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Eisenbahn Salzwedeler ist seit 40 Jahren Lokführer

Ob mit Dampf, Diesel oder Strom betrieben - Uwe Kühn ist sie alle gefahren. Seit 1977 arbeitet der Salzwedeler als Lokführer.

Von Alexander Rekow 24.09.2017, 01:01

Salzwedel l Ruhigen Schrittes kommt Uwe Kühn (59) im Salzwedeler Bahnhof am Gleis zwei die Treppe hoch. Ein Blick auf die Uhr: „Wir können uns noch unterhalten, Abfahrt ist erst 12.50 Uhr“, erklärt der Lokführer. Denn dann wird er einen Regionalzug aus der Baumkuchenstadt in die Landeshauptstadt Magdeburg steuern. Er wirkt tiefenentspannt. Kein Wunder, der Salzwedeler arbeitet seit nunmehr 40 Jahren auf dem Führerstand diverser Lokomotiven – auch wenn sein persönlicher Fahrplan eigentlich ein anderer gewesen ist.

„Ich wollte eigentlich immer zur Handelsmarine“, erinnert sich Uwe Kühn noch gut. Doch es sollte ganz anders für den Hansestädter kommen. Denn statt Schiffe über das Wasser zu manövrieren, entschied sich Kühn für eine Laufbahn bei der Eisenbahn. „Da gab es seinerzeit einen Mangel“, weiß er noch. Gemeint ist der Bereich der Fahrzeugschlosser. Und so kam es, wie es kommen sollte, mit 17 Jahren begann er in Stendal die Ausbildung und ließ sich anschließend über eine Weiterbildung in Blankenburg zum Lokführer ausbilden. Seit 1977 ist sein Arbeitsplatz der Führerstand, der Traum vieler Kinder. Erster Einsatz: eine Rangierlok am ehemaligen Chemiewerk steuern – sein Startschuss als Eisenbahner.

Besagter Startschuss liegt nun 40 Jahre zurück – passiert ist in der Zeit viel. Mit etwas Wehmut blickt Uwe Kühn auf längst vergangene Tage auf den Schienen zurück. Denn während er heute elektrisch betriebene Zugmaschinen und Steuerwagen über das Schienennetz treibt, kennt er auch die Zeit, in der Kohle und Ruß allgegenwärtig gewesen sind.

„Ich bin noch planmäßig Dampflok gefahren“, schwärmt der Lokführer, mit einem immer wiederkehrenden Kon-trollblick auf seine Armbanduhr – das gehört wohl zum Berufsbild. Sowohl auf der 50er, als auch auf der 52er-Baureihe dampfte Kühn durch die Altmark. Auch durch Salzwedels Kernstadt. „Da musste der Mensch noch die Mechanik bedienen – die Dampfloks lebten und arbeiteten“, weiß er noch genau. Dann überlegt der Eisenbahner einen Moment. „Ich glaube, ich war sogar der Letzte auf der Strecke Wittenberge“, erzählt er mit einem Lächeln. Denn nicht nur die alten Dampfrösser sind ihm in Erinnerung geblieben, auch die zahlreichen Strecken.

„Wir waren Mal die nebenstreckenreichste Ecke“, erklärt Kühn. Und so ist es auch wenig verwunderlich, dass dem Lokführer manche Strecken fehlen. „Ich hätte die Strecke nach Arendsee gelassen“, sagt Kühn, der auch Nahgüterzüge gesteuert hat. Auch und gerade die Strecke Salzwedel/Diesdorf ist ihm im Gedächtnis geblieben – „sie ist herrlich gelegen“, schwärmt er von der idyllischen Landschaft.

Doch die damalige Zeit ist für Uwe Kühn nicht nur Eisenbahnromatik. „Ich möchte heute nicht mehr bei über 30 Grad ohne Klimaanlage und nur mit ‚Luftumwälzer‘ arbeiten“, sagt der Lokführer. Mit „Luftumwäzer“ meint Kühn die kleinen Ventilatoren im Führerhaus. Diese waren auch häufig in der von Uwe Kühn gesteuerten rumänischen Baureihe 119 zu finden, umgangssprachlich wegen der runden Maschinenraumfenster auch „U-Boot“ genannt. Eine mit Diesel betriebene Lok.

Dann blickt Uwe Kühn abermals auf die Uhr und schaut sich um. Ein Zug nähert sich auf Gleis zwei dem Salzwedeler Bahnhof. „Dann los“, sagt Kühn und geht stramm zum Führerhaus. Nach einem kurzen Wortwechsel mit dem Kollegen sitzt Uwe Kühn an seinem Arbeitsplatz – schreibt, drückt Knöpfe und legt Schalter um. Fortan führt ihn sein Weg durch Teile der Altmark und die Börde bis hin nach Magdeburg – mit zahlreichen Stopps an kleinen Bahnhöfen.

Auch wenn die Strecke nach Magdeburg die Haus- und Hofstrecke für den Salzwedeler ist, hat er sich auch für diese Qualifizieren müssen. „Für jede Strecke brauchst du eine Streckenkenntnis“, erklärt Kühn, während er immer wieder den „Sicherheitsfernschalter“ bedient. Diesen muss der Eisenbahner alle 30 Sekunden lösen. „Das ist ein Zeichen, dass ich nicht eingeschlafen bin“. Ebenso häufig weist er auf Signale hin – wovon es viele gibt. Signale für Geschwindigkeit, Signale zum Bremsen, Signale für dieses und Signale für jenes. „Die müssen bestätigt werden“, sagt der Bahner gelassen. „Damit tun sich die jungen Kollegen anfangs schwer“, weiß er aus Erfahrung.

Während Kühn nach vielen kleinen Bahnhöfen Stendal erreicht und zwölf Minuten durchatmen kann, macht er sich um die angehenden Lokführer Gedanken. „Wenn man den Beruf macht, muss man morgens um 2 Uhr aufstehen und unregelmäßige Schichten fahren“, gibt er zu bedenken. Denn schließlich muss die Familie das mittragen. Uwe Kühn weiß wovon er spricht, schließlich ist er verheiratet und Vater von drei Kindern. Wieder ein Blick auf die Uhr: „Wir haben auch Lenk- und Ruhezeiten, sagt er grinsend und nimmt wieder Fahrt auf.

Auf seine täglichen acht bis zwölf Stunden Arbeitszeit schaut Uwe Kühn gelassen. „Für mich neigt sich die Fahrt nach unten“, sagt er mit Blick auf das baldige Rentenalter – „aber darauf hinarbeiten, dass tue ich nicht“. Angesprochen auf Wünsche reagiert der Eisenbahner bescheiden mit einem Schulterzucken. Nach kurzem Überlegen erklärt Uwe Kühn: „Das Beste ist der Heimatbahnhof!“ Da der Eisenbahner in Salzwedel wohnt und startet, kann er mit seinem Fahrrad zur Arbeit fahren. „Das ist ein echtes Privileg!“, gibt er zu.

Während sich der Lokführer langsam Magdeburg nähert, schwelgt er noch einmal in Erinnerungen. Gerade die brachliegenden Bahnhöfe geben ihm zu denken. „Der Zerfall ärgert uns Eisenbahner, da geht immer Kultur mit verloren“. Früher kehrte Uwe Kühn noch in viele der kleinen Bahnhöfe ein. Heute sind sie nur noch marode und stumme Zeugen der Eisenbahngeschichte.

Magdeburg ist bereits in Sichtweite – wie viele Signale auf der Strecke auch. „Du hast mehr Respekt vor den Signalen als vor deiner Frau“, scherzt Uwe Kühn zum Ende und steuert seinen Zug pünktlich in den Hauptbahnhof der Landeshauptstadt.