Jeetzeniederung Umstrittener Bypass

Ein umstrittenes Projekt soll bei Amt Dambeck auf den Weg gebracht werden: ein Umgehungsbach für die Jeetze.

Von Antje Mewes 09.11.2016, 02:09

Amt  Dambeck l Die Jeetze soll bei Amt Dambeck quasi einen Bypass erhalten. Damit soll ein durchgängiger Wasserlauf für Fische und andere Tiere entstehen. Im jetzigen Bachlauf versperren die Wassermühle und ein Wehr den Weg. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) hat inzwischen die Planungsunterlagen bei der Genehmigungsbehörde, dem Landesverwaltungsamt, eingereicht. Hintergrund für das Vorhaben sei die europäische Wasserrahmenrichtlinie. Sie schreibe vor, dass in allen Fließgewässern und Seen ein guter ökologischer Zustand erreicht wird. Voraussetzung dafür sei neben der Wasserqualität die ungehinderte Passierbarkeit der Fließgewässer für Kleinorganismen und Fische. „Vor diesem Hintergrund ist geplant, die vorhandenen Wanderhindernisse an der Mühle Dambeck und am unterhalb gelegenen Wehr Dambeck zu beseitigen“, erklärt Katrin Fräbel, die beim LHW für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Dazu soll ein Umgehungsbach um beide Anlagen herumgeführt werden (siehe Grafik). Gleichzeitig diene die Baumaßnahme dem Hochwasserschutz für Amt Dambeck, begründet Fräbel. Die Kosten sind auf 1,2 Millionen Euro geschätzt. Im Vorfeld seien mehrere Varianten, unter anderem der Bau einer Fischtreppe an der Mühle geprüft worden. Der Umgehungsbach habe sich mit „Blick auf die ökologische Funktionsfähigkeit und das Hochwassermanagement als Vorzugsvariante herausgebildet.“

Das sieht der Besitzer der Wassermühle Michael Müller ganz anders. Denn obwohl der LHW verspricht, dass die vorhandenen Wassermengen der Jeetze so aufgeteilt werden, „dass das Mühlenrad nach dem bestehenden Wasserrecht betrieben werden kann und die historische Bausubstanz nicht beeinträchtigt wird“, fürchtet er um den Fortbestand des Betriebs, mit dem Strom erzeugt wird. Müller: „Das Wasser reicht nicht um zwei Flüsse zu bedienen.“

Das wisse er aus langjähriger Erfahrung. Und er zweifelt die ermittelten Zahlen von 1000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde an, die laut LHW momentan an der Mühle ankommen sollen. Am Zusammenfluss von Jeetze und Purnitz seien nur 600 Kubikmeter pro Sekunde gemessen worden. Aus seiner Sicht „sind die Abflussmengen bewusst nach oben gerechnet worden“.

Für geringe Abflüsse seien sowohl am Zulauf zur Mühle als auch zum neuen Jeetzeverlauf entsprechende Bauwerke mit einem definierten Querschnitt vorgesehen, entgegnet der LHW auf diese Befürchtungen.

Außerdem sorgt sich Müller, dass mit einem Absenken des Wasserstandes der Stammjeetze die umliegenden Feuchtgebiete gefährdet sind, die seltene Tierarten beherbergen. „Die gesamte Flusslandschaft ist in Gefahr“, sagt er und ergänzt: „Ein Fischaufstieg an der Mühle würde vollkommen genügen.“ Zumal sich ihm die Frage stelle, woher die Fische wissen, dass sie die Umleitung nehmen sollen.“

Flussaufwärtsschwimmende Fischarten orientierten sich an der Strömung. Die Wiederanbindung des neuen Jeetzeverlaufes unterhalb des Wehres Dambeck werde baulich so gestaltet, dass eine Lockströmung erzeugt wird, antwortet der LHW auf diese Frage.

Für den Kreis-Naturschutzbeauftragten Ralf Knapp ist das Vorhaben „ein krasser Einschnitt in das jetzige Ökosystem.“ Er rechnet mit einer Verschlechterung für den Ober- und Unterlauf der Jeetze. Schlimmstenfalls könnten bei veränderten Wasserständen Feuchtwiesen und moorige Gebiete trockenfallen. Das würde den Lebensraum von Eisvogel oder Schwarzstorch gefährden. Im Fluss selbst wäre die seltene Flussmuschel bedroht. Aus seiner Sicht wären ebenfalls eine Fischtreppe an der Mühle und ein Otterdurchlass am praktikabelsten und der geringste Eingriff.

Im Planungsverfahren würden offene Punkte und Fragen noch bearbeitet, erklärt Katrin Fräbel. Der Baustart kann erst erfolgen, wenn die wasserrechtliche Genehmigung erteilt wurde. Das sei möglich, wenn alle fachlichen Belange und die Forderungen der Träger öffentlicher Belange, wie Gemeinden und Naturschutzbehörden sowie unmittelbar Betroffener abgearbeitet wurden. Ein Termin für den Baubeginn könne deshalb noch nicht benannt werden. Die Bauzeit wird auf etwa ein Jahr veranschlagt.