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Flüchtlinge Salzwedeler Tafel bleibt multikulturell

Menschen mit Migrationshintergrund von der Verteilung auszuschließen, kommt für die Salzwedeler Tafel nicht infrage.

Von Antonius Wollmann 28.02.2018, 20:00

Salzwedel l Helmut Harzer sitzt am Dienstagvormittag entspannt in seinem Büro in der Ausgabestelle der Salzwedeler Tafel in der Schillerstraße. Telefonisch regelt der Mitarbeiter des Tafel-Vereins die Abholung von Lebensmitteln, Stress kommt dabei nicht auf. Dass der gemeinnützige Verein seit der Entscheidung des Essener Tafel-Chefs Jörg Sartor, bis auf Weiteres keine Bedarfsscheine mehr an Ausländer auszustellen, das Gesprächsthema Nummer eins ist, merkt hier niemand. Gleichwohl hat Helmut Harzer das Thema intensiv verfolgt.

Mit seiner Meinung zur Entscheidung der Essener Kollegen hält er nicht hinterm Berg: „Das ist mit den Grundsätzen der Tafel nicht zu vereinbaren. Wer bedürftig ist, dem muss geholfen werden. Egal, welcher Nationalität er ist oder welche Hautfarbe er hat.“ Ganz ähnlich hatte schon Andreas Steppuhn, der Vorsitzende des Vereins in Sachsen-Anhalt, unmittelbar nach Bekanntwerden der Essener Entscheidung argumentiert.

Dabei spricht Helmut Harzer aus eigener Erfahrung. Nachdem im September 2015 die Zahl der ausländischen Bedürftigen auch in Salzwedel merklich gestiegen war, stieß die Tafel mit ihren mit ihren Kapazitäten an ihre Grenzen. „Wir haben im Jahr 2016 ebenfalls einen Aufnahmestopp verhängt. Auf die Idee, diesen nur für Menschen mit Migrationshintergrund zu beschränken, wären wir nie gekommen“, sagt Helmut Harzer.

Zu dieser Zeit betrug der Anteil der Zuwanderer unter den Beziehern etwas mehr als 50 Prozent. Mittlerweile ist er auf knapp 30 Prozent gesunken. „Woran das liegt, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht sind in der Zwischenzeit einige Asylbewerber in die Großstädte abgewandert“, mutmaßt Harzer. Insgesamt versorgt die Tafel in der Hansestadt 150 Haushalte, also knapp 300 Personen pro Woche.

Allerdings verschweigt seine Kollegin Claudia Lembke nicht, dass es in der heißen Phase der Flüchtlingskrise ähnlich wie in Essen zu Problemen bei der Lebensmittelausgabe gekommen sei: „Wir hatten hier auch Streitigkeiten. Uns ist es aber gelungen, das schon früh zu regulieren und klare Regeln festzulegen.“ Was sie ausdrücklich betont: Die Verteilungskämpfe fanden nicht an der Unterscheidungslinie zwischen Deutschen und Ausländern statt. „Da spielte sich viel zwischen den Migranten ab. Da hatten viele sicherlich Angst, zu kurz zu kommen“, erinnert sie sich an die hitzigen Momente.

Mit Hilfe von Einlasskon- trollen und einer eindeutigen Ansprache bei der Ausgabe, habe man die Probleme jedoch wieder in den Griff bekommen. Besonders die Entscheidung, Dolmetscher einzubeziehen, habe sich in diesem Zusammenhang bewährt. „Wenn jemand da ist, der arabisch spricht, kann man die Abläufe viel besser erklären und Missverständnisse ausräumen. Das hat enorm geholfen“, sagt Claudia Lembke.

Genauso würden die Mitarbeiter darauf achten, die Lebensmittelpakete im Vorfeld so zusammenzustellen, dass kein Futterneid aufkommt. Den unterschiedlichen Essgewohnheiten würde die Salzwedeler Tafel somit Rechnung tragen, ohne das Gefühl der Benachteiligung aufkommen zu lassen. Was den Bedürftigen ebenfalls erklärt wurde: Die Tafel ist nicht für die Vollversorgung zuständig. „Wir stehen nur unterstützend zur Seite. Unsere Möglichkeiten sind nun mal begrenzt“, macht Claudia Lembke deutlich.

In diesem Zusammenhang macht sie auf ein viel grundlegenderes Problem aufmerksam, das mit der Entscheidung der Essener Tafel, ebenfalls in den Fokus rückte: „Es wird in großem Maße die Verantwortung für sozial Schwache auf uns Ehrenamtliche abgeschoben. Dabei müsste eigentlich der Staat dafür zuständig sein.“