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Endlager Waddekather wollen kein „Atomklo“

In Waddekath formiert sich der Widerstand gegen ein Atommüll-Endlager im dortigen Salzstock.

Von Antje Mewes 13.10.2020, 01:01

Waddekath l Sie wollen nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen“, wie es der Waddekather Uwe Körner formuliert. Aber sie wollen dran bleiben, ihre Zweifel und ihre Skepsis äußern, ob bei der Auswahl eines geeigneten Standortes für ein Atommüll-Endlager, wirklich alles rein wissenschaftlich zugeht und nicht etwa eine politische Entscheidung zu dem leidigen Thema getroffen wird. „Wir müssten schließlich damit leben, darum muss sich die Jugend vorspannen“, sagt 24-jährige Lukas Nieber. Er und sein Freund Sebastian Adam (21) haben schon einmal gut sichtbar ein Schild mit der Aufschrift „Waddekath – Atomklo der Nation“ aufgestellt. Damit wollen sie zunächst die Leute aus der Gegend darauf aufmerksam machen, „dass es ernst wird.“

Es gehe um die Zukunft der Region. Wer würde schon in der Nähe eines Endlagers leben wollen, fragen sich die jungen Leute und befürchten, dass es bei einer Entscheidung für Waddekath sehr düster für das Dorf, die umliegenden Orte und letztendlich wahrscheinlich für den ganzen Landkreis aussehen würde.

Die Auswahl solle in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren erfolgen, hatte eine Sprecherin der 2016 gegründeten Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) auf Volksstimme-Anfrage vor einiger Zeit erklärt. Genau das bezweifeln die Waddekather und sehen sich bereits jetzt außen vor gelassen. Um herauszufinden, dass halb Deutschland als Endlager-Standort geeignet sei, hätte es nicht mehrere Jahre gebraucht, schätzt die Waddekatherin und Gemeinderätin Doris Nieber ein. Sie sieht darin eher eine Hinhalte-Taktik, um die Leute vor Ort in Sicherheit zu wiegen.

Das Vertrauen in die Politik sei verloren. Rings um Waddekath seien bereits Bohrungen erfolgt. Der Steinsalzstock sei schon Anfang der 90er Jahre als geeignet eingestuft worden. Die Gegend sei dünn besiedelt und damit wenig Widerstand zu erwarten. Dass dies nicht der Fall ist wollen die Waddekather beweisen. Nicht indem sie zu sehr auf den „Busch klopfen“ – „Wir wollen hier keine Hobby- oder Krawalldemonstranten“, betont Uwe Körner. Vielmehr gehe darum, dran zu bleiben, die Aussagen zum Endlager-Standort zu sondieren und zu sortieren, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Es gebe zwar noch keine offizielle Reihenfolge, aber er habe gehört, dass Waddekath ziemlich weit „nach vorn gerutscht“ ist. „Es schwelt im Ort“, sagt Uwe Körner.

Auch Diesdorfs Bürgermeister Fritz Kloß ist besorgt. Die bekannt gewordenen Äußerungen des „Nationalen Begleitgremiums“ zur Endlagersuche empfindet er als „ziemlich schwammig.“ Auch er kann sich vorstellen, dass die geringe Besiedlung ein Auswahlkriterium werden könnte und nicht nur die rein geologische Betrachtung. „Wir müssen das Ganze wachsam verfolgen“, erklärt er. Eins stehe fest, die Menschen im Flecken würden es nicht klaglos hinnehmen, wenn hinter ihrem Rücken agiert wird. Wichtig sei, die Stimme rechtzeitig zu erheben.

Mit Solidarität können die Waddekather aus dem Wendland rechnen, wie Wolfgang Ehmke, Sprecher Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg versichert. Das müsse allerdings von den Initiatoren gewünscht sein. Die BI, die 43 Jahre gegen ein Endlager in Gorleben gekämpft hat, würde sich gern mit ihrer Expertise zu Salzstöcken einbringen. „Wir haben in den vier Jahrzehnten viel Solidarität erfahren und werden jetzt auch für andere da sein“, betont Ehmke.

Die Mitglieder der BI könnten auch ihre Erfahrung beim Interpretieren der Berichte der BGE und anderer offizieller Stellen einbringen. Was sie schon jetzt als fragwürdig ansehen: Eine Gleichbehandlung von Ton, Kristallin und Salzgestein sei nicht erkennbar, wenn von 90 Teilgebieten allein 74 auf Salz entfielen.

Die BI-Aktivisten könnten sich jetzt nicht zurücklehnen, nur weil der Gorlebener Salzstock als Standort raus sei. „Wir haben hier noch die Atomanlagen“, macht er deutlich. Im Zwischenlager stehen unter anderem mehr als 100 Castorbehälter. Mit dieser radioaktiven Nachbarschaft müssten die Bewohner der Region noch über Jahrzehnte leben.