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Kritik Wohin steuert das Generationenhaus?

Rund ein Jahr nach den harten Verhandlungen über den Erhalt des Salzwedeler Mehrgenerationenhauses (MGH) mehren sich die kritischen Stimmen.

Von Fabian Laaß 23.06.2016, 01:01

Salzwedel l Es ist Sommer 2015. Fast die gesamte Stadt und auch der Altmarkkreis Salzwedel setzen sich für den Erhalt des Mehrgenerationenhauses an der Sonnenstraße ein. Der neue Träger, die Arbeiterwohlfahrt, kann schließlich überzeugt werden, die Einrichtung am Leben zu erhalten. Doch wie viel Leben steckt heute noch in dem einst von allen Seiten gelobten Haus? Ein Überblick:

Hebammenpraxis, Nagelstudio, MGH-Stöberstübchen, Holzwerkstatt, Computerraum – all diese Dinge gibt es im MGH mittlerweile nicht mehr. Die Fahrradwerkstatt wird nach Bedarf vom Hausmeister betrieben. Dafür ist der Jugendmigrationsdienst der Arbeiterwohlfahrt nun ebenfalls an der Sonnenstraße ansässig.

„Besonders unsere Deutschkurse sind sehr gut besucht“, erklärt MGH-Leiter Sebastian Dobras. Wie die Volksstimme aus mehreren unabhängigen Quellen erfuhr, ist das Angebot insgesamt aber deutlicher schmaler als zuvor.

Während vor einem Jahr noch ein Nagelstudio und eine Hebammenpraxis im MGH eingemietet waren, gibt es mittlerweile keine Mieter mehr. Alle Angebote und Einrichtungen gehören zur Awo als Träger.

Über die Art und Weise der Kündigung ist Hebamme Helma Müller-Lüllwitz noch heute fassungslos. „Nachdem die Awo das Haus im Januar 2015 übernommen hatte, bekamen wir recht schnell die Mitteilung, dass wir uns nach neuen Räumlichkeiten umsehen sollen. Am 2. Juni bekam ich schließlich die Kündigung des Mietvertrages zum Monatsende. Am 1. Juli gab es dann die Verlängerung bis zum Jahresende“, erinnert sich die Hebamme. Ihre Praxis hatte sie auf eigene Kosten umgestalten und modernisieren lassen. „Die ganze Sache war sehr ärgerlich für mich“, sagt Helma Müller-Lüllwitz.

Auch das Team des MGH ist kleiner geworden. Aus einem Kernteam von fünf hauptamlichen und geringfügig Beschäftigten, einem Bundesfreiwilligendienst-Leistenden (Bufdi)sowie mindestens zehn ehrenamtlichen Mitarbeitern ist ein Mitarbeiter-Stab von insgesamt maximal zehn (zwei hauptamtliche Mitarbeiter, ein Bufdi, ein geringfügig Beschäftigter sowie sechs Ehrenamtliche) Menschen geworden.

Horst Metz, der über Jahre hinweg ehrenamtlich die Fahrradwerkstatt des MGH betreute, beklagt sich im Volksstimme-Gespräch über den Umgang mit den Ehrenamtlichen seitens der Awo. „Ich sollte einen Honorarvertrag unterschreiben oder mich selbständig machen. Von der Awo selbst hat niemand mit mir persönlich gesprochen. Schade, dass es in die Brüche gegangen ist. Die Kinder sind immer gern zu mir gekommen und haben ja auch ‚Opa‘ zu mir gesagt“, so der Rentner.

Ein Negativtrend ist auch bei der Besucherzahl des MGH zu verzeichnen. Nutzten vor der Übernahme durch die Awo noch 100 bis 150 Menschen täglich die Angebote des Hauses, sind es heute nur noch um die 50. „Wenn die Deutschkurse stattfinden sind es auch mal 100 Leute“, sagt Sebastian Dobras.

Wie die Volksstimme erfuhr, kommen weniger Kinder als zuvor in das Haus. „Mir kommt es manchmal so vor, als wenn die Kinder in manchen Fällen als Störfaktoren gesehen werden“, sagt die ehemalige Mitarbeiterin Anja Breese.

Früher waren sie ein fester Bestandteil der Einrichtung, unterstützten bei Veranstaltungen und halfen, wo sie gebraucht wurden. Heute sind die Paten des MGH seltene Gäste. „Ich wurde schon lange nicht mehr zu Veranstaltungen eingeladen. Seit dem Trägerwechsel gab es eigentlich kaum noch Kontakt“, berichtet Karl-Heinz Reck. Und auch Kerstin Calivá weiß nur noch wenig über die Abläufe im Haus. „Ich kümmere mich um den Mittagstisch. Ansonsten habe ich keinen Einblick mehr.“

Verweist präsentiert sich der Facebook-Auftritt des MGH. Zwar wurde erst am Montag etwas zum Projekt Music is everywhere gepostet. Davor datieren die letzten Einträge jedoch vom 25. Mai und 24. März.

Auf der Internetseite des Awo-Kreisverbandes taucht das MGH als Einrichtung erst gar nicht auf.

Er ist der Leuchtturm der Einrichtung, sorgt täglich für rund 20 Besucher. Unterstützt durch Kerstin und Gaetano Calivá ist Regina Holz die gute Seele des Mittagstisches. „Sie ist total umsichtig und sorgt dafür, dass die Gäste auch das bekommen, was sie gern einmal essen möchten. Der Mittagstisch gibt vielen Menschen Halt“, ist sich Anja Breese sicher. Das Angebot laufe nach wie vor sehr gut, bestätigte auch Kerstin Calivá.

„Es hat sich im vergangenen Jahr nicht so viel verändert. Der Jugendmigrationsdienst ist mit ins Haus gezogen. Der zweite Gebäudeteil wurde leergezogen“, erklärt Sebastian Dobras. Das Angebot sei mindestens genauso gut geblieben wie zuvor. Den Kontakt zu den Paten wolle er intensivieren. „Ich kenne die meisten nicht persönlich. Da ist es etwas untergegangen“, räumte der MGH-Leiter ein.

Viel Leben im Haus und vielfältige Angebote bescheinigt Andrea Schmieder, Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbandes, dem MGH. Es werde viel für Kinder getan und laufe super. „Ich bin sehr zufrieden damit“, so Andrea Schmieder. Gemeinsam mit der Stadt und dem Altmarkkreis habe man Ende Mai eine Interessensbekundung für die Fortführung des Bundesprojektes über 2016 hinaus abgegeben.

 „Wir sind sehr zufrieden mit de Arbeit des MGH. Die Angebote sind wichtig, um gerade ausländische Mitbürger zu integrieren“, berichtet der in der Stadtverwaltung für Pressearbeit verantwortliche Mitarbeiter Andreas Köhler. Man sei froh darüber, dass es diese Einrichtung gebe.