäftszeiten der Firma richtet. Ansonsten stehen noch an der Sparkasse in der Wallstraße, bei „SCM“ in Pretzier, auf dem Parkplatz der IHK bei der Alten Münze oder auch bei Avacon am Bahnhof Ladestationen.

Auch bemängelt der BMW-Filialleiter, dass man noch nicht genau wisse, woran man ist. Zudem gehe die Rechnung des Diesel-Gipfels in Berlin aus seiner Sicht nicht auf. Damit, so erklärt Schulz-Lesse, habe ein „BMW X6“ mit einem Sechszylinder Dieselmotor und 380 PS die Euroklasse 6 und könne in Stuttgart gefahren werden. Anders beim kleinen „BMW 116D“ mit einem Vierzylinder-Diesel. Dieser hat bei 115 PS die Emissionsklasse 5 und dürfte somit nicht in Stuttgart rein, rechnet er vor. Unterm Strich, so glaubt Andreas Schulz-Lesse, werde sich das Thema „im nächsten Jahr im Sand verlaufen.“ Trotz alledem wirbt der Hersteller aus Bayern mit einer Umweltprämie von 2000 Euro.

„PSA (Anm. Red.: Konzern Citroén/Peugeot/Opel/) hat dieses Problem nicht“, erklärt der Chef des Peugeot und Citroén-Autohauses in Salzwedel, Eik Selzer. Damit meint er, dass der PSA-Konzern nicht vom „Dieselgate“ betroffen sei. Vom Softwareupdate, wie es beim Gipfel beschlossen wurde, hält auch Selzer nichts. „Das Ergebnis ist ein Trugschluss“, sagt er. Das sich auch seine Kunden mit dem Diesel beschäftigen, kann der Inhaber bestätigen. „Sie fragen natürlich viel nach“, sagt Selzer, der eine Tendenz zum Abrücken vom Diesel in seinem Autohaus feststellen kann. Besonders quält Selzer die Frage, was mit den vielen Transportern im Handwerk sei. „Da gibt es doch nur Diesel – was sollen die denn bitteschön machen?“, ärgert er sich.

In ein anderes Horn bläst der Verkaufsleiter für Volkswagen, Peter König. Er ist unter anderem für das Autohaus in Salzwedel zuständig. „Das läuft recht gut an“, erklärt er auf die Frage, ob die Umweltprämie in seinem Zuständigkeitsbereich auf Akzeptanz stößt. Doch nicht nur das. Kurzentschlossene greifen bereits zu und nutzen die Umweltprämie von VW. Das kann aber auch daran liegen, dass Volkswagen mit einer Umweltprämie von bis zu 10.000 Euro um die Gunst der Verbraucher wirbt. Aber wie bei seinen Kollegen Andreas Schulz-Lesse und Eik Selzer, stellt auch Peter König einen gesteigerten Informationsbedarf unter seinen Kunden fest.

„Der einst gut angesehene Diesel ist in ein schlechtes Licht gerückt“, befindet der Nachwuchsverkäufer bei Opel in der Arendseer Straße, Matthias Schulz. Dadurch herrsche auch unter seinen Kunden eine enorme Skepsis, gerade bei Neuwagen. So informieren sich die Kunden bei Schulz, wann, wo und wie sie sich am Besten von ihrem Selbstzünder trennen können. „Die Kunden bezahlen die Zeche für die Fehler der Autoindustrie“, bemängelt der junge Verkäufer. Während sich bei seinem Kollegen von BMW noch keiner für die Umweltprämie der Bayern interessiert, ist die Nachfrage für eine Prämie bei den Rüsselsheimern vorhanden. „Es gibt eine hohe Nachfrage“, erklärt Schulz, dessen Kunden eine Umweltprämie von bis zu 7000 Euro winkt. Trotzdem: „Die Nachfrage nach Dieselmotoren sinkt, während die nach Benzinern deutlich steigt“, stellt der Nachwuchsverkäufer fest.

Verhalten beim Thema Umweltprämie reagiert Mercedes. Mitarbeiter aus Salzwedel durften sich nicht äußern und verwiesen an Chef Thomas Dannacker in Niedersachsen. Der wiederum verwies an die Pressestelle in Stuttgart – die schließlich wiederum an die Pressestelle der Hauptstadt verwies. Auf die Frage, ob denn nun die Salzwedeler die Umweltprämie bei Daimler wahrnehmen, hieß es lediglich aus Berlin: „Wir äußern uns nicht zu regionalen Absätzen“, vom Pressesprecher für Vertrieb, Andreas Göllner. Fest aber steht: Mit einer Prämie von 2000 Euro versuchen auch die Schwaben neue Diesel an den Kunden zu bekommen.

Wesentlich kritischer betrachtet die stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe in Berlin, Barbara Metz, die Prämie der Hersteller. Sie hält den Ansatz einer Umweltprämie als Kaufanreiz für neue Diesel grundsätzlich für falsch. „Das suggeriert den Verbrauchern, dass die Prämie einen Nutzen hat“, erklärt sie – was aber aus ihrer Sicht nicht der Fall sei. So haben manche Fahrzeuge, wie es bereits Andreas Schulz-Lesse von BMW an einem Beispiel erklärte, der Euroklasse 4, einen geringeren Ausstoß von Stickoxiden als Fahrzeuge der Klasse 6. Eine Verbesserung der Luft werde aus Metz Sicht nicht kommen. Im Gegenteil: „Fahrverbote wie in Stuttgart sind auch in den Metropolen um die Altmark – wie Hamburg, Magdeburg oder Wolfsburg – möglich“, erklärt sie. Denn: Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits neben Stuttgart Klagen für weitere 15 Städte eingereicht, bei denen die Grenzwerte überschritten wurden.