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Handwerk Salzwedeler Fotograf der alten Schule

Er gehört langsam zu den letzten seiner Zunft: Fotografenmeister Detlef Wunberger aus Salzwedel.

Von Alexander Rekow 16.06.2020, 16:16

Salzwedel l Detlef Wunberger steht im Dachgeschoss seines Hauses und zieht eine von vielen kleinen Kisten hervor. Es sind Erinnerungen aus drei Jahrzehnten in Kartons verpackt. März 1998 bis April 1998 steht auf diesem. „Ach, guck“, sagt er, „das war die Hochzeit von Frau Müller, ein toller Abend.“ Dahinter, im nächsten Papiertütchen verpackt, schlummern die Aufnahmen einer Jugendweihe. Tütchen für Tütchen stecken voller Begebenheiten. Es sind großteils Aufnahmen von Salzwedelern und ihren wichtigsten Ereignissen im Leben, wo ein Fotograf benötigt wurde. Konfirmation, Einschulung, Hochzeit, Beerdigungen, Geburtstage. Dazu Fotos von Models und Bilder, die Detlef Wunberger für sein privates Portfolio geschossen hat. „Manchmal probiert man sich auch nur etwas aus.“

Doch langsam geht es den alten Aufnahmen an den Kragen. „Ich löse allmählich mein analoges Archiv aus.“ Alles, was nicht mehr benötigt wird, soll fachgerecht entsorgt werden. „Es geht ja dabei auch um Datenschutz.“

Detlef Wunberger ist gewissermaßen ein Fotograf der alten Schule. Von 1978 bis 1980 absolvierte er zu DDR-Zeiten in Quedlinburg seine Ausbildung zum Fotografen. Mit Berufsschule, Praxis und Prüfung. 1983 legte der Salzwedeler nach und machte noch seinen Meisterbrief. „Heute braucht man keinen Meisterbrief mehr“, sagt er und runzelt etwas die Stirn, „nur einen Fotoapparat.“ Schon könne sich jeder Fotograf nennen. In Wunbergers Worten ist zu hören, dass ihm der Niedergang seiner Branche zu schaffen macht.

Dabei waren Wunbergers Fotos mal sehr gefragt. „Ich war von 1983 bis 1989 Werksfotograf bei Orwo“, der Filmfabrik in Wolfen. Es sei eine sehr spannende und erfahrungsreiche Zeit gewesen. Egal, ob die Werktätigen, Maschinen oder Gebäude auf dem Gelände, der Salzwedeler hatte sie alle fürs firmeneigene Archiv fotografiert.

Dazu kamen noch staatstragende Festveranstaltungen. „Orwo war direkt dem Ministerium für Chemie und Industrie der DDR unterstellt“, erzählt Wunberger. Daher wurde der heute 63-Jährige auch mit Sonderaufgaben bedacht. So zum Beispiel, als sich eine chinesische Delegation von den Produkten der Filmfabrik vor Ort überzeugen wollte. Mit allem Tamtam der dazugehört. „Das war sehr aufregend, denn es durfte nichts schiefgehen.“ Dementsprechend hoch war die Anspannung bei der Filmentwicklung. Doch dann kam die erlösende Nachricht: Alle Bilder seien gut geworden. „Wenn das nichts geworden wäre, hätten wir uns vor der Delegation blamiert.“ Und die Fehlerquote sei seinerzeit noch hoch gewesen. „Nicht auszudenken, wenn die Fotos nichts geworden wären und die Chinesen daraufhin keinen Auftrag an die DDR erteilt hätten.“

„Hier hört es auf“, sagt Detlef Wunberger und zeigt auf einem Karton aus dem Jahr 2007. Bis dahin reicht sein analoges Archiv. „Danach kam die Digitalfotografie.“ Deren Fotos sind nur noch Daten und passen auf einen Server.

„Wer bei mir Fotos gemacht hat und noch Aufnahmen davon braucht, kann gerne vorbei kommen“, sagt der Fotofgrafenmeister. Noch existiert sein analoges Archiv und Wunberger kann die Aufnahmen entweder reproduzieren oder für den Computer digitalisieren. „Wenn sie erst mal weg sind, geht es nicht mehr.“ Daher der Aufruf an seine Kundschaft: Wer seine Aufnahmen noch retten möchte, sollte sich demnächst in das Fotostudio Wunberger in die Holzmarktstraße von Salzwedel begeben. Gegen ein Entgelt wird gesichert, was noch gebraucht wird. Alles, was der damalige Kunde noch wissen sollte, ist das Jahr und bestenfalls der Monat der Veranstaltung und auf welchen Namen.

Der Treppenaufgang, der hoch zu seinem Fotostudio und seinem Archiv führt, hängt voll mit Fotos. Mal sind es seine Eltern, mal Fotos von Kunden oder ihren Tieren, die eine besondere Bedeutung für Wunberger haben. Daneben ein Regal mit alten Kameras. Es scheint ein Blick in Wunbergers eigene Vergangenheit, fotografisch wie technisch. Und gerade technisch musste sich der Fotografenmeister im Lauf der Zeit immer wieder umstellen und neu erfinden.

Doch die digitale Fotografie sei Fluch und Segen zugleich. Segen, weil er kein großes Archiv mehr benötige und jedes geschossene Foto bereits vor Ort betrachten könne. Fluch, weil die Technik mehr und mehr ihn und seine Kollegen überflüssig mache. „Viele legen keinen Wert mehr auf ein gutes Foto.“ Besonders bleibt ihm dabei eine Begebenheit in Erinnerung. „Eine 13-Jährige sagte mir mal, dass sie selbst professionelle Bilder macht.“ Wie, wollte er wissen. „Sie schießt mit ihrem Smartphone 200 Bilder und sucht eines professionell aus.“ Der Fotografenmeister wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Doch unterm Strich zeige dieses Beispiel exakt, wie viel Wert sein Beruf und sein Meisterbrief heute noch haben. „Die Meisten knipsen mit ihrem Handy, legen mit einer App einen Filter drüber und fertig.“ Und dann würden die sich auch noch Fotograf nennen.

Noch aber stellt sich Detlef Wunberger den Herausforderungen der Zeit. „Ich mache das noch so lange, wie ich kann und vor allem gebraucht werde.“