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Fahrerflucht Rentnerin in Salzwedel vor Gericht

Eine 73-Jährige aus dem Altmarkkreis Salzwedel hat sich wegen Fahrerflucht veranworten müssen. Sie will keinen Unfall bemerkt haben.

Von Alexander Rekow 19.11.2017, 08:00

Salzwedel l Ohne Verteidiger nahm eine zierliche 73-jährige Westaltmärkerin auf der Anklagebank des Amtsgericht Salzwedel Platz. Die Anklageschrift von Amtsanwältin Andrea Krüger schien eingangs nicht so richtig zu der Rentnerin zu passen, schließlich ist die Frau strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten. Am 19. Juni hingegen schon.

Wie Amtsrichterin Krüger verlas, soll die 73-Jährige mit einer befreundeten 77-Jährigen durch Salzwedels Südbockhorn gefahren sein und mit ihrem rechten Außenspiegel gegen die geöffnete Tür eines abgestellten Autos gefahren sein. Im Anschluss soll sie weder angehalten noch gebremst haben. Stattdessen soll sie weitergefahren sein.

„Mir ist nicht bewusst, jemandem Schaden zugefügt zu haben – auch nicht am 19. Juni“, sagte die 73-Jährige. Um der Rentnerin den Sachverhalt zu verdeutlichen, rief Richter Klaus Hüttermann die Westaltmärkerin zu sich an den Tisch, zeigte ihr die Fotos der Polizei. „Die hintere Tür des Fahrzeuges stand offen – Fahrerseite zur Straße geöffnet“, erklärte Klaus Hüttermann. Belastend kam hinzu: Der rechte Außenspiegel der Seniorin hing runter, das Glas zerbrochen.

„Das hat so laut geknallt, dass der Fahrer hinter Ihnen den Knall hörte“, sagte der Richter, und wollte wissen, ob die Seniorin ein Hörgerät nutzt oder Medikamente einnimmt, die ihre Fahrtauglichkeit beeinflussen. Beides verneinte sie. „Entweder Sie sind schwerhörig oder wollten es nicht sehen“, warf der Richter ihr vor. Für Klaus Hüttermann stand fest: „Wenn sich rausstellt, dass die Zeugen recht haben, haben Sie gelogen!“

„Wenn Sie diesen Anstoß nicht gemerkt haben, sind Sie nicht mehr geeignet, ein Kraftfahrzeug im Verkehr zu führen“, wurde Amtsanwältin Krüger deutlich. Zudem hätte ihr auch auffallen müssen, dass sie den rechten Spiegel nicht benutzen konnte. „So oft braucht man den rechten Spiegel ja nicht“, entgegnete die 73-Jährige. Daher sei es ihr erst außerhalb von Salzwedel aufgefallen. „Die offene Tür war von weiten zu sehen“, erklärte ein 25-jähriger Kurierfahrer, der zur Tatzeit hinter der Seniorin fuhr und den Knall durch sein geschlossenes Fenster hörte. „Sie ist einfach weitergefahren“, erinnerte er sich. Geistesgegenwärtig folgte der 25-Jährige der Seniorin und notierte das Kennzeichen. Um mehr Klarheit zu bekommen, lud Richter Klaus Hüttermann auch die 77-jährige Beifahrerin als Zeugin. Doch die betagte Rentnerin konnte den Richter bei der Feststellung ihrer persönlichen Daten nicht verstehen, reagierte zögerlich bis gar nicht. „Ich breche das ab“, sagte Richter Klaus Hüttermann, „Sie verstehen nicht, was wir sagen.“ Das wollte die 77-Jährige nicht gelten lassen, schließlich höre sie zwar schlecht, könne aber sprechen. Um den Abbruch der Befragung kam sie aber nicht herum. „Das reicht nicht, wir müssen uns ja auch unterhalten“, hielt Richter Hüttermann entgegen und entließ die 77-Jährige aus dem Zeugenstand.

„Ich habe mein Auto entladen, dann hat es geknallt“, erinnerte sich die 37-Jährige Besitzerin des beschädigten Autos. Sie stand zwischen der Tür und dem Auto, wollte gerade ihren Einkauf eintüten. „Da kann man froh sein, dass Sie nicht verletzt wurden“, raunte Amtsrichterin Krüger, die der 73-Jährigen aus eigener Erfahrung nicht glauben konnte. Daher forderte die Amtsrichterin eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 60 Euro und den Entzug der Fahrerlaubnis mit einer achtmonatigen Sperre für eine Neuerteilung. „Sie sind eine ungewöhnliche Angeklagte – kultiviert, gebildet und ehrenhaft“, erklärte Richter Hütter, „doch ich bin überzeugt, dass Sie gelogen haben.“ Daher folgte er den Forderungen der Amtsanwältin. „Ich bin gezwungen, Ihnen den Führerschein zu entziehen, da Unfallflucht zeigt, dass Sie derzeit nichts im Straßenverkehr zu suchen haben.“