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Ehrenamt Feuerwehr oder Arbeit?

Könnten Arbeitgeber die Feuerwehrleute ausbremsen? Salzwedels Stadtwehrleiter spricht über das Für und Wider bei manchen Einsätzen.

Von Alexander Rekow 21.11.2020, 00:01

Salzwedel l Wanzlebens Bürgermeister Thomas Kluge hat die Nase voll. Wiederholt wurden Kameraden der freiwilligen Feuerwehr zum Einsatz für die Tragehilfe gerufen, um eine Person für einen planmäßigen Reha-Transport aus dessen Wohnung zu holen. Das 22. Mal im Jahr 2020 in seinem Gebiet. Daher wandte sich Kluge in einem Brandbrief im Oktober an den Landrat der Börde und informierte ihn über ein Alarmierungsverbot für die freiwilligen Wehren, wenn es um das Thema Tragehilfe geht. „Das betrifft aus meiner Sicht Alarmierungen für Krankentransportfahrzeuge oder Rücktransporte ins Haus“, so Wanzlebens Oberhaupt. Ausgenommen davon seien Notfälle, welche im Rahmen lebensrettender Maßnahmen nötig sind. Aus seiner Sicht würde das Ehrenamt Feuerwehr für Aufgaben benutzt, die nicht zu den Tätigkeiten nach dem Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz Sachsen-Anhalt gehören.

Und solche Einsätze sind auch den ehrenamtlichen Kameraden in Salzwedel nicht fremd. „Wir haben jedes Jahr etwa 25 Einsätze mit Tragehilfen“, sagt Salzwedels Stadtwehrleiter, Holger Schmidt. „In der Regel geht es dabei um stark übergewichtige Menschen.“ Diese hätten bis zu 180 Kilogramm auf den Rippen. Dann seien Kraft und Technik gefragt. „Das kann der Rettungsdienst nicht vorhalten“, so Schmidt. Dann werde die Feuerwehr dazu gerufen. Schließlich unterstütze man sich in der sogenannten „Blaulichtfraktion“. „Da müssen dann die großen Männer von uns ran und entsprechende Technik.“ Für den Transport wiederum komme ein Spezial-Rettungswagen aus Stendal zum Einsatz, der die entsprechenden Kilogramm auch transportieren darf.

Das Grundproblem sei, dass es keine Regelungen für Fälle abseits der Brandbekämpfung gebe. „Tragehilfen, Ölspuren beseitigen, Türöffnungen: Wenn die Kameraden zu oft im Einsatz sind, melden die Arbeitgeber irgendwann ihre Bedenken an“, wird der Stadtwehrleiter deutlich und ist damit nah beim Wanzlebener Bürgermeister. Denn beide sorgen sich darum, dass die Chefs ihre Mitarbeiter irgendwann nicht mehr für Einsätze freistellen. Denn die Frage komme hin und wieder auf: Was ist wichtiger, Feuerwehr oder Arbeit? Und das sei in jedem Fall zu verhindern, so Thomas Kluge. Der nächste Orkan, das nächste Hochwasser kommt bestimmt und dann werden die Kameraden dringend gebraucht. Ausfälle, weil der Chef es nicht mehr mitmacht, kann da keiner gebrauchen.

75 Mal sei die Tragehilfe in den vergangenen drei Jahren zum Einsatz gekommen, listet Salzwedels Stadtsprecher Andreas Köhler auf: „Der Einsatz der Tragehilfe wird unter ‚Hilfeleistung hilflose Person in Wohnung‘ aufgenommen.“ Dabei werde nicht unterschieden, ob es sich um eine stark übergewichtige Person handele oder jemand anderes. „Für derartige Fälle ist die freiwillige Feuerwehr zuständig“, heißt es weiter aus dem Salzwedeler Rathaus. Die Aufgabengebiete würden bei der Gefahrenabwehr und Notfallrettung liegen. Und sollte ein Patiententransport notwendig sein, würde dies in der Regel vom Patienten, Arzt oder Krankenkasse übernommen.

Dass dies offensichtlich nicht immer der Fall ist, zeigt das Beispiel aus Wanzleben. „Es gibt keine gesetzlichen Regelungen dazu“, klagt indes Salzwedels Stadtwehrleiter. Vielmehr sollten aus seiner Sicht die Krankenkassen an Tragehilfen-Einsätzen beteiligt werden. Doch unterm Strich werde diese Arbeit auf die Kameraden heruntergebrochen. „Es ist immer der Letzte in der Reihenfolge, sprich das Ehrenamt, dass das ausbaden muss.“ Das Thema sei schon viele Jahre bekannt und es sei auch viel diskutiert worden – doch geändert habe sich nichts. Stattdessen würden sich die ehrenamtlichen Brandbekämpfer nicht selten vor ihrem Arbeitgeber verantworten müssen.

Aber, und das ist Holger Schmidt wichtig zu betonen: Die Salzwedeler Feuerwehr erledige die ihnen gestellten Aufgaben stets ohne zu murren. Auch und gerade, um die Rettungsdienste zu unterstützen. Dadurch komme es aber auch vor, dass die Ehrenamtlichen um 5 Uhr zum Einsatz gerufen werden und um 6 Uhr an ihrem eigentlichen Arbeitsplatz erscheinen müssen.

Es sind auch nicht nur die Einsätze mit Tragehilfen, die manche Fragen aufwerfen. Auch beim Thema Türöffnung scheint nicht alles klar. Denn eigentlich wäre dies eine Aufgabe eines Schlüsseldienstes, so Holger Schmidt. Doch auch diese Aufgabe werde an die Feuerwehr übertragen. „Wir sind halt in zwölf Minuten vor Ort – schneller als jeder Schlüsseldienst.“ Doch spätestens dann, wenn die Feuerwehr die Tür aufbrechen müsse, weil moderne Schließtechnik das Öffnen verhindere, würden Fragen nach der Verhältnismäßigkeit aufkommen. Hätte nicht vielleicht die Fensterscheibe eingeworfen werden können? Am Ende aber müsse sich der Einsatzleiter verantworten.

Das alles vor dem Hintergrund, dass die Brandbekämpfer bei vielen Einsätzen ihr Leben riskieren, erinnert Salzwedels Stadtwehrleiter. Denn während andere, die ihr Leben im Beruf aufs Spiel setzen, dafür bezahlt werden, machen das die Feuerwehrmänner und -frauen täglich ehrenamtlich.