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EinzelhandelDienst nach Vorschrift reicht nicht

Es sind nicht die besten Zeiten für den Einzelhandel in Salzwedel. Geschäfte schließen, neue werden kaum eröffnet.

Von Antonius Wollmann 22.06.2018, 20:00

Salzwedel l Es ist nicht so, dass sich Nancy Sohn bereits große Sorgen macht. Etwas nachdenklich stimmt es die Inhaberin eines Nähgeschäftes dennoch, dass bei ihr die Auftragslage so dürftig ist wie noch nie. Vor vier Jahren hatte sie sich mit ihrem kleinen Laden für kreative Kindermode und Accessoires aller Art selbstständig gemacht. In diesem Jahr spürt sie zum ersten Mal eine Flaute. Und die passt ins Bild. Im ersten Halbjahr 2018 ist die Zahl der Gewerbetreibenden in der Hansestadt um 17 gesunken. Um den Salzwedeler Einzelhandel steht es offenbar nicht gut. Doch woran liegt das? Und welche Maßnahmen könnten eine Trendwende einleiten?

„Zuerst dachte ich, dass es am Wetter liegt. Es war ein langer Winter, dann sind meine Produkte nicht so gefragt“, liefert die junge Frau eine mögliche Erklärung für das Ausbleiben der Kunden. Eventuell schreckten auch die Parkgebühren in der Innenstadt Kundschaft aus der Umgebung ab.

Den Standort ihres Geschäftes – es ist am Rande der Innenstadt am Nicolaiplatz beheimatet – sieht sie generell jedoch nicht als Nachteil an. Ein Umzug in die Fußgängerzone in der Burgstraße kommt für sie nicht in Frage. „Sehr viel Laufkundschaft ist in der Burgstraße gar nicht unterwegs. Der Großteil der Menschen dort befindet sich auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg“, berichtet die Jungunternehmerin.

Um neue Kunden zu gewinnen, sei sie vor allem im Internet aktiv. Auf den sozialen Netzwerken Instagram und Facebook versucht sie, auf sich aufmerksam zu machen. Einen Onlineshop hat sie dennoch nicht und möchte sie auch nicht einrichten: „Das erachte ich für mich nicht als sinnvoll.“

Damit Menschen in ihren Laden kommen, bietet sie darüber hinaus einen Kartenvorkauf für regionale Festivals. Dort war sie auch schon mit Verkaufsständen vertreten. Doch wäge sie stets ab, ob sich das wirklich lohnt. „Verkaufe ich dort an einem Stand, muss ich vorher einmalige Reisegehmigung bei der Stadtverwaltung beantragen. Die kostet 37 Euro. Ob ich diese Summe dann auch wieder einspiele, ist nicht garantiert.“ Die Bürokratie ist in diesem Falle offensichtlich ein Hemmschuh.

Allerdings lobt Nancy Sohn, dass sich Salzwedeler Einzelhändler im vergangenen Jahr auf dem Weihnachtsmarkt präsentieren konnten. Auch beim Schaufensterwettbewerb habe sie gerne mitgemacht.

Etwa zwei Gehminuten vom Nähgeschäft am Nicolaiplatz entfernt betreibt Rainer Neitzel seit mehr als zehn Jahren seinen Buchladen. Über die Geschäfte möchte er sich nicht beklagen. „Ich merke immer noch, dass im vergangenen Jahr ein anderer Buchladen in der Neuperverstraße geschlossen hat“, nennt er einen der Gründe, dass es bei ihm persönlich ganz gut läuft. Ein Selbstläufer sei es aber beileibe nicht. Nur aufs Kerngeschäft zu achten, reiche nicht aus.

So wie Nancy Sohn auf den Ticketverkauf setzt, ist bei Rainer Neitzel mittlerweile ein Service-Punkt eines Paketzustellers beheimatet. Der Hintergedanke ist derselbe: Menschen in die Innenstadt und den Laden locken. Ansonsten seien die Tugenden des Einzelhandels gefragt, nämlich guten Service bieten. Etwa bei der Beratung oder bei der Dekoration von Geschenken. Ganz auf seinen Standort in der Salzwedeler Innenstadt möchte sich der Buchhändler dennoch nicht verlassen. Mit Ständen ist er oft bei Großereignissen in der Region vertreten. Am vergangenen Wochenende bei der Tier-und Gewerbeschau in Kakerbeck zum Beispiel.

Doch gäbe es nicht noch mehr Möglichkeiten, um den Einzelhandel in der Hansestadt zu stärken? „Der gemeinsame Einkaufsgutschein wäre sicherlich wünschenswert“, denkt Rainer Neitzel an ein Projekt der Salzwedeler Werbegemeinschaft, das im September nach einer langen Phase der Planung endlich realisiert werden soll. Ein gemeinsamer Onlineshop aller Salzwedeler Kaufleute überzeugt ihn hingegen nicht. Zu aufwendig sei dieser aus seiner Sicht für viele Händler.