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Kunstschatz Die Dame vom Hungerturm

Unscheinbar unter Plastikfolie ist sie verborgen: Eine der wenigen profanen Wandmalereien der Altmark befindet sich im Hungerturm Salzwedel.

31.10.2019, 00:00

Salzwedel l Von Efeu fast komplett überwuchert, schlummerte dieses Gebäude an der Salzwedeler Stadtmauer mit Blick auf den Park des Friedens viele Jahre in einer Art Dornröschenschlaf. Die Rede ist vom Hungerturm unweit der Propstei. In diesem Jahr geriet der mittelalterliche Wehrturm, der im späten 14. oder frühen 15. Jahrhundert zur Verteidigung gegen Feinde der Stadt errichtet wurde, in den Blick von Wissenschaftlern des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle. Allerdings nicht wegen seiner äußeren Beschaffenheit.

Derzeit dient der Turm als Arbeitszimmer für den Archäologen Uwe Fiedler, der die Bauarbeiten an der Altperverstraße und am Südbockhorn für das Amt begleitet. In der ersten Etage des Turmes stapeln sich daher Holzfunde sowie Kisten voller Tonscherben und Knochen, die bald weitergehend untersucht und dokumentiert werden. Doch schweift dann der Blick nach oben, entdeckt der Betrachter eine Besonderheit. Diese ist in der Altmark nicht einzigartig, aber äußerst selten.

Auf der Konsole, also dem Unterbau eines Kamins, der noch zu mittelalterlicher Zeit in der zweiten Etage eingebaut wurde, sind Wandmalereien freigelegt worden. Wie Ulrich Kalmbach, Leiter des Danneilmuseums, bestätigte, wurde die Malerei bereits Mitte der 1990er Jahre während der Sanierung des Gebäudes entdeckt. Im Rahmen des Projektes „Mittelalterliche Wandmalereien in den altmärkischen Kirchen“, das die Kirchenkreise der Altmark und das Landesamt für Denkmalpflege über die EU-Leaderförderung initiieren konnten, geriet diese Besonderheit wieder ins Blickfeld – auch wenn sich die Malerei nicht in einer Kirche befindet.

„In ihrer Figürlichkeit und Vollständigkeit ist diese Malerei etwas Besonderes“, betont Torsten Arnold, Restaurator beim Landesamt. Das nur teilweise freigelegte Kunstwerk zeigt gotische Schrift und das schemenhafte Bildnis einer Frauengestalt, die eine Haube als Kopfbedeckung trägt. Arnold erklärte im Gespräch mit der Volksstimme, dass noch in diesem Jahr eine Restauratorin das Wandgemälde eingehender begutachten werde. Ob es komplett freigelegt wird, konnte der Restaurator noch nicht sagen.

„Die erste Freilegung ist nicht fachmännisch ausgeführt worden“, meinte Torsten Arnold. Nun bestehe die Gefahr, dass man in den Kalktünchen, also den Schichten über der Malerei, vielleicht sogar andere historische Zeugnisse zerstören könne. Das weitere Vorgehen und auch die Finanzierung dessen sollen nach der genaueren Begutachtung geklärt werden.

Eine erste vorsichtige Schätzung datiert die Wandmalerei auf das 15. Jahrhundert, also die Periode, in der das Innere des Turmes ausgebaut wurde. Zuvor war der Hungerturm als reine Wehrbefestigung zur Stadtseite hin offen.

Für Prähistoriker Uwe Fiedler, der im zweiten Stock sein Arbeitszimmer eingerichtet hat, ist die Malerei ebenfalls eine Besonderheit. Fiedler hatte sich zum Tag des offenen Denkmals Anfang September eingehender mit der Geschichte des Bauwerks befasst.

So meint auch Fiedler, dass es eines der wenigen profanen, mittelalterlichen Wandgemälde in der Altmark sei. Dennoch habe die Darstellung wahrscheinlich einen kirchlichen Hintergrund. Denn bis zur Säkularisation im Jahre 1565 gehörte der Hungerturm zum Propsteigelände und „wurde zu katholischen Zeiten also von dem höchsten geistlichen Würdenträger in der Altstadt Salzwedels genutzt“.

Fiedler meint zudem erkannt zu haben, dass die Malerei kein Fresko sei. „Es sieht so aus, als wurde die Farbe nachträglich auf den Putz aufgetragen“, erklärte der Prähistoriker. Bei Freskenmalerei wird die Farbe dagegen in den noch frischen Untergrund eingebracht.