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Jakobskreuzkraut Aus dem Giftschrank der Natur

Das giftige Jakobskreuzkraut ist auch im Altmarkkreis Salzwedel auf dem Vormarsch. Es darf nicht ins Tierfutter gelangen.

Von Antje Mewes 08.08.2017, 10:51

Salzwedel l Es blüht strahlend gelb und ist eine attraktive Pflanze: Jakobskreuzkraut – landschaftlich auch Jakobs-Greiskraut genannt. Über viele Jahre konnte es sich weitgehend unbemerkt ausbreiten. Die einheimische Pflanze ist sogar die Nationalblume des Isle of Man. Sie wächst hauptsächlich auf mageren trockenen Böden und ist giftig und zwar alle Pflanzenteile. Inzwischen klingeln bei Imkern, Weidetierhaltern und Tierärzten die Alarmglocken, wenn das Kreuzkraut in größeren Ansammlungen an Feld- und Wegrändern oder auf Wiesen wächst. Ursprünglich auf Schutt- und Ödlandflächen beheimatet, kommt es inzwischen überall vor. „Es hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark ausgebreitet“, schätzt Rainer Haupt, Sachgebietsleiter Pflanzenschutz im Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung (ALFF) ein.

Straßen- und Feldränder sollen als Rückzugsorte für Insekten dienen und nur im Frühjahr und Herbst gemäht werden. Genau zwischen diesen Terminen im Sommer entwickele sich das Kreuzkraut und bilde Samen aus. Zur wirksamen Einschränkung müsste die Mahd vorher erfolgen, sagt der Fachmann.

Die Grünlandflächen würden mit sinkendem Tierbestand teilweise nicht mehr benötigt und immer extensiver genutzt. Pflanzenschutzmittel werden dort nur in Ausnahmen eingesetzt. „Damit wird die Bekämpfung des Jakobskreuzkrautes zunehmend problematischer“, erklärt er. Es sei wichtig, dass die Landwirte nach dem Abweiden die Flächen nachmähen, bevor die Pflanzen reife Samen ausbilden können. Probleme gebe es auf Flächen, die zur Heu- oder Silagegewinnung genutzt werden sollen.

„Für die menschliche Gesundheit besteht aus meiner Sicht nur ein geringes Risiko, weil auf den Ackerflächen kaum Jakobskreuzkraut auftritt“, erklärt Haupt. Bewirtschaftungsform und chemische Unkrautbekämpfung verhinderten im Feldbau eine Ausbreitung. Vorsicht sei auf Gemüseflächen geboten, weil dort der Pflanzenschutz eingeschränkt ist.

Marcel Freudel aus Mahlsdorf sieht die Situation mit Sorge. Er ist Imker und fürchtet, dass die Bienen die giftigen Pollen in die Waben tragen. Weil sie allgemein in dieser Jahreszeit immer weniger Nahrung finden, fliegen sie auch die Blüten der Giftpflanze an. „Es muss jetzt etwas gegen die Ausbreitung unternommen werden“, sagt Freudel, der auch Pferdehalter ist. Wenn sich die Pflanze weiter so vermehre wie bisher, sei der Aufwand zur Bekämpfung in fünf Jahren immens höher.

Dass seine Befürchtungen nicht unbegründet sind, bestätigen die Tierärzte Dr. Thomas Tamm und Dr. Raik Neuling, von der Tierärztlichen Gemeinschaftspraxis Salzwedel. Sie haben bereits einen Verdachtsfall bei Mutterkühen gehabt. Die untersuchten Leberwerte der erkrankten Tiere führten sie auf die Spur der Giftpflanze, die vermutlich mit in das Heu eingepresst wurde.

Pferde, Rinder und andere Weidetiere machen wegen des bitteren Geschmacks einen Bogen um die Pflanze. Bei Überweidung könne es aber dazu kommen, dass sie davon fressen. Viel größer sei die Gefahr im Raufutter wie Heu oder Silage. Bei Heu von Naturschutz-wiesen und anderen extensiv bewirtschafteten Flächen, und vor allem wenn die Tierhalter bei zugekauftem Futter die Qualität nicht einschätzen können, empfehlen die Tierärzte Futterproben zur Untersuchung einzuschicken.

Die Vergiftung verläuft meist chronisch, äußert sich mit Abmagern, Appetitlosigkeit, gestörtem Leberstoffwechsel, der mitunter Gelbsucht zur Folge hat. Schließlich komme es zum Festliegen und zum Tod.

Auch Menschen sind schon schwer erkrankt und gestorben, weil sie das Jakobskreuzkraut mit Johanniskraut verwechselt und sich Tee daraus zubereitet haben.

Beim Altmarkkreis gab es Nachfragen wegen des vermehrten Auftretens, wie Pressesprecherin Amanda Hasenfusz mitteilt. Der Kreis empfiehlt, dass Grundstückseigentümer – also auch die Kommunen – das Kraut umfassend bekämpfen. Es könne mehrere Jahre dauern bis Flächen nachhaltig befreit sind. Mit dem regelmäßige Mähen der Bankette und Straßenseitengräben würden das Kreuzkraut, das dort wächst, intensiv zurückgedrängt. Dafür sorge die Kreisstraßenmeisterei.

„Jakobskreuzkraut ist für viele Insekten interessant und wird gern aufgesucht. Eine Bekämpfung ist auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Regel nicht erforderlich“, erklärt Annette Leipelt vom Naturschutzbund Sachsen-Anhalt. Wenn ein gewisser Abstand zu Grünland oder Pferdekoppeln bestehe, ergänzt sie. Auf bewirtschafteten Flächen sei es möglichst zeitig zu entfernen, um ein Aussamen zu verhindern.