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Flüchtlinge Perspektive und Abschied

Integration, Hilfe, Abschiebung: Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht besuchte die Gemeinschaftsunterkunft des Altmarkkreises.

Von Uta Elste 17.08.2017, 15:38

Salzwedel l Knapp zwei Wochen nach seinem Besuch in der westlichen Altmark war Holger Stahlknecht (CDU) erneut in der Region unterwegs. Eine Station auf seinem dicht gedrängten Besuchsprogramm war die im ehemaligen Salzwedeler Kollwitz-Gymnasium eingerichtete Gemeinschaftsunterkunft. Derzeit ist die Unterkunft offiziell Adresse von 164 Menschen aus 19 Ländern. Die meisten von ihnen kommen aus Syrien und Afghanistan, aber auch aus der Russischen Förderation, der Türkei oder Mali. „Hier leben 19 Familien, 25 Kinder, 3 alleinreisende Frauen und 90 alleinreisende Männer“, zählte Sozialpädagogin Nadine Steinert auf.

Ordnungsdezernent Hans Thiele zeigte dem Besucher aus der Landeshauptstadt zunächst die Räumlichkeiten und erläuterte Regeln, die einen reibungslosen Alltagsbetrieb gewährleisten sollen.

Nach der Besichtigung des Hauses stand für den Minister die Begegnung mit Flüchtlingen und ehrenamtlichen Helfern auf dem Programm. Mohamad Amin Omar Alothman und Ahmad Dibeh etwa kommen beide aus Syrien und haben inzwischen jeweils einen anerkannten Status.

Nunmehr sind die beiden jungen Männer auf Arbeitssuche. Mohamad Amin berichtete von seinem Wunsch, eine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann zu absolvieren. Für das aktuelle Ausbildungsjahr habe es aber noch nicht geklappt. Stahlknecht erkundigte sich ebenso wie Sozialdezernent Eckhard Gnodtke nach den Ursachen und empfahl dem jungen Syrer, sich für dieses Jahr noch um eine Ausbildung zu bemühen.

Ahmad Dibeh berichtete, das er in Syrien Jura studiert habe. „Das können Sie doch hier auch“, entgegnete der Jurist Stahlknecht, fügte aber hinzu, dass dazu ein bestandener C1-Sprachkurs, der ein sehr fortgeschrittenes Sprachniveau bescheinige, erforderlich sei.

Gegensätzliche Ansichten zum Asylrecht prallten dagegen im Gespräch mit Waltraud Grabowski aufeinander. Die 80-Jährige berichtete von zwei Roma-Familien, denen die Abschiebung droht. In beiden Familien leben jeweils mehrere kleine, teils noch nicht schulpflichtige Kinder. Eine Familie kommt aus Serbien, die Ehepartner der anderen Familie kommen aus dem Kosovo und aus Bosnien. Waltraud Grabowski bat Stahlknecht, den Druck von den Menschen zu nehmen, ihnen so lange eine Bleibemöglichkeit einzuräumen, bis die Kinder größer seien. Es gebe in ihren Herkunftsländern für sie keine Perspektive, mahnte sie eindringlich. Es stünde der CDU sehr gut zu Gesicht, wenn sie sich auf das C im Namen ihrer Partei besinne, fügte Waltraud Grabowski hinzu. Auch Jürgen Tobel, der sich in der Salzwedeler Katharinen-Gemeinde um geflüchtete Menschen kümmert, gab zu bedenken, dass Serbien für Roma kein sicheres Land sei.

Auf rein emotionaler Ebene habe er durchaus Verständnis für das Anliegen, entgegnete Stahlknecht. Aber es gehe um vereinbartes Recht. Wer aus einem sicheren Herkunftsland komme oder für wen keine Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention möglich sei, könne kein Asyl erhalten. Vielmehr müssten die Menschen Deutschland freiwillig wieder verlassen. „Abschiebung ist immer die Ultima Ratio“, betonte der Minister. Zumal es immer noch die Härtefall-Regelung gebe. Doch das Recht dürfe nicht gedehnt werden, der Staat müsse berechenbar bleiben.

Waltraud Grabowski wies Stahlknecht darauf hin, dass die englische Übersetzung des Wortes Abschiebung „deportation“ sei. Der Minister jedoch verwahrte sich dagegen, Parallelen zwischen Abschiebungen und Deportationen im Nationalsozialismus zu ziehen.