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Klinikum Kein Kaiserschnitt auf Wunsch

Nicht ganz ein Viertel aller im Altmark-Klinikum geborenen Babys kommt per Kaiserschnitt zur Welt.

Von Antje Mewes 17.02.2018, 11:02

Salzwedel l Weltweit ist die Anzahl der Kaiserschnitte – lateinisch Sectio caesarea – deutlich gestiegen. In Deutschland werden durchschnittlich 30,5 Prozent der Kinder auf diesem operativen Weg geboren. Dr. Roberto Müller, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Salzwedeler Krankenhaus, hält eine Rate von 20 Prozent für anstrebenswert und realistisch. Dass sie im Altmark-Klinikum leicht darüber liegt, habe verschiedene Gründe. Mit 24 Prozent liegt die Klinik aber deutlich niedriger als der Bundesschnitt. In einigen Krankenhäusern kommt sogar die Hälfte aller Babys per Kaiserschnitt zur Welt. Der Chefarzt erinnert sich, dass vor 30 Jahren nur acht Prozent der Frauen auf diesem Weg entbunden wurden und die meisten von ihnen als Notfall, wenn bei der Geburt Komplikationen aufgetreten sind.

Diese sogenannten sekundären Kaiserschnitte, die sich aus dem Geburtsverlauf heraus ergeben, kommen nur noch selten vor. Meistens wird die sogenannte primäre, also geplante, Schnittentbindung angewendet. Dazu muss immer eine Indikation sprich ein medizinischer Grund vorliegen, betont der Chefarzt und ergänzt: „Bei uns gibt es keine Wunschsectio.“ Anderen Orts schon. So wurde auf Wunsch der Eltern in Erlangen ein Baby am 12.12.2012 per Kaiserschnitt um 12 Uhr 12 Uhr geholt. So etwas lehnt Dr. Müller strikt ab. Es gehe ausschließlich um das Wohl von Mutter und Kind.

Die Ursachen für den Anstieg der Kaiserschnitt-Entbindungen sind vielfältig. Aufgrund des medizinischen Fortschritts ist das Risiko bei Operationen inzwischen weit geringer als noch vor Jahrzehnten. Die sogenannte protektive (schützende) und vorausschauende Geburtshilfe kann unter Abwägung von Risiko und Nutzen zur Entscheidung für eine Schnittentbindung führen, erklärt Dr. Müller. So wenn im Vorfeld Komplikationen absehbar sind, wie beispielsweise ein Missverhältnis zwischen der Größe des Babys und dem mütterlichen Becken, bei komplizierten Lagen des Fetus und weiteren Gründen wie Erkrankungen und ähnliches.

Zur medizinischen Indikation kann aber auch gehören, dass eine werdende Mutter große Angst vor der Geburt und den Schmerzen hat, aufgrund von schlimmen Erlebnissen oder schlechten Erfahrungen. Dann kann unter Umständen ein geplanter Kaiserschnitt in Frage kommen, erklärt Dr. Müller. Denn die Psyche spiele eine große Rolle, und die Frau habe natürlich ein Selbstbestimmungsrecht.

Allerdings müssen die werdenden Eltern in diesem Fall das Risiko mittragen. Denn das besteht und ist nicht geringer als bei einer normalen Geburt. So könne es zu Problemen bei Folgeschwangerschaften kommen, weil sich etwa der Mutterkuchen (Placenta) aufgrund der Narben nicht richtig einnistet, erklärt der Chefarzt. All das werde ausführlich dargelegt, diskutiert und abgewogen, erzählt er.

Dass heute eher zum Skalpell gegriffen werde, hänge auch mit dem höheren Durchschnittsalter der Schwangeren zusammen. Das liege bei Erstgebärenden inzwischen bei 30 Jahren. Rund 25 Prozent der Frauen seien sogar älter als 35, wenn sie ihr erstes Kind zur Welt bringen.

Mit zunehmendem Alter werde es körperlich schwerer, die Strapazen auszuhalten. Es gebe eine hohe Erwartungshaltung an die Geburt und das Kind, weiß der Chefarzt. Das sei eigentlich von der Natur so nicht vorgesehen. „Der liebe Gott wollte, dass die Frauen mit 20 bis 25 Jahren ihr erstes Kind bekommen“, sagt Dr. Müller schmunzelnd.

Mit einem Vorurteil räumt er auf, dass die Kliniken an Kaiserschnitten verdienen. Zwar gebe es für die OP eine höhere Erstattung als bei einer spontanen Geburt. Aber das werde durch den höheren Aufwand aufgefressen: zwei Gynäkologen, zwei OP-Schwestern, der Anästhesist und seine Assistentin seien mindestens bei einer Sectio gefordert. Anderenfalls betreuen nur eine Hebamme und zeitweise ein Arzt die werdende Mama.

Im Gardelegener Krankenhaus verhält es sich, was die Zahl der Kaiserschnitte und ihren Ursachen anbelangt, ähnlich wie in Salzwedel, erklärt die dortige Chefärztin Angelika Schmäcke.