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Konsum Fleischsteuer: Ein Schnellschuss?

Höhere Steuern auf Fleisch und mit dem zusätzlichen Geld für mehr Tierwohl sorgen? In Salzwedel wird die Idee mit viel Skepsis gesehen.

Von Antje Mewes 19.08.2019, 02:00

Salzwedel l Diese Zahlen erscheinen unvorstellbar hoch: Im ersten Halbjahr 2019 produzierten die Schlachtbetriebe in Deutschland 3,9 Millionen Tonnen Fleisch einschließlich Geflügel. Dafür mussten 29,4 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde ihr Leben lassen. Die Zahl der Schlachtungen bei Geflügel beläuft sich auf weit mehr als 300 Millionen Tiere in diesem Zeitraum. Doch die statistischen Zahlen zeigen auch: die Fleischerzeugung in Deutschland sinkt – um Minus 2,6 Prozent (rund 100 Tonnen) im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018.

Diesen Trend wollen Bundespolitiker von Grünen, SPD und der Union anscheinend verstetigen. So plädierte unter anderem der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, in der Zeitung „Welt“ dafür, die Mehrwertsteuer beim Fleisch von derzeit sieben auf 19 Prozent zu erhöhen. Dies solle auch zugunsten des Tierwohls geschehen.

„Der Gelackmeierte ist mal wieder der kleine Mann“, kann Frank Kuhlmann, Inhaber der gleichnamigen Fleischerei in Diesdorf, dem Vorhaben einer Mehrwertsteuererhöhung auf Fleischprodukte wenig Positives abgewinnen. Seinem Betrieb bliebe nichts anderes übrig, als die mögliche Steuererhöhung an den Kunden weiter zu reichen. „Das ist für uns ein durchlaufender Posten“, sagt Kuhlmann.

Dass mit dem Instrument einer Steuererhöhung für mehr Tierwohl gesorgt werde, kann er nicht glauben. „Man sollte auch mal darauf schauen, wie viel Fleisch aus Deutschland exportiert wird“, meint der Diesdorfer. In der Region verzeichnet Kuhlmann bereits einen rückläufigen Fleischkonsum. „Die Leute ernähren sich doch schon deutlich bewusster“, sagt der Inhaber der Fleischerei. Kuhlmann betreibt neben dem Hauptgeschäft in Diesdorf noch Filialen in Salzwedel und Beetzendorf. 25 Beschäftigte sind in dem Unternehmen angestellt.

„Mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer oder einer allgemeinen Steuer würden wir als Fleischproduzent ganz klar eine Umsatzeinbuße hinnehmen müssen“, sagt Jörg Viehmann, Geschäftsführer der Altmärker Fleisch und Wurstwaren GmbH. Er befürchtet zudem, dass sich das Verbraucherverhalten ändern würde, weil dieser sehr preisorientiert einkaufe.

Dass eine Steuererhöhung dem Tierwohl weiterhilft, glaubt er nicht, da nicht gewährleistet sei, dass das Geld auch dort ankommt, wo es benötigt wird. „Die Lieferkette vom Endverbraucher bis zum Erzeuger ist nicht gleichmäßig“, betont er. Um etwas zum Positiven zu ändern, müsse das Bewusstsein des Verbrauchers geschärft werden, unter dem Slogan „weniger ist mehr“, sollte die Wertschätzung erhöht werden. Es müssten zudem öfter unangekündigte Kontrollen in der Haltung bis hin zum Transport und zur Schlachtung erfolgen. „Dazu benötigt es zusätzliches Personal und man müsste ein Amt für Tierwohl ins Leben rufen“, sagt Viehmann. Der Betrieb hat in drei Bundesländern 52 Verkaufsstellen und etwa 360 Mitarbeitern.

Ähnlich sieht es auch der Obermeister der Fleischer-Innung Altmark Ronny Bratke. „Da hat sich die Politik mal wieder einen Schnellschuss ausgedacht“, sagt er. Der Wegfall der „kleinen regionalen Kreisläufe“ habe die derzeitige Situation hervorgerufen. Daran ändere eine Steuerhöhung – in welcher Form auch immer – gar nichts. Das führe nur dazu, dass gerade die kleinen Fleischereien „hinten runterfallen“. Der Fleischkonsum stagniere bei 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Auch er kritisiert, dass die Wertigkeit nicht mehr gegeben ist. Es sei besser, mal zu verzichten und dann für ein gutes Stück Fleisch mehr auszugeben. Besonders verärgert ist Bratke über das neue Rindfleisch-Handelsabkommen mit den USA. Da wisse der Verbraucher nachher gar nichts über Herkunft, Futter oder Medikamentengaben.

Für Felix Neumann, Inhaber des Grünland Bioladens in Salzwedel, liegt die Problematik an anderer Stelle. Da die Mehrwertsteuer nicht zweckgebunden sei, sieht er sie nicht als Instrument, um für mehr Tierwohl zu sorgen. „Das Problem ist, dass Fleisch generell zu günstig ist“, sagt Neumann, der seinen Kunden Fleisch von regionalen Erzeugern verkauft. „Das hat schon einen deutlich höheren Preis“, sagt der Bioladen-Inhaber.

Und was sagen die Bauern dazu: „Mehr Geld für mehr Tierwohl ist ein wichtiges Instrument, um die Tierhaltung weiter zu entwickeln. Stallumbauten kosten Geld und brauchen eine klaren Rechtsrahmen, damit Investitionen auch Bestand haben“, betont Annegret Jacobs, Geschäftsführerin des Kreis-Bauernverbandes. Die „Fleischsteuer“ sei dafür nicht geeignet. Sie erweckt den Eindruck: „Hauptsache erst mal teurer, überlegt wird später.“

Höhere Abgaben und damit steigende Preise entbinden zudem aus ihrer Sicht den Verbraucher von der Verantwortung, selbst zu entscheiden, woher sein Fleisch stammt und mit dem Einkauf bewusst bestimmte Formen der Tierhaltung zu unterstützen.

Jacobs: „Es gibt mit der Erhöhung der Steuer kein Instrument, um die Einnahme daraus der Tierhaltung zugutekommen zu lassen.“ Eher werde befürchtet, dass der Lebensmitteleinzelhandel versucht, noch preiswerter einzukaufen, um auch mit der erhöhten Steuer die Ladenpreise im Konkurrenzkampf halten zu können. Das wiederum verschärfe den Druck auf die Preise beim Verkauf von Schlachttieren.