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Hochwasser Als Salzwedel unter Wasser stand

Historische Aufnahmen zeigen, dass die Hansestadt Salzwedel früher von Hochwassern heimgesucht wurde.

Von Alexander Rekow 22.06.2016, 16:15

Salzwedel l In den vergangenen Wochen beschäftigte viele Salzwedeler der ständig wiederkehrende Starkregen, der in anderen Landesteilen für Verwüstungen sorgte. Aber auch in der Hansestadt Salzwedel liefen Keller voll und Kreuzungen wurden überschwemmt. Ein wirkliches Hochwasser war das jedoch nicht. Und heutzutage ist es nahezu unmöglich, dass die komplette Stadt unter Wasser steht. Das war früher anders.

Drehen wir die Zeit 87 Jahre zurück. 1929 gab es in Salzwedel ein Hochwasser, welches weite Teile der Stadt flutete. Grund hierfür waren enorme Eismengen in einem sehr kalten Winter, die sich an der damaligen Bismarckbrücke (Brücke Karl-Marx-Str.) anstauten, erinnert sich die gebürtige Salzwedelerin und Buchhändlerin Helga Weyhe noch sehr genau. Sie konnte maßgeblich bei der Jahresbestimmung von Hochwasserfotos mithelfen, was mitunter oft nicht einfach ist – dazu aber später mehr.

Was bedeutete die Überschwemmung für die damaligen Einwohner Salzwedels? „Eisversetzungen gab es auf der Jeetze regelmäßig“, weiß Stadtarchivar Steffen Langusch aus alten Aufzeichnungen zu berichten. „Es ist davon auszugehen, dass weite Teile der Infrastruktur massiv gestört waren, es zu Stromausfällen und natürlich überfluteten Kellern und Häusern kam, aber die Menschen waren damals einfach härter im Nehmen“, fügt er an. Aus Languschs Aufzeichnungen geht hervor, dass es durch die Eisversetzungen der Elbe bei Dannenberg und Hitzacker zu Rückstauungen bis zur Jeetze (in Niedersachsen Jeetzel) kam. In der Regel überflutete diese dann beiderseits Wiesen- und Ackergelände in weitem Maße, gerade dann, wenn es zu Elb- und Jeetze-Deichbrüchen kam. Im Winter bedeutete das dann aber auch viel Spaß für die Kinder, die diese Flächen als große Eislaufbahnen nutzten. Das war beispielsweise auch im Salzwedeler Birkenwäldchen im Winter 1962/63 möglich.

Laut einer damaligen Anwohnerin der Steintorstraße in Salzwedel, kam es in dem äußerst kalten und langen Winter zum Übertreten der Dumme. Um der Lage Herr zu werden, wurden viele Salzwedeler zum gemeinschaftlichen Aufpicken und Abtragen des Eises abberufen, welches dann im Birkenwäldchen in Salzwedel mittels Krahn bis zu drei Meter aufgetürmt wurde. So sollte das Fließen der Dumme wieder gewährleistet werden. Für ihre Kinder war das ein großes Abenteuer, ihr Mann hingegen musste zum Arbeitseinsatz und das Eis aufschlagen. Aus ihren Erinnerungen weiß sie zu berichten, dass sowohl Steintorstraße und Breite Straße als auch die Mittelstraße in Salzwedel zu dem Zeitpunkt unter Wasser standen. „Zum Glück kam es nicht in unser Haus“, sagte sie.

Dass es im Winter 1962/63 zu massiven Problemen bei der Wasser-, Gas-, und Stromversorgung kam, zeigen auch die Zeitungsberichte aus der Volksstimme. Die Stadt Salzwedel rief ihre Bewohner dazu auf, dass übermäßiger Verbrauch zu vermeiden sei. So sollten sämtliche Leuchtreklamen, Schaufenster- und andere Beleuchtungen auch außerhalb der Spitzenzeiten reduziert oder abgestellt werden. Gleiches galt bei der Gas- und Wasserversorgung. Einige Schulen mussten ihren Betrieb zeitweilig einstellen und die Salzwedeler Wasserwirtschaft war Tag und Nacht im Einsatz, um geplatzte Wasserleitungen zu reparieren.

Apropos Eisbahnen, die gab es andernorts ebenfalls. Nicht nur der Arendsee war in den 70er- und 80er-Jahren so massiv zugefroren, dass ein ansässiger Wirt mit seinem Auto darüber fahren konnte, wie ein gebürtiger Arendseer zu berichten weiß. Selbst über die Ostsee konnten die Kaufleute 1599 von Rostock nach Kopenhagen noch zu Wagen und Pferd fahren.

Aber zurück zum Hochwasser in Salzwedel. Staute sich das Wasser in Salzwedel direkt, wie 1929, wurde es für die Bewohner Salzwedels schon problematischer.

Mit den zahlreichen Gefällen der alten Hansestadt Salzwedel hatte das Wasser leichtes Spiel und konnte mehr oder weniger ungehindert durch die engen Gassen der Altstadt Salzwedels fließen. Anwohner der Jeetze und Dumme, welche im Besitz eigener Boote waren, transportierten Menschen und Güter auf dem Wasser. Andere bauten sich aus Brettern Behelfsbrücken, um ihr Haus betreten oder verlassen zu können. Ihre Keller auspumpen mussten die Menschen damals wie heute, gleichwohl es zur damaligen Zeit durchaus kräfteraubender gewesen sein dürfte. Hinzu kamen die gehaltenen Nutztiere im ländlichen, aber auch innerstädtischen Bereich, die ebenfalls vor dem Wasser geschützt werden mussten.

Dreht man die Uhr noch weiter auf den März des Jahres 1881 zurück, belegen Fotos und Aufzeichnungen ein weiteres Hochwasser. Damals war, wie in Salzwedel so oft, die große Schneeschmelze der Auslöser. Wie auf dem Foto zu erkennen ist, war das damalige Altperver-Bahnhofsgelände komplett geflutet und konnte trockenen Fußes nur auf Booten passiert werden. Wohl dem, der eines hatte. Salzwedel war in der Altmark natürlich nicht der einzige Ort, der mit derartigen Wassermengen zu kämpfen hatte. Im Jahr 1939 war auch Kalbe/Milde überflutet und in Tylsen kam es sogar zum Dammbruch. Leider liegen zu dieser Zeit keine bekannten Bilder vor. Archivar Langusch führt das auf die NS-Zeit zurück, das damalige Regime wollte die Bevölkerung während des Krieges wohl nicht unnötig noch mehr beunruhigen.

Die Suche nach alten Hochwasser-Aufnahmen gestaltet sich generell schwierig. Zum einen sind viele alte Aufnahmen nur vage oder gar nicht beschrieben, zum anderen ist die Qualität oftmals sehr schlecht. Bei der Qualität hingegen waren die damaligen Fotografen aber ziemlich kreativ, weiß Michael Zauske zu berichten. „Wenn ein Bild verwackelt war oder Elemente ungenau zu erkennen waren, haben sie einfach die Linien nachgezeichnet. Fotos waren damals teuer und aufwändig, nicht selten auch auf gut Glück geschossen“, weiß Zauske zu berichten, der für das Fotostudio Wunberger eine große Zahl an historischen Aufnahmen verwaltet. Der Geschichtsinteressierte steuerte den Großteil der Fotos für diese Seite bei und half mit Archivar Langusch bei der Herkunftsbestimmung.

Als Fazit bleibt: Wenn es in Salzwedel mal wieder stärker regnet und wir von Hochwasser sprechen, sollten wir uns diese alten Aufnahmen zurück in unser Gedächtnis rufen und die Sache vielleicht etwas entspannter nehmen.